sputnik joe novichok
Moskau hat die beiden Personen identifiziert, die von London verdächtigt werden, den ehemaligen Spion Sergej Skripal und seine Tochter Yulia in Salisbury vergiftet zu haben.

Das sagte der russische Präsident Wladimir Putin auf der Plenarsitzung des Eastern Economic Forum in Wladiwostok.

Putin sagte auch, dass die Verdächtigen Zivilisten seien und ermutigte sie, sich in den Medien dazu zu äußern.

Radio Sputnik diskutierte die neuesten Enthüllungen Putins mit Joe Quinn, Internet-Essayist und politischer Kommentator.


Transkript

Sputnik: Was halten Sie von den jüngsten Enthüllungen Putins?

Joe Quinn: Ich glaube nicht, dass das eine große Sache ist. Es ist gewissermaßen zu erwarten, dass die russische Regierung verkünden würde, dass es sich bei diesen Leuten um niemand Besonderen handelt. Sie sind nicht so weit gegangen zu sagen, was sie dort taten, aber Putin hat vorgeschlagen, dass sie sich selbst dazu äußern und erklären sollten, warum sie in Großbritannien waren. Aber es ist völlig plausibel, dass es sich einfach nur um zwei russische Zivilisten gehandelt haben könnte, die sich an diesem Tag in Salisbury aufhielten.

An diesem Tag und das ganze Wochenende über waren sicherlich Menschen vieler verschiedener Nationalitäten in Sailsbury unterwegs; also beweist die Tatsache, dass die britische Polizei und die Geheimdienste im Laufe des Wochenendes imstande waren, zwei Russen in Salisbury oder in der Gegend um Salisbury, in London, zu identifizieren, gar nichts.

Was die Reaktionen der Medien betrifft, so habe ich mir gerade die Zeitung Sun angeschaut - ich bin mir nicht sicher, ob dieses Beispiel die britischen Medien im Allgemeinen widerspiegelt, aber hier heißt es, Putin habe der britischen Regierung mit dieser Verlautbarung "zwei Finger entgegengestreckt". [Anmerkung des Übersetzers: In England, Neuseeland und Australien gilt es als respektlose Geste, wenn man mit Zeige- und Mittelfinger ein V-Zeichen macht, bei welchem der Handrücken nach außen zeigt. Zeigt der Handrücken nach innen, gilt es als Peace-Zeichen bzw. Friedenssymbol]. Es ist mittlerweile eine ziemliche Farce.... und diese Saga läuft jetzt schon vier oder fünf Monate und nichts davon ergibt einen Sinn.

Trotzdem bleiben die britische Regierung und die britischen Medien weiterhin bei dieser Geschichte, weil sie Teil einer laufenden antirussischen Verleumdungskampagne ist, die wiederum Teil eines größeren, geopolitischen Krieges ist, den der Westen generell gegen Russland führt.

Das muss in diesem Zusammenhang betrachtet werden, und schmutzige Tricks, Hirngespinste und falsche Schuldzuweisungen gehören zu diesem geopolitischen Krieg dazu.

Sputnik: Können Sie über die Motive beider Seiten sprechen, wie Sie sie wahrnehmen? Großbritannien behauptet, dass Russland eindringt und chemische Waffen einsetzt, um britische Bürger zu vergiften; was schrecklich ist, ein Kriegsverbrechen oder ähnliches. Die Russen hingegen sagen, dass sie damit nichts zu tun haben und dass es sich dabei schlichtweg um eine Inszenierung handelt. Was hätte Großbritanien für einen Grund, den spezifischen Eindruck erwecken zu wollen, dass Russland auf englischem Boden chemische Waffen einsetzt?

Joe Quinn: Die Idee der Chemiewaffen ist zu einem speziellen Mem in den Medien und auf der ganzen Welt geworden und gilt als das Schlimmste, was man überhaupt verbrechen kann.

Es wird auf diese Weise dargestellt und dient westlichen Nationen als Werkzeug, um ausländische Regierungschefs zu dämonisieren. Von daher überrascht es nicht, dass sie versuchen würden, diese beiden Teile zusammenzufügen und Russland auf die gleiche Weise zu dämonisieren. Der Durchschnittsbürger und die Öffentlichkeit wissen, dass chemische Waffen etwas Übles sind, oder ihnen wurde weisgemacht, dass böse Diktatoren chemische Waffen gegen ihr eigenes Volk eingesetzt haben; und jetzt steht die Vermutung im Raum, dass die russische Regierung chemische Waffen gegen die britische Öffentlichkeit eingesetzt hat, wenn auch ganz offensichtlich nicht in großem, sondern sehr kleinem Maße.

Wie schrecklich für die britische Öffentlichkeit! Es wurde darauf angelegt, eine emotionale Reaktion bei der britischen Öffentlichkeit hervorzurufen und sie gegen Russland aufzuhetzen. Wie ich bereits sagte, ist es Teil eines anhaltenden, langfristigen Informationskrieges, den westliche Regierungen hauptsächlich gegen Russland führen. Und es ist auch Teil eines umfassenderen geopolitischen Krieges im Hinblick auf den Westen, der versucht, seine globale Hegemonie und seine Kontrolle vor dem Hintergrund eines gewissermaßen aufstrebenden Russlands und auch Chinas zu bewahren.

Aber ich nehme stark an, dass Russland mit seiner Nähe und seinen Verbindungen zu Europa hier natürlich das größte Problem darstellt. Die Amerikaner sind wegen Russland sehr besorgt und sie wollen alles in ihrer Macht Stehende tun, um die Wahrnehmung oder die Meinung der Weltöffentlichkeit gegen Russland zu wenden. Und sie können auf diese Weise viel erreichen; aber die Tatsache, dass sie das so weit treiben, ist ein Beweis dafür, dass sie in militärischer Hinsicht kaum eine andere Möglichkeit haben.

In früheren Zeiten wären die USA mit einem Land wie Russland ganz anders verfahren, indem sie einfach die Regierung gestürzt oder vielleicht das Land überfallen hätten. Aber das können sie mit Russland nicht machen, so dass sie alles daran setzen müssen, mit ihrem Propagandakrieg weiterzumachen.

Sputnik: Es gibt noch eine Sache, die mich stört, und das ist die Schlampigkeit, mit der diese Aktion durchgeführt wurde. In einigen Medien liest man, dass sie schlampig gearbeitet hätten, aber vor allem deshalb, weil es ihnen egal ist und weil es als Warnung für andere Verräter oder Ex-Spione gedacht ist - "Passt bloß auf, denn wir sind sogar bereit, unsere Beziehungen zu Großbritannien und anderen westlichen Ländern zu ruinieren" - damit die anderen Spione, die in westlichen Ländern leben, jetzt richtig Angst haben müssen.

Joe Quinn: Das ist Unsinn. Das funktioniert höchstens bei Leuten, die sich nicht besonders tiefgründig mit den Dingen auseinandersetzen oder die zu viele Boulevardzeitungen lesen. Aber was die Geheimdienste betrifft, ist das einzige, das wirklich als Warnung für deren Mitglieder verstanden wird, ein unerwarteter, tödlicher Unfall in den eigenen Reihen - das sendet ein klares Signal.

Jeder Spion, der sein Geld wert ist, schaut sich diese Situation an und muss wahrscheinlich lachen, wenn es heißt, dass es sich um eine Operation der russischen Regierung handele. Sie wissen, dass die russische Regierung und die Geheimdienste nicht so arbeiten; sie lassen nicht alle Welt wissen, dass sie diejenigen sind, die unschuldige Zivilisten mit chemischen Waffen in Großbritannien angegriffen haben.

So läuft das nicht. Das ist ganz klar ein Schuss in den eigenen Fuß; freut sich Russland wirklich so sehr über die negative Aufmerksamkeit, dass es sich mit der schlampigen Durchführung dieser Operation absichtlich bloßstellen würde? Das ist lächerlich.