Am Ende des Mittelalters traf die sogenannte Kleine Eiszeit Europa mit besonderer Wucht. Die Folge waren Hungersnöte, Seuchen und Kriege. Nun haben Forscher herausgefunden, warum es damals überhaupt so kalt werden konnte. Ihre Erkenntnisse stimmen nicht gerade optimistisch: Vulkanausbrüche lösten damals eine verhängnisvolle Kettenreaktion aus. Und solch ein Unglück kann sich jederzeit wiederholen.

Die Chroniken des ausgehenden Mittelalters dokumentieren unerbittlich: Im Elsass erfroren am 9. September 1302 die Weinstöcke. Auf den frühen, starken Frost folgte ein noch strengerer Winter. Anfang Mai 1303 erfror den Bauern das Saatgut. Was aussah wie ein ausgesprochenes Anno Horribilis war nur der Beginn einer schlimmen Epoche. Die Kleine Eiszeit nahm damals ihren Anfang. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts gab es auf der ganzen Welt viele ungewöhnliche, extrem kalte Jahrzehnte. Europa traf es dabei besonders schlimm: Ernten fielen komplett aus, schlimme Krankheiten wüteten, die gesellschaftlichen Spannungen wuchsen und suchten sich ein Ventil, Kriege brachen aus, ...

Doch wie konnte es zu einem solchen Klimawandel kommen? Wissenschaftler können mittlerweile nachweisen, dass die Sonne in dieser Zeitspanne mehrere schwache Phasen durchlief. Doch dies allein reichte noch nicht für die Kleine Eiszeit. Vorherrschende Theorien gingen davon aus, dass Vulkanausbrüche ebenso an der Abkühlung beteiligt waren. Nun bestätigt eine Studie diese Vermutungen.

Im letzten Viertel des 13. Jahrhunderts kam es in Tropen zu mehreren starken Eruptionen. Diese setzten eine klimatische Kettenreaktion in Gang, die Auswirkungen auf das Klima weltweit hatten. Das schreiben Forscher um Gifford Miller. Er forscht an der University of Boulder (USA). Das Wissenschaftler-Team aus Boulder berichtet von seinen Erkenntnissen im Fachmagazin im Fachmagazin Geophysical Research Letters.

Kleine Eiszeit im Mittelalter war die Folge einer fatalen Kettenreaktion

Für ihre Studie untersuchten die Experten die Ablagerungen aus dem Beginn der Kleinen Eiszeit. Außerdem fanden sie im Norden Kanadas und in Island Pflanzenreste aus der fraglichen Zeit. Diese lagen bislang unter Gletschern verborgen. Die Forscher können damit belegen, dass es sowohl zwischen 1275 und 1300 als auch um 1450 ein regelrechtes Massensterben der Vegetation in den polaren Gebieten gab. Gletscher waren weiter vorgerückt und hatten die Pflanzenreste zugedeckt.

In einem isländischen Gletschersee fanden sich außerdem Ablagerungen, die bestätigten, dass sich in den beiden Phasen der Abkühlung enorm viel Schutt am Seeboden absetzte. Dies sieht das Gifford-Team als Bestätigung, dass die Gletscher vorrückten. Beim Vorrücken kratzten sie Sand und Geröll vom Gletscherboden und beförderten das Material schließlich in den Gletschersee.

Viele Forscher hatten schon lange Vulkanausbrüche im Verdacht, die Kältewelle ausgelöst zu haben. Die emporgeschleuderten Aschepartikel legen sich dabei wie ein Schleier um den Planeten und schneiden so die wärmende Sonnenstrahlung ab. Im grönländischen Eispanzer fanden Geologen jetzt die Schwefelspuren der Ausbrüche. So gelang der Nachweis, dass sich ab Mitte des 13. Jahrhunderts vier große Eruptionen ereigneten. Mitte des 15. Jahrhunderts gab es mindestens noch einen starken Vulkanausbruch. Allerding sind sich die Vulkanologen nicht einig, welche Vulkane als Ausbruchskandidaten in Frage kommen. Da sich Partikel von tropischen Vulkanen am besten in der Atmosphäre verteilen, haben die Experten diese in Verdacht.

Den schwersten Ausbruch gab es im 1258. Sowohl in Grönland als auch in der Antarktis lassen sich für eben jenes Jahr große Mengen an Schwefelablagerungen nachweisen. Leider gelang es nicht, die Schwefelpartikel einem Vulkan zuzuordnen. Es muss wohl ein Vulkan am Äquator gewesen sein, da die Schwefelschichten am Nord- und Südpol fast gleich dick sind.

Starke Vulkanausbrüche in den Tropen können zur Abkühlung des Klimas weltweit führen

Die zusammengetragenen Daten gaben Gifford Miller und seine Kollegen in eine Klimasimulation ein. Mit diesem Klimamodell spielten sie die Wirkung der Ausbrüche am Ende des 13. Jahrhunderts durch. Es zeigte sich, dass mit den mehreren großen Eruptionen in den Tropen eine Kettenreaktion in Gang kam, die viele Menschen das Leben kostete. In den polaren Gebieten breiteten sich die Gletscher und das Meereis aus. Mehr Eis bedeutet aber auch mehr reflektierte Sonnenstrahlung. Diese wärmt normalerweise die Erde. Doch durch die Albedo kühlte sich die Luft weiter ab. Zusätzlich bremste das Meereis warme Strömungen wie den Golfstrom aus. So gelangte deutlich weniger Wärme von den Tropen in die hohen Breiten. Die Abkühlung ließ das Eis noch weiter wachsen, was wiederum dazu führt, dass sich die Kettenreaktion selbst weiter verstärkt.

Während die Kleine Eiszeit bereits in vollem Gange waren, sorgten weitere Vulkanausbrüche nochmals für besondere Kälteschübe. 1815 brach der Tambora in Indonesien aus. Seine Asche verschmutzte jahrelang die Atmosphäre. Das darauffolgende Jahr 1816 ging als das „Jahr ohne Sommer“ in die Annalen der Geschichte ein. Doch die Vulkanausbrüche hatten auch einige wenige, positive Seiten. Sie sorgten für atemberaubende Sonnenuntergänge, die Künstler inspirierten und auf Bildern festgehalten wurden.

Theoretisch wären jederzeit wieder ähnliche Kältephasen möglich. Als der Pinatubo 1991 auf den Philippinen ausbrach, konnte im Folgejahr eine weltweite Abkühlung von fast einem halben Grad gemessen werden. Die Klimasimulation von Gifford zeigt, dass drei Ausbrüche dieser Größenordnung innerhalb weniger Jahre ausreichen könnten, um erneut eine Kleine Eiszeit auszulösen.

Wer sich für die Auswirkungen des Klimas auf den Verlauf der Menschheitsgeschichte interessiert, dem sei die nachfolgende Artikelreihe ans Herz gelegt:

Teil 1: Klima der letzten 2500 Jahre : Wetter erklärt den Verlauf der Geschichte
Teil 2: Geschichte & Klima: Nicht im Kaffeesatz gelesen sondern im Holz
Teil 3: Geschichte & Klima: Aus Schatten ein Licht entspringe
Teil 4: Geschichte & Klima: Umbrüche im Denken & mögliche Lehren

Quellen:

Spiegel.de (31.01.2012): Klimaforschung : Vulkanausbrüche stürzten Erde in Kleine Eiszeit
newsburger.de (31.01.2012): Wissenschaft : Vulkanausbrüche lösten die Kleine Eiszeit aus. Forscher finden Ursache der nachmittelalterlichen Kälteperiode.
scinexx.de (03.02.2012): Vulkanausbrüche lösten die Kleine Eiszeit aus. Forscher finden Ursache der nachmittelalterlichen Kälteperiode
agu.org (30.01.2012): Abrupt onset of the Little Ice Age triggered by volcanism and sustained by sea-ice/ocean feedbacks