Ob "Flughafen" oder "Brücke", "Schweine" oder "Vorführung": Nach diesen und ähnlichen Schlagworten durchsucht das US-Heimatschutzministerium Telefonverkehr und Internet. Wem nützt das?
big brother obama
© Desconocido
"Vom Flughafen fuhren wir über eine Brücke Richtung Südwesten, keine Wolke am Himmel, vorbei an der Schweinemastanstalt, dem Roten Kreuz und der Piraten-Parteizentrale. Nach ein paar Verzögerungen waren wir ganz ohne fremde Hilfe und ohne größere Vorfälle am Ziel: bei der Vorführung des Kain- und Abel-Dramas."

Ein harmloser Reisebericht, doch wir können Ihnen nur mit Nachdruck davon abraten, ihn jemals in Online-Foren, Blogs, auf Websites oder in Emails zu verwenden. In diesen zwei Sätzen kommen zwölf (!) Schlüsselbegriffe vor, nach denen das US-Heimatschutzministerium jegliche Kommunikation im Internet überwacht. Zwölf Alarmglocken in nur zwei Sätzen, eine beunruhigende Häufung. Man sollte Sie näher unter die Lupe nehmen.

Der Freedom of Information Act

Die Verdächtigen sind: Flughafen, Brücke, Südwesten, Wolke, Schweine, Rotes Kreuz, Piraten, Verzögerung, Hilfe, Vorfälle, Ziel, Vorführung sowie Kain und Abel, bzw. deren englischen Übersetzungen. Wir wissen von ihrem subversiven Potenzial, seit das Ministerium gezwungen wurde, eine Liste seiner Überwachungsworte zu veröffentlichen, gezwungen durch den Freedom of Information Act, ein Gesetz, das hin und wieder die amerikanische Regierung verpflichtet, Dinge zu veröffentlichen, die sie lieber geheim halten möchte; das deutsche Äquivalent ist dagegen ein zahnloser Tiger.

Die Liste umfasst 377 Worte, auch die erwartbaren, von Secret Service und Dirty Bomb über Power lines und al-Qaida bis zu Kidnapping und Sarin, aber die Mehrzahl sind völlig harmlose Begriffe. Insofern erscheint die Schnüffelwut der Abteilung SNMC (Social Networking/Media Capability) ein sinnloses Unterfangen, insbesondere, da al-Qaida, wenn es die Sprengung von Hochspannungsmasten mittels einer schmutzigen Bombe plant, garantiert nicht die Begriffe "al-Qaida", "Power lines" und "Dirty Bomb" ins Netz hinausblasen wird.

Bei der Homeland Security verweist man darauf, man sei auch für die Prävention gegen Naturkatastrophen und Krankheiten zuständig, und die Häufung bestimmter Worte lasse auf den Ausbruch einer Epidemie schließen; das mag so sein, aber diese Erkenntnis könnte man auch mit dem Durchsuchen von Twitter-Nachrichten gewinnen.

Beispiel für den Überwachungswahn

In Wirklichkeit ist die SNMC-Liste nur ein weiteres Beispiel für den Überwachungswahn, der sowohl sich als auch die Bürger, die er zu schützen vorgibt, täuscht. Die fabelhaft klugen Algorithmen und die fabelhaft schnellen Computer erhöhen niemandes Sicherheit, sie schaffen lediglich die Überwachungsarchitektur, um jeden Bürger auch weit jenseits sicherheitsrelevanter Vorgänge ausspionieren zu können.

Der Datenschutz hinkt immer mehrere Schritte hinterher, und so muss sich jeder Einzelne wehren. Die beste Reaktion auf die Schnüffelliste wäre diese: Jeder kopiert die 377 Verdachtsbegriffe in seine Signatur. Dann kommen sie in sämtlichen abgeschickten Emails vor, und die SNMC-Computer kriegen richtig was zu tun.

© Axel Springer AG 2012.