Wildeste Vorwürfe, sprachliche Entgleisungen und schon die ersten Drohungen - die sofortigen Reaktionen aus dem Westen auf den Tod des russischen Oppositionellen Alexei Nawalny ließen nicht lange auf sich warten. Laut der Pressesprecherin Maria Sacharowa des russischen Außenministeriums seien solche Reaktionen selbstentlarvend.
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Die Pressesprecherin des russischen Außenministeriums Maria Sacharowa hat die Reaktionen der westlichen Politiker zum Tod des russischen Oppositionellen Alexei Nawalny kommentiert. Die Geschwindigkeit der Reaktionen von NATO-Staats- und Regierungschefs auf Nawalnys Tod in Form unmittelbarer, direkter Anschuldigungen gegen Russland sei selbstentlarvend, schrieb sie auf Telegram. "Die gerichtsmedizinische Untersuchung liegt noch nicht vor, aber der Westen hat seine Schlussfolgerungen bereits parat", fügte Sacharowa hinzu.

Alexei Nawalny ist plötzlich in einer Strafkolonie im Bezirk Jamal-Nenzen in West-Sibirien verstorben. Er hatte sich während eines Spaziergangs unwohl gefühlt, und ihm wurde ein Krankenwagen gerufen. Die Sanitäter der Vollzugsanstalt hätten laut Erstmeldungen alle notwendigen Wiederbelebungsmaßnahmen durchgeführt, doch um 14:17 Uhr sei Nawalny dennoch verstorben. Eine RT-Quelle nannte als vermutliche Todesursache ein abgelöstes Blutgerinnsel. Ein medizinisches Team der russischen Gefängnisbehörde führt vor Ort eine Untersuchung durch. Der Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte, er habe noch keine Informationen über die Todesursache.

Doch westliche Politiker betrachteten den Vorfall als Anlass, sofort die wildesten Vorwürfe gegen Russland und dessen Staatsführung zu erheben. Der Erste, der sich zu den Berichten äußerte, war der lettische Präsident Edgars Rinkēvičs:
"Was immer man von Alexei Nawalny als Politiker halten mag, er wurde soeben vom Kreml brutal ermordet", wusste Rinkēvičs sofort auf der Plattform X.
Auch der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz kommentierte sofort den Tod Nawalnys: "Sein Tod ist etwas Furchtbares und ein Zeichen dafür, wie sich Russland verändert hat", sagte Scholz während der gemeinsamen Pressekonferenz mit dem ukrainischen Präsidenten, der gerade in Berlin weilt. Und weiter: Wer sich für die Demokratie einsetzt, müsse in Russland um sein Leben fürchten. Für Wladimir Selenskij bot die Nachricht eine weitere Gelegenheit, sofort dem russischen Präsidenten mit juristischen Konsequenzen zu drohen. Putin müsse für den Tod Nawalnys zur Rechenschaft gezogen werden, sagte Selenskij während der Pressekonferenz im Bundeskanzleramt in Berlin.

Auch aus der Europäischen Union kam das Urteil als Reaktion blitzschnell: "Die EU hält das russische Regime für allein verantwortlich für diesen tragischen Tod", schrieb der EU-Ratspräsident Charles Michel auf X. Der französische Außenminister Stéphane Séjourné wusste zum Ableben von Nawalny: "Sein Widerstand gegen ein System der Unterdrückung hat ihn das Leben gekostet."

Als einer der ersten deutschen Politiker hat auch der Bundesminister für Gesundheit Karl Lauterbach den Tod des russischen Oppositionellen kommentiert - nur wenige Minuten nach der Erstmeldung. Nawalny sei für ihn ein Held gewesen, schrieb Lauterbach auf X. "Durch seinen Widerstand hat er früh der Welt klar gemacht, dass Putin ein rücksichtsloser Verbrecher im Amt ist. Man hätte viel früher seiner Warnung folgen müssen." Ähnlich äußerte sich auch Katrin Göring-Eckardt vom Bündnis 90/Die Grünen. Auch sie machte "ein mörderisches System" für den Tod verantwortlich und schrieb, dass Nawalny Putins "Angstgegner" gewesen sei. Die Liste mit ähnlich klingelnden Kommentaren aus dem Westen kann schier endlos fortgesetzt werden.


Kommentar: Mit Vorwürfen sind unserer Politiker immer rasant, aber ihre eigenen Vergehen - z. B. Coronamaßnahmen, Waffenlieferungen - werden nicht mehr angerührt und als "für die Demokratie" gepriesen.


Der NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg war zu dieser Stunde einer der wenigen Zurückhaltenden, der Russland zumindest nicht sofort einer Ermordung von Alexei Nawalny bezichtigte. Stoltenberg habe die Regierung in Moskau "eindringlich zu einer Aufklärung des Todes des russischen Oppositionspolitikers Alexej Nawalny aufgefordert", teilte die Deutsche Presse-Agentur (dpa) von einer gezielten Anfrage bei seinem Presseauftritt zu Beginn der Münchner Sicherheitskonferenz mit. "Meine Botschaft ist, dass wir alle Fakten klären müssen und dass Russland all die ernsten Fragen zu den Ursachen seines Todes beantworten muss", sagte Stoltenberg dazu. "Russland ist niemandem etwas schuldig", reagierte die RT-Chefredakteurin Margarita Simonjan auf die Forderungen des Norwegers.

USA warnten den Kreml bereits 2021 mehrfach vor Nawalnys Tod

Dass Nawalny im Gefängnis sterben könnte, sagte der US-Präsident Joe Biden bereits im Jahr 2021 und prophezeite: "Der Tod Nawalnys wäre ein weiteres Zeichen dafür, dass Russland wenig oder gar keine Absicht hat, die grundlegenden Menschenrechte zu achten. Es wäre eine Tragödie." Das sagte Biden während einer Presse-Konferenz in Juni 2021. Der US-Präsident fügte hinzu, dass der Tod des Oppositionellen den Beziehungen Russlands zum Rest der Welt, einschließlich zu den Vereinigten Staaten von Amerika, schaden werde.

Auch hatte Biden im gleichen Monat Putin in einem Telefongespräch klargemacht, dass im Falle von Nawalnys Tod die "Konsequenzen für Russland verheerend wären". Bereits im April 2021 hatten die USA Moskau während eines Hungerstreiks von Nawalny vor den "Konsequenzen" gewarnt, sollte der Oppositionelle dadurch sterben.


Kommentar: Und was ist mit den ganzen anderen Oppositionellen - wie z. B. Assange und Snowden?


Der russische Präsident Wladimir Putin hatte dagegen in einem Interview mit dem US-Sender NBC erklärt, dass Nawalny in der Strafkolonie genauso behandelt werde wie andere Gefangene. "Er wird nicht schlechter als jeder andere behandelt werden. Auf keinen Fall schlechter als andere Gefangene", bekräftigte der russische Präsident.

Alexei Nawalny war seit Januar 2021 inhaftiert. Er wurde wegen mehrerer Delikte verurteilt, und auch seine Organisation ist in Russland verboten, weil sie als extremistisch eingestuft wurde. Nach Nawalnys Rückkehr aus Deutschland, wohin er sich wegen einer mutmaßlichen Vergiftung ausfliegen ließ, um dort behandelt zu werden, wurde er wegen Verstoßes gegen seine Bewährungsauflagen dazu verurteilt, die zuvor zur Bewährung ausgesetzte Strafe wegen Betrugs vollständig abzusitzen.

Während seines Aufenthalts zur Behandlung und Genesung in Deutschland produzierte Nawalny zeitgleich einen Film über einen angeblichen Privatpalast Putins in der Nähe des Urlaubsorts Gelendschik am Schwarzen Meer - die Produktion dieses "Enthüllungsvideos" ging auf YouTube viral. Die im Film erhobenen Anschuldigungen erwiesen sich jedoch als haltlos, denn bei dem gezeigten Objekt handelte es sich um ein im Bau befindliches Hotel.

In Dezember 2023 wurde Alexei Nawalny in die Gefängniskolonie IK-3 "Polarwolf" in Charp, eine Ortschaft im Autonomen Kreis der Jamal-Nenzen, im Polarkreis verlegt. Zuvor hatte er bis dahin seine Haft in einer Strafkolonie im Gebiet Wladimir abgesessen. Sein Anwalt teilte Ende Dezember mit, Nawalny sei gesund und es gehe ihm gut. Zuvor galt er mehrere Tage im Westen als verschollen, so dass selbst der deutsche Bundesminister der Finanzen Christian Lindner (FDP) sich damals besorgt darüber äußerte.

Alexei Nawalny und seine Organisation "Fonds zur Bekämpfung der Korruption" bekamen jahrelang finanzielle und politische Unterstützung aus dem westlichen Ausland. Im Europäischen Parlament forderte Nawalny persönlich im Jahr 2020 Sanktionen gegen russische Staats- und Medienvertreter und organisierte Kampagnen zum Denunzieren von Journalisten russischer Staatsmedien. Im Ausland wurde Nawalny seit Jahren als eine Ikone des Widerstands gegen die russische Staatsführung und folglich als chancenreicher Wunschkandidat für das Amt als russischer Präsident angesehen.