Für die Forscher ist es ein Meilenstein: Das Wasserstoff-Flugzeug HY4 erhält die Genehmigung für Testflüge. Zum emissionsfreien Fliegen im großen Stil scheint es allerdings noch ein weiter Weg.
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Abheben, durch die Lüfte gleiten - und das ohne schlechtes Gewissen: Es ist der große Traum der Tüftler um Josef Kallo, HY4-Projektleiter der Universität Ulm. Seit Jahren arbeiten sie an einem wasserstoffbetriebenen Flugzeug mit Brennstoffzelle, das keine schädlichen Emissionen verursacht. Das einzige Abfallprodukt dabei: Wasser. Heute wurde die neueste Version in Stuttgart vorgestellt. In den zwei verglasten Kabinen finden aktuell insgesamt vier Passagiere Platz. Von den Zulassungsbehörden hat HY4, wie das Flugzeug getauft wurde, jetzt die Genehmigung zu Testflügen in Deutschland erhalten.

Seinen Jungfernflug absolvierte HY4 bereits 2016. Forscher vom Start-Up H2Fly, dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt und der Universität Ulm sind an der Entwicklung beteiligt. Zur Präsentation des neuesten Modells heute am Stuttgarter Flughafen sagte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer per Videobotschaft: "Was hier entsteht, kann die Mobilität verändern."

Emissionsfrei ­ mit grünem Wasserstoff

An Bord von HY4 wird in einer Brennstoffzelle Wasserstoff mit Luftsauerstoff für die Herstellung von elektrischer Energie genutzt. Damit wiederum wird der Elektromotor zwischen den beiden Passagierkabinen angetrieben. Entscheidend dabei: Wird der verwendete Wasserstoff mit Hilfe von Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt, spricht man von "grünem Wasserstoff". HY4 wäre damit komplett emissionsfrei unterwegs.

Aus den Entwicklungsfortschritten der neuen Generation schließen die Forscher auf einen größeren Coup in drei bis fünf Jahren: "Wir sehen, dass es möglich ist, so viel Wasserstoff in ein Flugzeug zu speichern, um Regionalflugzeuge mit 40 bis 80 Passagieren 2000 Kilometer weit fliegen zu lassen." Bis 2030 könnten dann reguläre Passagiere im Flugzeug Platz nehmen.

In Zeiten von "Flugscham" eine verheißungsvolle Aussicht. Nicht nur pandemiebedingt steht die Luftfahrtbranche vor massiven Herausforderungen. Der Flugverkehr ist besonders klimaschädlich, sein Anteil am Treibhauseffekt liegt laut Bundesumweltamt weltweit zwischen fünf und acht Prozent. Gleichzeitig kündigen Länder wie Deutschland und Frankreich Milliarden an Fördermittel für die Wasserstoffforschung an. Auch im Rahmen des europäischen "Green Deals" sollen bis 2050 bis zu 470 Milliarden in den Aufbau der Wasserstoffwirtschaft investiert werden.


Marktreife oder Zukunftsmusik?

Um die Klimaziele zu erreichen, sei Wasserstoff unabdingbar, da sind sich viele Experten inzwischen einig. Michael Sterner, Professor für Energiespeicher und Energiesysteme an der OTH Regensburg, betont zudem die technische Pionierleistung der Ulmer Forschergruppe. Allerdings: "Wirtschaftlich wird sich das heute keiner leisten können." Der Einsatz von Wasserstoff sei im Mobilitätsbereich vor allem dort sinnvoll, wo es bisher keine klimafreundlichen Alternativen gebe - im Schwerlastverkehr mit Lkw, im Schiffsverkehr oder auf Zugstrecken ohne Oberleitung.

In Niedersachsen begann man bereits vor zwei Jahren, dies zu testen. Zwei Brennstoffzellen-Züge des französischen Herstellers Alstom sind dort in einem Probelauf unterwegs. Eine Anschaffung von Zügen für den regulären Verkehr ist für Anfang 2022 geplant. Die Deutsche Bahn plant für 2025 einen Testbetrieb, Hersteller des Wasserstoffzugs ist Siemens.

Zu wenig erneuerbare Energie zur Produktion

Für den Durchbruch des Kraftstoffs der Zukunft, wie er jetzt öfter bezeichnet wird, gibt es aber noch hohe Hürden. Bisher ist vor allem der grüne Wasserstoff noch deutlich zu teuer. Laut Internationaler Energieagentur könnte er frühestens 2050 wettbewerbsfähig werden. Gleichzeitig verfügt Deutschland aktuell nicht über ausreichend Strom aus erneuerbaren Energien zur Produktion des Wasserstoffs, der sehr energieaufwendig ist.


Kommentar: Der Strom von erneuerbaren Energien wird nie für solch wichtige und alternative Energieerzeuger ausreichen, was eigentlich ein Paradoxon darstellt.


Und dennoch: Auch Branchengrößen im Flugverkehr bauen ihre Forschung im Bereich Wasserstoff aus. Obwohl die Branche ganz besonders unter der Pandemie leidet - Airbus etwa kündigte an, bis 2035 ein mit Wasserstoff betriebenes emissionsfreies Flugzeug auf den Markt zu bringen.