Die Aktivisten der "Letzten Generation" hatten Flughafenblockaden bereits angekündigt. Verfassungsschutz-Chef Haldenwang sieht weiter keinen Anlass zur Beobachtung. Die Bundespolitik äußert nun eindeutige Worte zur Aktion auf dem Berliner Flughafen.

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© Screenshot: Twitter-Kanal @AufstandLastGenDrei Mitglieder der Aktivistengruppe "Letzte Generation" betreten gesetzeswidrig das Rollfeld des Flughafen BER, 24.11.2022.
Am Donnerstagnachmittag verschafften sich Aktivisten der Klimabewegung "Letzte Generation" gesetzeswidrig Zugang auf das abgesperrte Gelände des Flughafens Berlin Brandenburg (BER). Dafür zerschnitten sie die Umzäunung am Rande der Rollfelder, die zu diesem Zeitpunkt auch noch genutzt wurden. Folgendes Video stammt vom offiziellen Twitter-Kanal der Gruppierung:


Bereits Mitte November kündigten die Aktivisten an, dass auch Flughäfen zukünftige Orte ihrer Protestaktionen darstellen könnten. Dazu heißt es in einem veröffentlichten Pamphlet:
"Für die Umsetzung der ersten Sicherheitsmaßnahmen gegen den Klimakollaps (...) fassen wir ins Auge, auch friedlich Flughäfen lahmzulegen."
Nach dem gestrigen Vorfall in Berlin hält sich die bislang mehrheitlich wohlwollende Sympathie der Bundespolitik diesmal in Grenzen. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai äußerte sich gegenüber den Medien wie folgt: "Protestaktionen dieser Art sind vollkommen illegitim und können nicht länger einfach so hingenommen werden." Der Berliner FDP-Chef Sebastian Czaja bezeichnet die Aktivisten laut der Nachrichtenagentur dpa als "Klima-Kriminelle".

Kriminelle Energien möchte demgegenüber der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang (CDU), in den Aktivitäten der Bewegung auch weiterhin nicht erkennen. Im Rahmen der Gesprächsreihe "Demokratie-Forum im Hambacher Schloss" am 16. November erläuterte der oberste Verfassungsschützer seine Sicht auf die "Letzte Generation". Der Sender RBB24 fasst dazu zusammen:
"Er erkenne gegenwärtig nicht, 'dass sich diese Gruppierung gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung richtet, und insofern ist das kein Beobachtungsobjekt für den Verfassungsschutz'. Das Begehen von Straftaten mache die 'Letzte Generation' nicht extremistisch. Extremistisch ist immer dann, wenn der Staat, die Gesellschaft, die freiheitlich demokratische Grundordnung infrage gestellt wird, und genau das tun die Leute ja eigentlich nicht."
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bezeichnete die BER-Aktivisten demgegenüber als "Straftäter" und stellte fest:
"Den Flughafen BER zu blockieren, ist eine erneute Eskalation & absolut inakzeptabel."
AfD-Partei- und Fraktionschef Tino Chrupalla fordert den Verfassungsschutz auf, im Fall der "Letzten Generation" aktiv zu werden, und betont dabei: "Die Sicherung kritischer Infrastruktur muss dabei oberste Priorität haben." Der Berliner Flughafen stoppte am Donnerstagabend vorübergehend den Betrieb auf beiden Start- und Landebahnen, da die Aktivisten an zwei Stellen auf das Flughafengelände gelangt waren. Fünf Starts mussten nach ersten Angaben wegen der Aktion gestrichen werden, davon waren dem Flughafen zufolge 750 Passagiere betroffen. Ina Scharrenbach, nordrhein-westfälische Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung, twitterte erbost:
"Liebe Bauministerkollegen, hätte gerne heute Abend mit Euch besprochen, wie wir das nachhaltige Bauen weiter stärken können. Flieger musste umdrehen, weil diese Vollpf... am BER kleben! Versuche mich zur Bauministerkonferenz nach Berlin durchzuschlagen."
Die Berliner Grünen-Landesvorsitzende Susanne Mertens stellte fest, dass derartige Proteste "die Gefährdung anderer Menschen ausschließen müsste". Sie sehe den Bedarf, dass "der BER offenbar seine Sicherheitskonzepte überarbeiten muss". Konstantin von Notz, Fraktionsvize der Grünen im Bundestag, befand die Aktion als "kontraproduktiv, anmaßend und potenziell gefährlich". Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) bemerkte: "Die Gesellschaft kann ein solches Verhalten nicht hinnehmen." Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) stellte klar: "Ich bleibe dabei: Wer für seine Weltanschauung absichtlich andere in Gefahr bringt, ist kein Aktivist, sondern ein Krimineller!"

Einzig Linken-Chef Martin Schirdewan verteidigte die "Letzte Generation". Protestformen dieser Art würden "den Finger in die Wunde der politischen Untätigkeit angesichts der Klimakatastrophe legen", so die Pressestelle der Partei zitierend.

Ein Sprecher der Bundespolizei sagte in den ARD-Tagesthemen, dass es sich "ganz klar" um Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch handele. Es bestehe sehr wohl auch die Möglichkeit, dass "ein gefährlicher Eingriff in den Luftverkehr" stattgefunden habe. Die Gruppe hätte jedoch laut einem Artikel der Welt "kurz vor dem Betreten des Flughafengeländes nach eigenen Angaben die Polizei per Notruf über ihr Vorhaben informiert".

In einem Beitrag des Berliner Senders RBB24 vom 15. November mit dem Titel "Blockieren, Festkleben, Beschmieren - Wie weit darf Klimaschutz-Protest gehen?" hieß es, dass zumindest bei Klebeaktionen im Berliner Straßenbild informierte Zivilpolizisten vor Ort seien und Aktivisten vor möglichen Übergriffen von Bürgern auch beschützten:


Am Freitag teilte der brandenburgische Polizeisprecher Mario Heinemann mit, dass das Landeskriminalamt Brandenburg mittlerweile die Ermittlungen übernommen hat. "Es ermittele gegen sechs Klimaaktivisten unter anderem wegen gefährlichen Eingriffs in den Luftverkehr, Störung öffentlicher Betriebe sowie Hausfriedensbruchs und Sachbeschädigung", so Heinemann in einer Mitteilung.