Eine Überraschung verheißt die Bundestagswahl am kommenden Sonntag nicht, sagt der Politologe Alexander Rahr. Wirklich spannend ist demnach nur die Frage, wer mit wem koalieren und wie viele Stimmen auf die AfD entfallen werden.
Brandenburger Tor
© AFP 2017/ Tobias SCHWARZ
An dem Sieg der Christdemokraten gibt es laut dem Experten keinen Zweifel, wohl aber wird die Merkel-Allianz im Vergleich zur letzten Wahl einige Stimmen einbüßen. "Höchstens 37, eher aber 35 Prozent", prophezeit Rahr der CDU/CSU. "Bei der letzten Wahl hatten sie noch 42 Prozent der Wählerstimmen hinter sich."

Was die SPD angeht, so hat der Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten es laut dem Politologen verpasst, ein ernsthafter Herausforderer für Angela Merkel zu werden.

Die spannendste Frage sei doch, wie die künftige Regierungskoalition aussehen werde - denn Merkel werde keinesfalls auf mehr als 50 Prozent der Stimmen kommen.

"Hier gibt es zwei Varianten, die meiner Ansicht nach möglich sind, andere gibt es fast nicht. Die Fortsetzung der heutigen Koalition mit den Sozialdemokraten ist die eine davon. In diesem Fall aber besiegeln die Sozialdemokraten für immer und ewig ihre Rolle als Juniorpartner von Frau Merkel und ihrer CDU. Mit der Zeit verlieren sie schlicht ihren Status der zweiten Volkspartei", so der Experte bei einem Runden Tisch am Dienstag in Moskau. Da die Sozialdemokraten dies sehr wohl verstünden, werde es innerhalb der SPD viele Widerstände gegen diese Variante geben, fügte er hinzu.

Die andere Möglichkeit ist laut Rahr eine Dreierkoalition aus CDU, FDP und den Grünen: "Auf Bundesebene hat es so eine Koalition noch nie gegeben, auf Landesebene aber gibt es sie schon", erklärt der Analyst. Stellenweise funktioniere sie auch, stellenweise auch wieder nicht.

Spannend ist dem Experten zufolge natürlich auch die Frage, wie viele Stimmen die Rechtspopulisten von der AfD einfangen werden. Die Partei stütze sich ja auf ein wichtiges Thema in diesem Wahlkampf:

"Sie haben ein sehr wichtiges Thema oder vielleicht das zweit-, das drittwichtigste Thema dieser Wahl: Die Flüchtlingskrise. Sie stehen in der Tat auf dem Standpunkt, dass Frau Merkel vor zwei Jahren einen Riesenfehler gemacht hat, als sie die Grenzen Deutschlands radikal öffnete... Sie wissen, dass in Deutschland, ich würde sagen, an die Hälfte der Bevölkerung diese Politik von Frau Merkel ablehnt. Und sie werden es versuchen, die Unterstützung dieser Wähler mit dieser Idee zu bekommen."

Rahr sieht gute Chancen, dass die AfD zehn Prozent der Wählerstimmen erhält. In Ostdeutschland könne diese Partei gar die zweitstärkste Kraft werden, weil in diesem Teil Deutschlands "die Angst vor der Islamisierung" besonders groß sei.

Auch in der deutschen Außenpolitik seien nach der Bundestagswahl keine großen Überraschungen zu erwarten, nur dass der nächste Kanzler international ein höheres Ansehen genießen werde: "Wir wählen - und das verstehen ja auch alle - einen Anführer Europas und vielleicht auch den zweiten Anführer des Westens, weil Trump für diese Rolle offensichtlich schon nicht mehr geeignet ist. Deshalb wird der künftige deutsche Kanzler ein größeres Gewicht auf der internationalen Arena sein als die bisherigen Bundeskanzler", so Rahr.