Erstmals hat ein deutscher Richter einen Facebook-Account beschlagnahmt. Bislang hat Facebook keine Daten herausgerückt, der Fall könnte aber trotzdem bald erledigt sein.
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© Julian Stratenschulte/dpaEine Frau sitzt vor einem Computerbildschirm, auf dem die Facebook-Seite der Polizei Hannover zu sehen ist.

Der Machtkampf zwischen einem Reutlinger Amtsrichter und dem Internet-Netzwerk Facebook könnte ohne Sieger zu Ende gehen: Richter Sierk Hamann wollte als wohl erster Strafrichter in Deutschland den Facebook-Account eines Angeklagten beschlagnahmen. Allerdings gehe es ihm einzig und allein darum, seinen Fall aufzuklären - und nicht darum, das Unternehmen mit allen rechtlichen Mitteln zur Herausgabe der Daten zu zwingen, sagte er bei der Fortsetzung des Prozesses.

Weil der 20-jährige Angeklagte nun ankündigte, die Daten aus seinem Facebook-Profil freiwillig preiszugeben, könnte Hamann seinen Beschlagnahmebeschluss zurücknehmen.

Der Richter vermutet, dass der junge Mann einem Komplizen in Facebook-Nachrichten den entscheidenden Tipp für einen Einbruch in ein Wohnhaus gegeben haben könnte. Das zu beweisen ist jedoch schwer, weil deutsche Ermittler nicht so einfach an Nachrichten rankommen, die über Facebook verschickt werden.

Hamann hatte zuerst das Benutzerkonto des Angeklagten beschlagnahmen wollen, allerdings von Facebook Deutschland eine Absage erhalten. Daraufhin ließ er seinen Beschlagnahmebeschluss ins Englische übersetzen und schickte ihn an die Facebook-Europazentrale. Doch auch nach mehreren Monaten wartet er noch auf eine Antwort. Mithilfe von Kollegen in Irland wollte er sich dann Zugriff zu den Nachrichten verschaffen, da in Dublin die Daten deutscher Facebook-Nutzer verarbeitet werden. So schickte Hamann ein Rechtshilfeersuchen an seine Kollegen in Irland, damit diese seinen Beschlagnahmebeschluss der Facebook-Europazentrale rechtsverbindlich zustellen. Diese Umsetzung dauert jedoch noch an. Ein solches Vorgehen hat es nach Einschätzung von Experten bislang noch in keinem deutschen Strafprozess gegeben.

Spätestens im April will Hamann das Verfahren abschließen

Damit nun der Angeklagt die Daten aus seinem Facebook-Profil dem Gericht übergeben kann, muss er sie zunächst selbst in juristisch verwertbarer Form haben. Das Gericht verlangt eine offizielle CD von Facebook in Irland. Wie schnell diese von Facebook generiert wird, ist unklar. Normalerweise muss Facebook die Daten eines Nutzers auf dessen Anfrage innerhalb von 40 Tagen zusammenstellen und versenden.

Hamann kündigte derweil an, sich zur Not mit den herkömmlichen Beweisen und Indizien zufriedenzugeben. Spätestens im April will er das Verfahren abschließen. Wenn seine Auseinandersetzung mit Facebook bis dahin ohne Ergebnis bleiben sollte, störe ihn das jedenfalls nicht. "Ein Strafrichter kann damit leben, dass er als Tiger startet und als Bettvorleger endet."

Juristen hatten zuletzt darauf gehofft, dass der Reutlinger Prozess zum Präzedenzfall werden könnte, bundesweit hatte der Prozess wegen der Facebook-Beschlagnahme für Schlagzeilen gesorgt. Denn wenn Hamann auf offiziellem Rechtsweg an die Facebook-Daten des Angeklagten herangekommen wäre, hätte das wohl Vorbildcharakter für unzählige Strafverfahren in ganz Deutschland gehabt.

dpa