Welche Studien braucht der Mensch? So fragte kürzlich die BUKO-Pharma-Kampagne bei einer Veranstaltung in Bielefeld. Natürlich gute Studien, die sichere und vollständige Informationen zur Wirkung von Medikamenten liefern. Das ist leider nicht die Regel

Gerade bei Innovationen in der Medizinbranche wird nach Kräften getrickst. Überzeugt die Wirkung eines Medikamentes nicht oder sind die Nebenwirkungen verheerend, kommen diese Ergebnisse möglicherweise niemals an die Öffentlichkeit. Das ist möglich, weil es keine Pflicht zur allgemeinen Registrierung aller Studien gibt. Mit einer solchen Auflage würden auch abgebrochene Untersuchungen bekannt, möglicherweise Menschenleben geschützt und doppelte Arbeit wäre vermeidbar.

Einige Möglichkeiten, Studienergebnisse zu manipulieren, nennt Thomas Kaiser vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG): »In der Auswertung und der Berichterstattung zu Studien finden sich plötzlich ganz andere Aussagen als in den Originalunterlagen. Bei den klinischen Endpunkten von Studien werden einfach die Schwellenwerte variiert, der Öffentlichkeit werden nur unvollständige Ausschnitte vermittelt.«

Schwierige Datenüberprüfung

Insofern ist verständlich, dass das Institut von den Herstellern die vollständigen Unterlagen sehen will, bevor es eine Empfehlung für die Erstattung einer Arznei durch gesetzliche Krankenkassen gibt. Weigern sich die Pharmaunternehmen, müssen die IQWiG-Mitarbeiter aufwendig in Publikationen und Datenbanken suchen. Mit Glück finden sie Daten in US-amerikanischen Veröffentlichungen, weil diese dort für die Zulassung vorgelegt werden müssen.

Die vorhandenen Studienregister in Deutschland und Europa seien nicht zu gebrauchen, so die Experten bei der Bielefelder Veranstaltung. EudraCT ist die europäische Variante: hier müssen seit 2004 zwar alle Studien registriert werden, bevor diese genehmigt werden. Einsicht in die Daten erhalten aber nur bestimmte nationale Behörden, die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) und die EU-Kommission. Nur ein Teil davon ist über das EU Clinical Trials Register für die Öffentlichkeit freigeschaltet worden. Ein neues deutsches Register stellt das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) zur Verfügung, es bietet aber nur eine Zusammenfassung von Studienberichten und damit nicht alle relevanten Informationen. Als Vorbild gilt das US-Studienregister, das öffentlich zugänglich und zu durchsuchen ist. Aus diesem können die Ergebnisse auch heruntergeladen werden.

Unabhängige Studien fehlen

Die Daten aus den Studien gehören durchaus auch den Probanden, sie stellten sich schließlich für den Versuch zur Verfügung. Sie sollten sich an Studien nur beteiligen, wenn die Ergebnisse hinterher vollständig veröffentlicht werden, raten die Experten. Diese Voraussetzung wäre am besten nicht nur für die Industrie, sondern auch für die akademische Forschung gesetzlich verpflichtend, meint Thomas Kaiser. Außerdem sei es sinnvoll, die Interessenkonflikte der beteiligten Forscher im vollem Umfang und detailliert darzustellen. Denn wenn ein Mediziner vom gleichen Unternehmen Aktien hält, für das er eine Studie durchführt, ist diese mit Sicherheit anders zu betrachten, als wenn es eine solche Verquickung nicht gibt.

Eindeutig fehlen auch unabhängige Studien aus einer öffentlich geförderten klinischen Forschung. Schon in den 80er Jahren hatte sich die Regierung Kohl zugunsten der Pharmahersteller dafür entschieden, über die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) dieses Gebiet nicht mehr zu fördern. Ein zwischenzeitlich bei der DFG wieder bereitgestellter kleinerer Etat soll erneut gekürzt werden. Das ist aus Sicht von Lili Grell, die für den Medizinischen Dienst der Krankenkassen Westfalen-Lippe die Arzneimittelversorgung im Blick hat, besonders bedauernswert, weil hunderte Medikamente für einen Gebrauch außerhalb der Zulassung empfohlen würden, dazu aber keine Studien existieren.