Tintenfisch Sepia
© Hans HillwaertDer Gewöhnliche Tintenfisch (Sepia officinalis) übt sich in Geduld, wenn es am Ende seine Leibspeise gibt.
Mit der Aussicht auf eine besonders schmackhafte Leckerei zu einem späteren Zeitpunkt verzichten die Kopffüßer auf schnelle Belohnungen

Nicht nur Menschen, Schimpansen, Raben und Papageien bestehen den sogenannten Marshmallow-Test: Auch Tintenfische sind in der Lage, für eine größere Belohnung länger zu warten, statt sofort der Versuchung einer kleineren Belohnung zu erliegen. Das geht aus einer Studie von Wissenschaftern der Universität Cambridge hervor, an der auch der österreichische Biologe Markus Böckle beteiligt war. Die Arbeit ist im im Fachjournal Proceedings of the Royal Society B erschienen.

Mit der Aussicht auf eine besonders schmackhafte Leckerei - in Form einer Garnele - nach einer Wartezeit waren die Tintenfische im Experiment in der Lage, sich bis zu zwei Minuten lang zu beherrschen und auf ein bereits vor ihnen liegendes Standard-Leckerli zu verzichten. Mit dem Experiment wollten die Studienautoren die Selbstbeherrschung und Lernfähigkeit der Kopffüßer testen, die schon in vielen früheren Studien ihre Intelligenz unter Beweis gestellt haben. Dazu brachten sie sechs erwachsenen Tintenfischen der Art Sepia officinalis bei, eine Wahl zwischen verschiedenen Beutetieren zu treffen.

Warten auf die Garnelen

Die Tintenfische wurden dafür in separate zweigeteilte Wasserbehälter gesetzt. Dann wurden sie vor die Wahl gestellt: entweder Standardfutter sofort oder ihre Lieblingsspeise später. Tatsächlich erlernten die Tintenfische, dass sich das Warten lohnt - und hielten 50 bis 130 Sekunden lang durch, um den begehrten Leckerbissen zu bekommen.

Der Versuchsaufbau beruht auf dem als Marshmallow-Test bekannten Experiment, das Ende der 1960er Jahre ein Team des aus Wien stammenden, 1938 von den Nazis vertriebenen Psychologen Walter Mischel mit Kindern machte. Dabei wurde Vierjährigen ein Marshmallow offeriert und in Aussicht gestellt, dass sie ein zweites Stück der Süßigkeit bekommen würden, wenn sie das erste nicht sofort essen. Nicht alle Kinder ließen sich auf diesen Belohnungsaufschub ein. Später wurde der Test (mit anderen Leckereien) auch mit Schimpansen, Raben und Papageien durchgeführt - viele Individuen dieser intelligenten Tierarten lernten dabei, sich zu beherrschen.

Jagdverhalten ausschlaggebend?

Bei der Studie mit den Tintenfischen wurden zusätzlich auch andere Aspekte ihrer Lernfähigkeit erforscht. So wurden sie vor die Wahl gestellt, zu einer weißen oder grauen Boje zu schwimmen. Nur an einer der Bojen wartete eine Belohnung in Form einer Krabbe. Sobald ein Tintenfisch gelernt hatte, an welcher Boje es die Belohnung gibt, wurde das Belohnungssystem umgekehrt, so dass er nun zur Boje mit der anderen Farbe schwimmen musste.

Die Psychologin Alexandra K. Schnell von der Universität Cambridge und ihr Team, dem auch der in Cambridge und an der Karl Landsteiner Privatuniversität in Krems forschende Biologe Markus Böckle angehörte, stellten fest: Jene Tintenfische, die beim Bojen-Test am besten abschnitten, warteten im Garnelen-Experiment auch am längsten auf die begehrte Belohnung.

Die Forscher haben auch eine Vermutung, warum Tintenfische die Fähigkeit zur Selbstkontrolle besitzen: Es könnte sich dabei um eine Folge des ausgeprägten Tarnverhaltens der Tiere handeln. Tintenfische verbringen lange Zeiträume damit, versteckt auszuharren und auf eine günstige Gelegenheit zur Jagd zu warten. Die Biologen spekulieren, dass sich ihre Impulskontrolle im Zusammenhang mit dieser Fähigkeit entwickelt haben könnte. (red, APA, 3.3.2021)

Studie
Proceedings of the Royal Society B: "Cuttlefish exert self-control in a delay of gratification task"