Piraterie
© Reuters Tobias SchwarzOffenbar sind die Auswirkungen von Internet-Piraterie nicht so dramatisch wie immer gerne betont wird. Grund genug, um eine Studie zurückzuhalten?
Die EU-Kommission gab 360.000 EUR für eine Studie zu Internet-Piraterie aus. Es sollten die Auswirkungen auf den Verkauf von urheberrechtlich geschützter Musik, Büchern, Videospielen und Filmen untersucht werden. Nur bestimmte Teile der Studie wurden veröffentlicht.

Die niederländische Firma Ecory wurde mehrere Monate lang damit beauftragt, die Auswirkungen von Internet-Piraterie zu untersuchen. Im Mai 2015 präsentierte die Firma der EU einen 304-seitigen Bericht. Die Studie kam zu dem Schluss,
dass die Ergebnisse im Allgemeinen keine belastbaren statistischen Beweise für die Verlagerung von Verkäufen durch Urheberrechtsverletzungen im Internet zeigen. Das bedeute nicht unbedingt, dass Piraterie keinen Effekt habe, sondern nur, dass die statistische Analyse nicht mit ausreichender Sicherheit beweisen könne, dass es einen Effekt gibt.
Der Report zeigt zudem, dass illegale Downloads und Streaming den legalen Verkauf von Spielen ankurbeln können. Der einzige negative Zusammenhang zeigt sich offenbar nur im Zusammenhang mit Blockbuster-Filmen:
Die Ergebnisse zeigen eine Verdrängungsrate von 40 Prozent, was bedeutet, dass für jeden zehnten kürzlich illegal gesehenen Top-Film vier Filme weniger legal konsumiert werden.
Zur Untersuchung der Folgen von Piraterie für legale Angebote wurden vier Branchen (Musik, Film/Serien, Bücher und Spiele) in sechs nach Repräsentativitätskriterien ausgewählten Mitgliedsländern (Deutschland, Frankreich, Polen, Spanien, Schweden, UK) vergleichend untersucht. Die Studie ist erst jetzt ans Tageslicht gekommen, weil Julia Reda, Europaabgeordnete der deutschen Piratenpartei, den Bericht in ihrem persönlichen Blog veröffentlicht hat, nachdem sie eine Kopie der Studie durch ein EU-Recht auf Zugang zu Dokumenten angefordert hat.


Die Europäische Organisation für digitale Rechte vermutete in einem Blog-Beitrag, dass der gesamte Inhalt dieses Berichts absichtlich nicht veröffentlicht wurde, und verwies auf einen wissenschaftlichen Beitrag von 2016, der von zwei Kommissionsbeamten verfasst wurde. In dem Beitrag, den der Chefökonom der Kommission mit einem Kollegen bereits 2016 auf Basis der Studiendaten in einem wissenschaftlichen Aufsatz veröffentlicht hat, wird ausschließlich der statistisch signifikante Fall der Blockbusterfilme behandelt.

Zudem wurde die Herkunft der Daten nur in einer kurzen Fußnote 3 erwähnt, ohne Hinweis darauf, dass die Untersuchung viel breiter angelegt war. Obwohl die Studie mit öffentlichen Mitteln gefördert wurde, kam es zu keiner Veröffentlichung. Stattdessen bediente sich die Kommission selektiv bei der Studie, um strengere Maßnahmen zur Rechtsdurchsetzung wie beispielsweise die von EU-Kommission und Rat angedachten Upload-Filter zu rechtfertigen.