Frühere Ministerpräsidentin muss sieben Jahre ins Gefängnis / EU erwägt, Beziehungen zur Ukraine einzufrieren

Kiew/Brüssel - Die EU hat das Urteil gegen die frühere ukrainische Ministerpräsidentin Julia Timoschenko scharf kritisiert und der Regierung in Kiew gedroht, die Zusammenarbeit einzuschränken. Der Prozess gegen Timoschenko entspreche 'in keiner Weise internationalen Standards', erklärte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton am Dienstag in Brüssel. Ein Gericht in Kiew hatte Timoschenko wegen Amtsmissbrauchs zu sieben Jahren Haft verurteilt.

In Kiew werde die Justiz zur 'politisch motivierten Verfolgung der Anführer der Opposition und der Mitglieder der früheren Regierung' missbraucht, hieß es in Ashtons Erklärung, die sie im Namen aller 27 EU-Mitglieder abgab. Falls die Ukraine nicht zur Rechtsstaatlichkeit zurückkehre, riskiere sie 'tiefgreifende Konsequenzen für den Abschluss des Assoziierungsabkommens, aber auch für die Zusammenarbeit insgesamt'. Damit steht das Abkommen in Frage, das auf dem EU-Ukraine-Gipfel im Dezember unterzeichnet werden sollte.

Das Kiewer Amtsgericht befand, Timoschenko habe 2009 als Ministerpräsidentin einen Vertrag mit Russland über Erdgaslieferungen 'zum Nachteil der Ukraine' ausgehandelt. Sie habe 'in krimineller Weise' ihre Kompetenzen überschritten. Dem ukrainischen Staat sei ein Schaden von umgerechnet 135 Millionen Euro entstanden. Das Gericht, das damit dem Antrag der Staatsanwaltschaft entsprach, verurteilte sie, diese Summe an die Staatskasse zu zahlen. Allerdings wurde in der Urteilsbegründung nicht aufgeführt, wie ein niedrigerer Preis für das Gas hätte zustande kommen sollen.

Timoschenko hatte sich bei ihrem Schlussplädoyer vor zwei Wochen als unschuldig bezeichnet. Das Verfahren gegen sie sei ein Racheakt des Präsidenten Viktor Janukowitsch. Er wolle sich dafür rächen, dass sie 2004 die 'orangene Revolution' gegen ihn angeführt habe. Janukowitsch erklärte, er nehme die 'Beunruhigung des Auslands' zur Kenntnis, doch habe das Gericht 'gesetzeskonform' entschieden.

In Kiew trieben Sondereinheiten der Polizei eine Demonstration von Timoschenko-Anhängern zunächst auseinander. Mehrere Dutzend Personen wurden festgenommen. Doch versammelten sich in den Abendstunden erneut mehrere tausend Menschen. Timoschenko hat Berufung angekündigt. Sie werde bis zum Europäischen Gerichtshof gehen.

Ultimativ fordert die EU die Führung in Kiew auf, einen Berufungsprozess strikt nach rechtsstaatlichen Regeln durchzuführen. Nötig sei vor allem, dass Timoschenko und ihre Mitangeklagten während der Verfahren das Recht behielten, bei den Wahlen im nächsten Jahr anzutreten. In Brüssel wird darüber nachgedacht, das fertige Assoziierungsabkommen auf Eis zu legen, bis in Kiew rechtsstaatliche Verhältnisse herrschen.

Das Urteil wurde quer durch Europa kritisiert. Deutschlands Außenminister Guido Westerwelle sagte, es habe 'Folgen für unsere und die EU-Beziehungen zur Ukraine'. Die Europäische Volkspartei, in der sich die konservativen Parteien der EU sammeln, plädierte dafür, das Abkommen mit der Ukraine nicht zu unterzeichnen. Über Details des Abkommens soll nach Angaben einer Sprecherin Ashtons weiter verhandelt werden. Was daraus werde, sei eine 'politische Entscheidung'.

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