Für Homosexuelle wird die Lage in Russland immer schwieriger. Ein neues Gesetz soll die Propaganda von gleichgeschlechtlicher Liebe und Kindesmissbrauch, etwa in Form von Kinderpornographie, auf eine Stufe stellen - und in gleicher Weise bestrafen.
Demo Moskau
© AFPBei einer nicht genehmigten Demonstration von Homosexuellen in Moskau wurde 2006 der Grünen-Politiker Volker Beck verletzt und verhaftet. In Russland dürfen Homosexuelle bis heute nicht demonstrieren.

MOSKAU. Für Homosexuelle wird die Lage in Russland immer schwieriger. Ein neues Gesetz soll die Propaganda von gleichgeschlechtlicher Liebe und sexuellem Kindesmissbrauch, etwa in Form von Kinderpornographie, auf eine Stufe stellen - und in gleicher Weise bestrafen.

Am Internationalen Tag der Toleranz, der 16. November, hat die Stadtverordnetenversammlung von St. Petersburg in erster Lesung ein Gesetz beschlossen, das die Propaganda von Homosexualität und sexuellem Missbrauch von Kindern gleichermaßen unter Strafe stellt. Und das, obwohl bei der Strafrechtsreform in den Neunzigern der sowjetische Schwulenparagraf ersatzlos gestrichen worden war, der für Homosexualität Lagerhaft und Zwangseinweisung in die Psychiatrie vorsah. 1999 hatte das Gesundheitsministerium ein Gutachten vorgelegt, wonach gleichgeschlechtliche Liebe nicht länger als Krankheit und Abweichung von der Norm stigmatisiert werden darf.

Die Kirche droht Homosexuellen nach wie vor mit dem Fegefeuer

Doch der Apostel Paulus hat Homosexualität vor fast 2000 Jahren als widernatürlich und unzüchtig gegeißelt. Und dessen Worte, so ließ sich einer der Autoren des Gesetzes, Witali Milonow, von russischen Medien zitieren, hätten für ihn nach wie vor mehr Gewicht als die eines Beamten. Milonow sitzt für die Putin-Partei "Einiges Russland" im Stadtparlament von dessen Heimatstadt St. Petersburg. Seine Fraktion verfügt dort über satte Mehrheiten. Der Entwurf dürfte daher auch in zweiter und dritter Lesung problemlos passieren und schon Anfang 2012 in Kraft treten. Auch die Moskauer Stadtduma plant nach Worten von dessen Vorsitzenden Wladimir Platonow ein ähnliches Gesetz. Das Werbeverbot soll jedoch nicht auf Kunstwerke angewendet werden.

Bürgerrechtler und andere kritische Beobachter tippen auf blanken Populismus und Stimmenfang im Vorfeld der Parlamentswahlen am 4. Dezember. Zu Recht: Die Masse der Bevölkerung hält es mit Paulus und der Orthodoxen Kirche, deren Klerus Schwulen und Lesben noch immer mit dem Fegefeuer droht. Sogar bei einer Blitzumfrage von Radio Echo Moskwy, dem vor alle liberale Intellektuelle lauschen, sprachen sich 77 Prozent der Hörer gegen Werbung von Schwulen und Lesben aus.

Zwar wollen deren Verbände das neue Gesetz um jeden Preis verhindern, haben dabei aber sehr schlechte Karten. Denn ihre Beschwerden wegen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz schmetterte das russische Verfassungsgericht bereits ab, als die Regionen Archangelsk und Rjasan ähnlich diskriminierende Regelungen verabschiedeten.

Demos sind Homosexuellen in Russland verboten

Vor allem auf das Verdikt der Grundgesetzhüter berufen sich auch die Stadtregierungen von Moskau und St. Petersburg. Seit Jahren verweigern sie die Genehmigung für homosexuelle Paraden wie etwa den Christopher Street Day und lassen unangemeldete Demonstrationen von Ordnungskräften teils brutal auflösen. Prominente westliche Politiker, darunter auch bekennende Schwule, übten daran bereits mehrfach scharfe Kritik. Auf ihre Unterstützung hoffen die russischen Schwulen- und Lesbenorganisationen auch jetzt. Um die geplanten Verschärfungen zu verhindern, wollen sie notfalls erneut den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anrufen. Wegen der Demonstrationsverbote hat das Gericht Moskau bereits zu Geldstrafen verurteilt.