Israels Ex-Premier Bennett hat mit seinen Aussagen die Rolle der westlichen Länder bei der Friedenslösung im Ukraine-Konflikt massiv erschüttert. Laut Bennett war ein Friedensplan im März 2022 in Reichweite - der Westen habe diese Verhandlungslösung aber blockiert.

Ministerpräsident Naftali Bennett Israel
© AFP Ahmad GharabliArchivfoto: Der ehemalige israelische Ministerpräsident Naftali Bennett spricht hier am 29. Juni 2022 in der Knesset in Jerusalem.
Vor wenigen Wochen waren es die Aussagen der ehemaligen deutschen, französischen und ukrainischen Staatsoberhäupter Angela Merkel, François Hollande und Petro Poroschenko gewesen, die die Rolle des "kollektiven Westens" im Ukraine-Konflikt in einem neuen Licht hatten erscheinen lassen. Die beiden westlichen Politiker hatten nämlich offen zugegeben, dass das im Jahr 2015 unterzeichnete "zweite Minsker Friedensabkommen" zur Lösung des Donbass-Konflikts von der Kiewer Führung und deren westlichen Unterstützern zur Kriegsvorbereitung genutzt worden war. Dies hatte auch der ukrainische Ex-Präsident Poroschenko bestätigt, dem zufolge die Minsker Vereinbarungen die Modernisierung der ukrainischen Armee und die Bildung einer internationalen Koalition gegen Russland ermöglicht hatten.

Nun wurde ein weiteres Beispiel für das fragwürdige Vorgehen des Westens bekannt: Er torpedierte offenbar die Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine über eine Friedensregelung im März des vergangenen Jahres. Laut dem israelischen Ex-Ministerpräsidenten Naftali Bennett, der nur wenige Wochen nach dem russischen Einmarsch nach Moskau gereist war, um einen Waffenstillstand zwischen den beiden Konfliktparteien zu vermitteln, hatten die westlichen Länder die besagten Friedensbemühungen blockiert, wobei ein entsprechendes Abkommen zwischen Moskau und Kiew in Reichweite gewesen war.

Wie Bennett dem israelischen Sender Channel 12 am Samstag in einem Videointerview erklärte, waren die Gespräche damals relativ weit fortgeschritten und zudem "mit den USA, Deutschland und Frankreich abgestimmt" gewesen. Demnach waren Russland und die Ukraine sogar zu erheblichen Zugeständnissen bereit: Der Kreml soll die sogenannte "Entnazifizierung" sowie die Entmilitarisierung der Ukraine als Voraussetzungen für einen Waffenstillstand fallen gelassen haben. Die Führung in Kiew ihrerseits habe zugesichert, keine Mitgliedschaft in der NATO anzustreben, so Bennett.

Im Klartext: Russland hätte sich auf die Positionen zurückgezogen, die es vor Beginn seiner Invasion in der Ukraine eingenommen hatte. Dafür hätte die Ukraine am Ende auf eine Mitgliedschaft in der NATO verzichtet und Sicherheitsgarantien von einer Reihe von Ländern erhalten.

Doch ungeachtet dessen und trotz der Tatsache, dass man dem israelischen Politiker zufolge mindestens 17 Entwürfe für ein Friedensabkommen ausgearbeitet hatte, haben die westlichen Länder letzten Endes darauf bestanden, die Verhandlungen zu stoppen. Auf die Frage, ob die westlichen Akteure die Friedensinitiative "blockiert" hätten, antwortete Benett: "Im Grunde genommen ja. Sie haben es blockiert, und ich fand, dass sie falsch lagen. Ich behaupte, dass es eine gute Chance auf einen Waffenstillstand gab, wenn sie ihn nicht verhindert hätten."

Ist der Westen am Frieden nicht interessiert?

Damit bestätigte er die Hinweise auf westliche Sabotage der im März stattfindenden Friedensverhandlungen, die in den Medien schon seit Längerem kursieren. So wurde etwa schon mehrfach darüber berichtet, dass der damalige britische Premierminister Boris Johnson die Bemühungen, ein Ende der Kampfhandlungen zwischen den beiden Ex-Sowjetrepubliken herbeizuführen, zunichtegemacht haben soll. Offenbar sollte der Kampf gegen Russland unbedingt fortgesetzt werden, selbst wenn dabei die Zerstörung der Ukraine voranschreitet und ihre Truppen folgenschwere Verluste erleiden.

Zugleich können Bennetts Aussagen als ein weiteres wichtiges Indiz dafür gelten, dass es eben die westlichen Länder sind, die an der Weiterführung des Ukraine-Krieges interessiert sind. Verbunden mit der Tatsache, dass schon die Minsker Abkommen für sie nichts weiter als ein Mittel zum Zweck gewesen waren, um die Kiewer Führung auf eine gewaltsame Lösung des Donbass-Konflikts vorzubereiten, erscheint es durchaus plausibel, dass einzig und allein der Krieg der Ukraine mit Russland das eigentliche Anliegen des "kollektiven Westens" ist.

Dass die Ukrainer also sorgfältig und von langer Hand auf den Krieg mit ihrem Nachbarland vorbereitet worden waren, spricht eindeutig dafür, dass der Westen im Grunde zu keinem Zeitpunkt an einem echten, langfristigen Frieden zwischen Moskau und Kiew interessiert war. Stattdessen betrachtete er die Ukraine von Anfang an lediglich als ein Instrument im Kampf gegen die Russen und nicht als einen souveränen Akteur oder Partner.

Denn das Ziel nach dem blutigen Machtwechsel in Kiew 2014 war es und ist es nach wie vor, meinen zahlreiche Experten, die Ukraine massiv zu bewaffnen und das Land einen Krieg mit Russland führen zu lassen, um die Russen am Ende auszubluten und wirtschaftlich zu ruinieren. Zugleich sollten NATO-Staaten wie die USA und Großbritannien ihre militärische Präsenz auf dem ukrainischen Territorium weiter ausbauen, was vor allem die Modernisierung und den Ausbau der ukrainischen Häfen einschloss und somit die dauerhafte Präsenz von NATO-Kriegsschiffen nahe der Krim ermöglicht hätte.

Man muss kein ausgewiesener Militär- oder Sicherheitsexperte sein, um zu begreifen, dass diese Strategie ein gewaltiges Konfliktpotenzial in der Schwarzmeerregion birgt und definitiv keine guten Aussichten für eine friedliche Koexistenz verheißt. Inzwischen aber sollten alle begriffen haben, dass Russland bereit ist, einen hohen Preis zu zahlen, um eine Ausdehnung der NATO in Richtung der russischen Grenze zu verhindern.