Die Aussichten für die Ukraine seien äußerst düster, sagte ein pensionierter polnischer General. Kiew habe weder die Ressourcen noch die personellen Kapazitäten, um den Kampf gegen Russland fortzusetzen, erklärte Rajmund Andrzejczak, früherer Chef des polnischen Generalstabs.
Rajmund Andrzejczak
© Mateusz Slodkowski/SOPA Images/LightRocket via Getty ImagesRajmund Andrzejczak, General und bis Oktober 2023 Chef des Generalstabs der polnischen Armee, während einer Gedenkfeier auf der Westerplatte anlässlich des 84. Jahrestags des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs am 1. September 2023
Die Verluste der Ukraine im Konflikt mit Russland dürften "in die Millionen gehen", schätzt der ehemalige Chef des polnischen Generalstabs General Rajmund Andrzejczak. Kiew sei dabei, "den Krieg zu verlieren", und habe nicht die Ressourcen, um den Kampf gegen Moskau aufrechtzuerhalten, fügte er hinzu.

In einem Interview mit dem Sender Polsat beschrieb der pensionierte General am Montag die Lage auf dem ukrainischen Schlachtfeld als "sehr dramatisch" und betonte, dass "es im Krieg keine Wunder gibt".

Die Entscheidung des ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenskij, seinen obersten General Waleri Saluschny durch Alexander Syrski zu ersetzen, habe keine nennenswerten Veränderungen bewirkt, da der neue Oberbefehlshaber in Kiew mit immer noch den gleichen Problemen konfrontiert se, urteilte Andrzejczak weiter.

Dem General im Ruhestand zufolge leide die Ukraine unter Defiziten bei Ausrüstung und Personal, und die Verluste fordern ihren Tribut an ihren Fähigkeiten:
"Es werden über 10 Millionen Menschen vermisst. Ich schätze, dass die Verluste in die Millionen gehen, nicht in die Hunderttausende. Es gibt keine Ressourcen in diesem Land, es gibt niemanden um zu kämpfen."
"Die Ukrainer verlieren diesen Krieg", erklärte Andrzejczak und verwies auf Medienberichte, laut denen Kiew keine Flugabwehrraketen mehr zur Verfügung stehen, um sich vor russischen Angriffen zu schützen.

Andrzejczak, der in den letzten Wochen die Warnungen mehrerer westlicher Staats- und Regierungschefs wiederholte, rief dazu auf, die Rüstungsproduktion anzukurbeln, und argumentierte, dass sich der Westen auf einen umfassenden Konflikt mit Russland innerhalb von zwei oder drei Jahren vorbereiten solle. Der russische Präsident Wladimir Putin hat dagegen immer wieder betont, dass Russland weder Pläne noch irgendein Interesse an einem Angriff auf die NATO hat.

Der russische Verteidigungsminister Sergei Schoigu erklärte letzten Monat, dass die Ukraine seit Beginn des Konflikts im Februar 2022 mehr als 444.000 Soldaten verloren hat. Die Feindseligkeiten haben auch einen Exodus ukrainischer Flüchtlinge ausgelöst, von denen es nach UN-Angaben nun weltweit fast 6,5 Millionen gibt.

Offizielle Vertreter Kiews haben sich wiederholt darüber beschwert, dass die westlichen Waffenlieferungen unzureichend sind. Diese Rufe sind lauter geworden, da der Antrag des US-Präsidenten Joe Biden, zusätzliche 60 Milliarden US-Dollar an Hilfe bereitzustellen, im US-Kongress aufgrund der Forderungen der Republikanisch Partei nach einer Verstärkung der Grenzsicherung im Süden der USA blockiert ist.

Kiew denkt auch über ein neues Mobilisierungsgesetz nach, mit dem das Mindestalter für die Einberufung von Männern von 27 auf 25 Jahre gesenkt werden soll, und plant Berichten zufolge die Entsendung von 500.000 neuen Soldaten an die Front.

Vor diesem Hintergrund hat das russische Militär im vergangenen Monat Kiew aus der strategisch wichtigen Donbass-Stadt Awdejewka verdrängt und auch mehrere nahe gelegene Siedlungen befreit. Diese ehemalige Hochburg befindet sich seit 2014 an der Frontlinie und wurde von Kiew häufig für den Beschuss von Wohngebieten in der nahe gelegenen Stadt Donezk genutzt.