Kleine Arten mit Platzproblem: alles Mögliche lässt sich schrumpfen, nicht aber die Hirnzellen

Balboa/Wien - "Was man nicht im Kopf hat, muss man in den Beinen haben." Die Volksweisheit, die vor allem bei vergesslichen Menschen, mitunter auch bei professionellen Fußballern zur Anwendung kommt, ist bei einer Spinnenart wörtlich zunehmen, wie ein Biologenteam herausfand. Die Forscher um Rosannette Quesada entdeckten nämlich, dass besonders kleine Spinnen Teile ihres Hirns in andere Teile des Körpers und sogar in die Vorderbeine auslagern.
Querschnitt Spinne - Gehirn bis in die Beine
© Wcislo Lab, STRIDer blau eingefärbte Schnitt durch den Vorderleib einer Jungspinne der Gattung Mysmena. Das Gehirn erstreckt sich bis in die Beine.

Für ihre Untersuchung, die im Fachmagazin Arthropod Structure & Development (Bd. 40, S. 521) erschien, verglichen die Forscher neun Arten von Webspinnen, deren Größenspektrum von der vier Zentimeter großen Goldenen Seidenspinne bis zu wenige Zehntelmillimeter winzigen Kleinkugelspinnen reicht, die 400.000-mal leichter sind.

Hirnmasse im Vorderleib

Das Problem für die Winzlinge ist, dass sich zwar alles Mögliche schrumpfen lässt, nicht aber die Hirnzellen - von denen es aber doch einige braucht, um so komplexe Fähigkeiten wie das Errichten eines Spinnennetzes beizubehalten. Doch was tun, wenn der Platz dafür so klein ist wie etwa bei der Kleinkugelspinne?

Wie die Biologen zeigen konnten, füllte bei den kleinsten Spinnenexemplaren das Zentralnervensystem den vorderen Körperabschnitt zu beinahe 80 Prozent aus. Auch das erste Glied der Beine enthält zu einem Viertel Hirn. Und bei der Dickkieferspinne weist die Brustseite der Jungtiere sogar eine Wölbung auf, die mit Nervengewebe gefüllt ist. (tasch/DER STANDARD, Printausgabe, 16.12.2011)

Abstract
Arthropod Structure & Development: The allometry of CNS size and consequences of miniaturization in orb-weaving and cleptoparasitic spiders