Elfenfelsen Island
© Svala Ragnars
Inmitten der schroffen Felsen der isländischen Lavafelder von Gálgahraun stand eine Gruppe neugieriger Menschen zusammengedrängt und wartete mit gespannter Haltung. Plötzlich gab es einen lauten Knall und ein riesiger 50-Tonnen-Felsbrocken wurde aus dem Erdboden gerissen. Dann hob man den Koloss langsam in die Luft und setzte ihn ganz behutsam in der Nähe wieder ab, als handele es sich um eine unbezahlbare, zerbrechliche Skulptur. "Ich hoffe nur, sie sind in ihrer neuen Heimat glücklich. Die Elfen mögen es überhaupt nicht, so entwurzelt zu werden", sagte einer der anwesenden Zuschauer. War seine Aussage ironisch gemeint? Überhaupt nicht! In Island gibt es sehr viele Menschen, die an Elfen oder auch an »The Hidden People«, zu Deutsch: »das verborgene Volk«, glauben.

In der Stadt Hafnarfjörður, etwas außerhalb von Reykjavik, gab es einen Felsen, der derart gefährlich inmitten der Straße herausragte, dass die Autos gezwungen waren, ihm auszuweichen und um ihn herum zu fahren. Schaut man sich den Felsen etwas genauer an, erkennt man noch eine rostige Metallstange in ihm stecken - ein »Souvenir« aus dem letzten Versuch, ihn von der Straße zu verschieben. Und in Kópavogur, südlich der Hauptstadt, steht ein Fels namens »Elfhill« (Elfhügel), der bereits seit Jahrzehnten den Verkehr stört. Obwohl man ihn ursprünglich beseitigen wollte, als die Straße in den 1930er-Jahren gebaut wurde, ließ man ihn doch letztendlich lieber stehen, nachdem sich während der Bauarbeiten eine Reihe von Unfällen ereigneten und sie als Rache der Elfen gedeutet wurden, die in dem Felsen hausen. In den 1980er-Jahren griff man das Vorhaben zwar noch einmal auf, doch es traten die gleichen Probleme erneut auf und die Arbeiter weigerten sich, sich ihm auch nur zu nähern. Sogar TV-Teams berichteten, dass ihre Kameras versagten, sobald sie ihre Kameras auf den Felsen richteten. Die Straße wurde schließlich um den Felsen herum gebaut. Übrigens, wenn man diese Straße entlangfährt, wird man feststellen, dass die Hausnummern ein Grundstück überspringen, dies geschieht in Anspielung an den felsigen Wohnsitz der unsichtbaren Nachbarn.

Der Felsbrocken mit dem Namen »Ófeigskirkja« hat nach einem harten, achtjährigen Kampf ebenfalls den Bau einer Straße verhindert. Er befindet sich etwas nördlich von Reykjavík inmitten einer 8.000 Jahre alten Landschaft und einige glauben, dass er das Werk übernatürlicher Kräfte ist. Eine im Jahre 2007 von der Universität Island durchgeführte Umfrage ergab, dass über 60% der Isländer an die mögliche Existenz von Elfen und anderen Naturgeistern glauben. In einem Land, das von brodelnder Erde, bizarren Landschaften und Wechselspielen aus Feuer und Eis umgeben ist, fällt es nicht schwer nachzuvollziehen, warum mehr als die Hälfte der Bevölkerung an die Möglichkeit glaubt, dass es eine parallele Welt der Elfen, Zwerge und Gespenster gibt, die neben ihnen leben.

Doch nur wenige Isländer behaupten, wie Ragnhildur Jónsdóttir auch einen direkten Kontakt zu ihnen zu haben und ihre Hilfeschreie hören zu können. "Die Elfen kontaktierten mich im Jahr 2012 und baten mich, ihre Kapelle zu schützen. Sie sagten mir, Ófeigskirkja wäre jahrhundertelang als Signalturm genutzt worden, um die Menschen durch das Lavafeld zu führen. Dann baten sie mich, den Bürgermeister anzuschreiben, um den Straßenbau zu stoppen", sagte der Leiter des »The Elf Garden«, einem Märchenpark aus Lavafelsen in der Nähe von Reykjavík.

Welche Auswirkungen dieser Glaube an Naturgeister in Island inzwischen hat, verdeutlicht Terry Gunnell, Professor für Volkskunde an der Universität von Island:
"Unternehmen, die Großprojekte planen, versuchen nun, Problemen mit der übernatürlichen Welt vorzubeugen. Für das große Kárahnjúkastífla-Staudamm-Projekt im Osten wurden zum Beispiel im Vorfeld Berater mit hellseherischen Fähigkeiten angeheuert, die zuerst die Landschaft begutachtet haben, um sicherzustellen, dass sich dort keine Elfen-Felsen befanden."