Am vergangenen Freitag kam es zu einer Nahbegegnung eines erst 15 Stunden später entdeckten Asteroiden. Dabei brach das erdnahe Objekt (NEO = Near-Earth Object), das auf den Namen "2020 VT4" getauft wurde, den Allzeitrekord in Sachen Nähe zur Erde: Der Asteroid schrammte mit seinen 4 - 11 Metern im Durchmesser nur ca. 400 Kilometer an der Erde vorbei.
Asteroid Earth Erde Asteroid
© VICTOR HABBICK VISIONS/SCIENCE PHOTO LIBRARY
Der Asteroid wurde vom "Asteroid Terrestrial-impact Last Alert System" (ATLAS) des Mauna Loa-Observatoriums in Hawaii etwa 15 Stunden zu spät entdeckt. Mit einer Entfernung von nur 400 Kilometern von der Erde bricht 2020 VT4 somit den Allzeitrekord für die naheste Nahbegegnung eines solchen Objektes, seitdem man sie im Weltall mit modernen Methoden verfolgen kann. Der vorherige Allzeitrekordwert wurde erst im August diesen Jahres durch "2020 QG" aufgestellt, der 2950 Kilometer an der Erde vorbei schrammte, und er wurde ebenfalls 6 Stunden zu spät entdeckt.

Diese zwei Objekte stellen jedoch keine Ausnahme dar. In den letzten Jahren sind viele ähnlich große Objekte (und auch weitaus größere), die nicht zuvor entdeckt wurden, sehr nahe an der Erde vorbeigeschrammt. Die Anzahl dieser Beinahe-Kollisionen steigt anscheinend dramatisch an. Die folgende Grafik basiert auf dem Datenstand im Juni diesen Jahres. Obwohl dieses Jahr (2020) zum heutigen Zeitpunkt noch 1,5 Monate zu bieten hat, haben wir bereits jetzt diese Rekordmarke des letzten Jahres geknackt (in der Grafik noch nicht aufgeführt). Hier handelt es sich um Objekte, die der Erde näher gekommen sind als der Abstand der Erde zum Mond beträgt.
NEO Moon Close Approach
© Sott.net
Wie Sie oben erkennen können, gab es letztes Jahr 82 Nahbegegnungen mit solchen Objekten. Das bedeutet, dass im Jahr 2019 im Durchschnitt etwa alle 4,5 Tage ein solches Objekt sehr nahe an der Erde vorbeigeschossen ist! Vergleichen Sie nun diese Zahl beispielsweise mit dem Jahr 1991, in dem übrigens zum ersten Mal in der Geschichte überhaupt ein Objekt dieser Art entdeckt wurde. Im Jahr 1991 kamen "nur" 2 derartige Objekte der Erde sehr nahe. Das bedeutet, dass im Jahr 1991 ein solches Objekt im Durchschnitt "nur" etwa alle 182,5 Tage an der Erde vorbeiflog. Oder schauen Sie sich zum Vergleich das Jahr 2006 oben an; es wurden zum damaligen Zeitpunkt immer noch "nur" 6 solcher Objekte entdeckt.

Wie viele dieser 82 Objekte im Jahr 2019 wurden vorzeitig entdeckt, und wie viele wurden erst entdeckt, nachdem sie sich der Erde angenähert hatten?

54 Objekte wurden am selben Tag oder zu spät entdeckt, was ungefähr einem Prozentsatz von 65,85% entspricht.
28 Objekte wurden vorzeitig entdeckt, entweder einen Tag davor oder früher, was ungefähr einem Prozentsatz von 34,15% entspricht.

Von diesen 28 Objekten wurden jedoch 12 Objekte erst 1 Tag zuvor entdeckt, 4 Objekte zwei Tage zuvor, 6 Objekte 3 Tage zuvor, 1 Objekt 4 Tage zuvor, 1 Objekt 6 Tage zuvor, 1 Objekt 9 Tage zuvor, 1 Objekt 10 Tage zuvor, 1 Objekt 11 Tage zuvor und schließlich 1 Objekt 13 Tage zuvor. Und das war's.

Wenn wir großzügig sind und davon ausgehen, dass wir gegenüber den Objekten Gegenmaßnahmen hätten einleiten können, die über eine Woche zuvor entdeckt worden sind (7 - 13 Tage), dann müssen wir festhalten, dass wir in Wirklichkeit nichts gegen die verbleibenden 24 dieser 28 Objekte hätten unternehmen können. Das würde bedeuten, dass wir von diesen 82 Objekten gegen 24+54 Objekte nicht den Hauch einer Chance gehabt hätten, was ungefähr einem Prozentsatz von 95,12% entspricht.

Wir wagen jedoch zu behaupten, dass die Menschheit in Wirklichkeit (mit den uns heute zur Verfügung stehenden Möglichkeiten) selbst gegen das Objekt, das 13 Tage zuvor entdeckt wurde, absolut nichts hätte ausrichten können. Erschreckenderweise bedeutet das also, dass in Wirklichkeit 100 % dieser 82 Objekte im Jahr 2019 auf der Erde eingeschlagen wären, ohne die geringste Chance, etwas dagegen zu unternehmen, da sie ausnahmslos alle viel zu spät entdeckt worden sind und wir im Grunde der Macht des Kosmos absolut nichts entgegenzusetzen haben!

Und falls Sie sich jetzt fragen sollten, ob das Jahr 2019 in dieser Hinsicht eine unglückliche Ausnahme darstellt oder ob wir uns seit dem Jahr 1991 verbessert haben, müssen wir Sie hier leider auch enttäuschen. 2019 war keine Ausnahme, und dieses ernüchternde Verhältnis hat sich im Lauf der Zeit in keinster Weise verbessert.