Die Enkelin des letzten Königs von Italien droht Nicolas Sarkozys Wiederwahl zu gefährden. Die Aussagen der Prinzessin in der Karatschi-Affäre bringen engste Berater des Präsidenten in Bredouille. Was wusste der Elysee-Chef selbst von Schmiergeld-Zahlungen?
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© Le nouvel ObservateurAuch der Nouvel Observateur widmete Sarkozy seine Titelgeschichte.

Windige Waffenhändler, Kofferträger in Nadelstreifen, merkwürdige Millionen-Transfers und eine italienische Prinzessin: Mit der Festnahme und dem Verhör von Freunden und Vertrauten holt die Affäre um den Anschlag im pakistanischen Karatschi im Mai 2002 Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy ein. Der Elyseechef droht nach der Affäre Bettencourt und Gerüchten, auch er habe von afrikanischen Potentaten einen Geldkoffer erhalten, in einen weiteren Strudel aus Bestechung und unzulässiger Parteieinfinanzierung zu geraten.

Der Pariser Untersuchungsrichter Renaud Van Ruymbeke ordnete nun Nachforschungen gegen zwei ehemalige enge Vertraute Sarkozys ein:

  • Gegen Thierry Gaubert, langjähriger Berater Sarkozys, läuft jetzt ein Ermittlungsverfahren wegen unrechtmäßiger Vorteilnahme und Veruntreuung von Vermögen.
  • Nicolas Bazire, Chef der Arnault-Holding (zu dem der Luxusgüterkonzern LVMH gehört) und Trauzeuge Sarkozys bei dessen Heirat mit Carla Bruni wurde am Mittwoch vorübergehend durch Beamte der Finanzpolizei verhaftet - gegen ihn wurde ein Ermittlungsverfahren eröffnet. Polizisten durchsuchten seine Wohnung und sein Büro.
In beiden Fällen reichen die Vorwürfe in die Mitte der neunziger Jahre zurück, als der damalige Premier Edouard Balladur in einem gnadenlosen Präsidentschaftswahlkampf gegen seinen Parteifreund und Jacques Chirac antrat. Die Justiz ermittelt jetzt, ob Balladurs Kampagne unrechtmäßig mit Geld bezahlt wurde, das aus dem Fregattenverkauf nach Saudi-Arabien oder aus der Lieferung von französischen U-Booten nach Pakistan stammte. Dabei sollen Provisionen geflossen sein, von denen hohe Summen auf Umwegen wieder zurück nach Frankreich gelenkt wurden, um so die Ambitionen Balladurs auf den Einzug in den Élysée zu finanzieren. Als Chirac nach seinem Wahlsieg die Kommissionszahlungen stoppen ließ, soll sich die pakistanische Seite 2002 in Karatschi mit einem Sprengstoff-Anschlag auf Mitarbeiter der U-Boot-Werft DCN gerächt haben, bei dem elf Franzosen und drei Pakistaner starben.

Seine Immunität schützt Sarkozy

Untersuchungsrichter Van Ruymbeke verdächtigt Bazire, seinerzeit Wahlkampfdirektor Balladurs, bei den betrügerischen Transfers zwischen Pakistan und Frankreich eine zentrale Rolle gespielt zu haben. Möglicherweise war auch Sarkozy-Berater Gaubert in den Waffendeal eingeweiht.

Erste handfeste Hinweise auf die Akteure des Millionenschwindels erhielt Van Ruymbeke von der Ex-Frau des französisch-libanesischen Geschäftsmannes Ziad Takieddine, gegen den der Untersuchungsrichter seit September ermittelt. Doch an Fahrt gewannen die Nachforschungen erst durch die Aussagen von Hélène de Yougoslavie: Die ehemalige Gattin von Gaubert berichtete nach Angaben des Magazins Le Nouvel Observateur, dass ihr früherer Ehemann zwischen 1994 und 1995 mehrfach in die Schweiz gereist sei, um dort "umfangreiche" Mengen von Geldscheinen abzuholen.

Die Enkelin des letzten italienischen Königs Umberto II. erzählte demnach weiter, die Koffer seien dann an Nicolas Bazire weitergereicht worden, damals Kabinettschef von Premier Balladur. Für diese Darstellung, verbreitet im Internetdienst "Mediapart", gibt es bislang anscheinend keine Beweise. Doch die Zahlungen passen zu den Merkwürdigkeiten, die bei der Routineüberprüfung von Balladurs Wahlkampfausgaben ans Licht kamen: In der Endphase der Kampagne flossen nämlich 15 Millionen auf dessen Konto, durchweg in 500-Scheinen. Die Weisen des Verfassungsrates, in Frankreich zuständig für die ordentliche Abwicklung der Polit-Kampagne, ließen sich mit dem Hinweis abspeisen, die Millionen seine durch Spenden und den Verkauf von T-Shirts in die Kassen gespült worden.

Bleibt die Frage, kommentiert die Zeitung Libération, ob und was Sarkozy, damals aufstrebender Nachwuchsstar der Konservativen und Sprecher der Balladur-Kampagne, über die Hintergründe der Wahlkampfgelder wusste. Dem Präsidenten, der die Karatschi-Affäre noch vor zwei Jahren als "Märchen" bezeichnete, droht derzeit zwar keine juristische Gefahr. Denn van Ruymbeke hat bislang nicht signalisiert ihn als Zeugen anhören zu wollen. Außerdem ist er als amtierender Staatschef durch seine Immunität geschützt.

Doch politisch könnte sich die Affäre für Sarkozy sieben Monate vor den Präsidentschaftswahlen katastrophal auswirken. Er hatte für seine Amtsgeschäfte völlige "Transparenz" versprochen und droht jetzt von den alten Machenschaften wieder eingeholt zu werden. Prominente Vertreter der Sozialistischen Partei (PS) jedenfalls nutzten den Skandal umgehend für bissige Nachfragen. "Da gab es doch einen Kandidaten, der von einer 'untadeligen Republik' gesprochen hatte", höhnte Francois Hollande. "Den müsste man mal auftun, um zu wissen, was er heute von der Lage denkt." Martine Aubry, wie Hollande mögliche Präsidentschaftskandidatin der PS, sprach angesichts der jüngsten Enthüllungen vom "schlimmsten Skandal der V. Republik."

Der Élysée dementierte die peinlichen Vorgänge gegen Mittag - zunächst mit dem Hinweis darauf, dass "Monsieur Nicolas Sarkozy" nie Kampagnenchef von Balladur gewesen sei - ein Vorwurf, der gar nicht gefallen war. Zur Sache beteuerte die Präsidentschaft in dem knappen Kommuniqué, dass der Staatschef nie "die geringste finanzielle Verantwortung" im Wahlkampf Balladurs getragen habe. Und schließt mit dem Hinweis: "Der Rest ist Verleumdung und politische Manipulation."