Auf meinen letzten Artikel über Flache-Erde Anhänger bekam ich Leserpost:
Nachdem Sie die Flacherdler auseinander genommen haben. Widerlegen Sie doch bitte mal die Argumente von Dr. {Name redigiert} ( {Link redigiert} ).

Da wird weniger geschwafelt, sondern mit Argumenten die Fläche Erde vertreten. Sie haben sich wohl die dümmsten Flacherdler ausgesucht.
Mal abgesehen davon, dass der Link falsch war, habe ich mir dennoch einen Blog-Post der betreffenden Person angesehen. Ich muss zugeben, dass dort auf höherem Niveau argumentiert wurde als sonst, aber ich fand dennoch Mängel in der Argumentation.

Am Ende des Blog-Posts erwähnt der Autor, dass er darauf warte, dass ihm jemand "eine Theorie" vorlegt, derzufolge der Bodensee "wissenschaftlich bewiesen" keine Ausnahme für eine runde Erde darstellt. Daher mein heutiger Artikel.
horizon flat earth
Ein Beobachter auf Höhe h0; der Horizont für den Beobachter auf Distanz d1; das beobachtete Objekt in der Entfernung d0; und die vom Horizont verdeckte Höhe h1 des Objekts.
In betreffendem Blog-Post werden drei Fotos von der Schlosskirche Friedrichshafen veröffentlicht, die quer über den Bodensee aufgenommen wurden. Die Fotos sollen als Beweis dienen, dass die Erde nicht kugelförmig ist.

Es wird unter anderem behauptet, dass:
  1. alle drei Fotos vom Hafen Konstanz aus aufgenommen wurden,
  2. die Schlosskirche Friedrichshafen in voller Höhe abgebildet ist ("kein Stückchen abgeschnitten"),
  3. bei 21 Kilometer Distanz der Horizont ca. 35 Meter der 55 Meter hohen Kirche verdecken müsse.
Punkt 1: Ort der Fotos ist fragwürdig

Bei wissenschaftlichen Arbeiten muss alles wiederholbar und testbar sein. Die Fotos stammen nicht nachweislich aus Konstanz. Daher gibt es keine Möglichkeit, die Resultate zu wiederholen. Außerdem hätte angegeben werden müssen, wie weit die Kamera über der Wasseroberfläche montiert war. Außerdem passt die Bildposition der Kirche nicht in allen Fotos:

Flache Erde
© Sott.netDie drei Fotos, von denen angegeben wurde, dass sie alle vom Hafen Konstanz aus aufgenommen wurden, zeigen die Schlosskirche Friedrichshafen im Vordergrund, und ein Gebirge im Hintergrund. Die drei Fotos wurden anhand des Wasserspiegels horizontal rotiert, dann an Merkmalen des Gebirges ausgerichtet (siehe schwarze vertikale Linien). Im ersten Foto befindet sich die Kirche an einer anderen Bildposition als in den anderen Fotos; dies schlägt einen anderen Beobachtungsort vor. Beim zweiten und dritten Foto passt die Bildposition der Kirche, jedoch gibt es ein anderes Problem: Der braune Balken im 2. und 3. Foto hat dieselbe Höhe. Im zweiten Foto reicht der Balken vom ersten Turmvorsprung bis zur Turmspitze. Im dritten Foto reicht der Balken vom selben Turmvorsprung nur bis zum Beginn des Turmdaches. Daher ist das dritte Foto offensichtlich von einer näheren Distanz aufgenommen worden.
Der Ort der Fotos ist daher anzuzweifeln. Gehen wir jedoch in gutem Vertrauen weiter.

Punkt 2: Schlosskirche Friedrichshafen ist nicht in voller Höhe abgebildet

Stellen wir ein Modell der Schlosskirche der Foto-Aufnahme gegenüber (gemäß Original skaliert und ausgerichtet), so sehen wir, dass sich die Kirche tatsächlich ein Bisschen "unter" den Horizont erstreckt. Laut meiner Bildanalyse sind das ca. 4,5 Meter. Noch dazu befinet sich das Fundament der Kirche ca. 8 Meter über dem Bodensee, der auf 395 Meter Seehöhe liegt. Damit verdeckt der Horizont insgesamt ca. 12 Meter von Festland, unabhängig davon, aus welcher Entfernung oder aus welcher Höhe das Foto geschossen wurde.

Flat earth Schlosskirche Friedrichshafen
© Sott.netDem originalen Foto wurde ein Modell der Schlosskirche Friedrichshafen entgegengestellt, skaliert und ausgerichtet. Es ist ersichtlich, dass das Fundament der Kirche klar hinter der Krümmung des Wasserhorizonts liegt. Bei 55 Meter Höhe der Kirche erscheint in diesem Foto für den Betrachter der Wasserhorizont ca. 4,5 Meter über dem Fundament der Kirche. Die Kirche liegt auch leicht erhöht, daher verdeckt der Horizont ca. 12 Meter.
Punkt 3: Bei 21 km Distanz müssten die unteren 35 Meter der Kirche verdeckt sein

Das würde nur stimmen, wenn man die 8 Meter Elevation des Kirchenfundaments vernachlässigt, und wenn der Beobachter direkt über der Wasseroberfläche (0 Meter) das Foto schießen würde. Würde die Kamera nur 1 Meter gehoben, wären nur mehr 23 Meter vom Horizont verdeckt. Befände sich die Kamera 10 Meter über dem Wasserspiegel, würden nur mehr 7 Meter verdeckt sein. Vielleicht liegt es an diesem nichtlinearen Zusammenhang, dass Menschen leicht getäuscht werden.

Fazit

Mit der Geometrie und Physik ist Gott sei Dank alles in Ordnung. Dieses kleine Experiment am Bodensee zeigt, dass nicht alle Menschen von den Flache-Erde "Experten" getäuscht werden. Mir verbleibt nur noch, den Flacherdlern zu raten, schleunigst grundlegende Physik und Geometrie nachzuholen.

Links

Formeln für die Berechnung von Distanzen und Höhen:

https://www-spof.gsfc.nasa.gov/stargaze/Shorizon.htm

Automatischer Horizont-Rechner:

https://dizzib.github.io/earth/curve-calc/?d0=21&h0=10&unit=metric

Gute Antworten und Kommentare auf dieselbe Frage:

https://www.gutefrage.net/frage/wieso-kann-man-zb-am-bodensee-ueber-eine-entfernung-von-21-km-konstanz-nach-friedrichsburgschlosskirche-alles-ueber-der-horizontlinie-erkennen

"Bürgerinitiative Flacher Bodensee"

https://drive.google.com/file/d/0B6Lq6lD8Nfgra3RRVmhpMXZFU3c/view