Das ökologische Gleichgewicht ist bedroht: Klimawandel, Bevölkerungswachstum und Umweltzerstörung könnten noch in diesem Jahrhundert zu einem unwiderruflichen Kollaps des globalen Ökosystems führen.

Alles halb so schlimm und reine Panikmache, sagen die einen Wissenschaftler. Andere sind ernsthaft besorgt, dass Erde und Atmosphäre den Raubbau nicht mehr lang aushalten, den vor allem die Industrienationen betreiben. Zu diesen Warnern gehört eine Gruppe von 22 führende Biologen, Ökologen, Geologen und Paläontologen aus drei Kontinenten, deren Studie das Fachmagazin Nature soeben veröffentlicht hat.

Sorge bereitete den Wissenschaftlern vor allem, dass das gesamte Ökosystem plötzlich kippen könnte, und nicht, wie allgemein angenommen, über Jahrhunderte hinweg langsam zusammenbrechen wird. Ohne schnelle und effektive Gegenmaßnahmen könnte der „kritische Punkt“ schon bald erreicht sein, mahnten sie im Vorfeld der UN-Konferenz für nachhaltige Entwicklung vom 20. bis 22. Juni in Rio de Janeiro. Bald heißt für sie: möglicherweise noch in diesem Jahrhundert.

Zuerst brechen kleine Ökosysteme zusammen, dann das weltweite Netz

Die Experten verglichen für ihre Studie die Auswirkungen früherer weltweiter Umweltveränderungen - wie etwa während der Eiszeit - auf Flora und Fauna mit dem aktuellen Wandel. In ihren Berechnungen gingen sie von einem Anstieg der Bevölkerung auf 9,3 Milliarden bis 2050 und einer Klimaerwärmung aus, die zwei Grad Celsius übersteigt. Demnach wird das gesamte weltweite Ökonetz kollabieren, sobald 50 bis 90 Prozent der kleineren Ökosysteme in ihrer bisherigen Form zerstört sind.

Die Welt wird nach dem Kollaps eine andere sein

Laut der Studie werden schon heute 43 Prozent der eisfreien Erdoberfläche für Landwirtschaft und zum Wohnen genutzt. Sollte der Trend anhalten, wäre die potenziell gefährliche 50-Prozent-Marke bereits 2025 erreicht. Ein Zusammenbruch des ökologischen Gleichgewichts aber hätte verheerende Konsequenzen für die Fähigkeit, die Weltbevölkerung ausreichend ernähren zu können, mahnen die Autoren. Die Entwicklung wäre unumkehrbar, erklärte der Biologe Anthony Barnosky von der Universität von Kalifornien, einer der führenden Autoren der Studie. „Biologisch gesehen wird es dann wirklich eine neue Welt geben.“

Noch ist Zeit für eine Umkehr

Angesichts vieler Unwägbarkeiten wollen sich die Forscher allerdings nicht festlegen, wann genau der befürchtete kritische Punkt erreicht sein wird. Und sie weisen darauf hin, dass die Menschheit nicht unvermeidlich darauf hinsteuert. Noch gebe es Zeit für Lösungen, wie etwa ein Ende der Verschwendung von Rohstoffen oder des Wachstumdenkens um jeden Preis. Aber: „Kurz gefasst, bisher wurde noch nichts wirklich Relevantes unternommen, um das Schlimmste zu verhindern“, erklärte Arne Mooers, Professor für Biodiversität an der kanadischen Simon Fraser Universität.