Der Streit um die religiöse Beschneidung hält an: Nach Holocaust-Vergleichen von Rabbinern kommen auch von Verbotsbefürwortern wie dem Kinderschutzbund harsche Worte.
Beschneidung
© dpaVerstümmelung und Traumatisierung von Kindern im Namen der "Religion".

Die Deutsche Kinderhilfe hat sich gegen eine Legalisierung religiöser Beschneidungen ausgesprochen. Der Verein kritisierte das Vorhaben der Bundesregierung, rechtssichere Beschneidungen zu ermöglichen. Das sei ein "Blankoscheck für religiös motivierte Kindesmisshandlungen".

Auslöser der Diskussion ist ein umstrittenes Kölner Gerichtsurteil, das die Beschneidung als strafbare Körperverletzung bewertet hat. Die Kinderhilfe verteidigte das Urteil: Der Protest von Religionsvertretern dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Mehrheit der Bevölkerung in der Beschneidung einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit von Kindern sehe. In der laufenden Debatte dominiere das Thema Religionsfreiheit, über das Kindeswohl werde kaum gesprochen, befand der Verein.

Ärztekammer verlangt Rechtssicherheit

Dagegen begrüßte die Ärztekammer das Versprechen der Regierung, schnell Rechtssicherheit schaffen zu wollen. "Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir das Urteil für sehr kulturunsensibel und falsch halten", sagte Frank Ulrich Montgomery dem Tagesspiegel (Sonntagsausgabe). Gleichzeitig riet er den Ärzten davon ab, in der jetzigen Situation zu beschneiden, da die Gefahr der Bestrafung bestehe.

Nach dem Kölner Urteil hatte es massive Kritik von Juden und Muslimen gegeben. Der Präsident der Konferenz Europäischer Rabbiner, Pinchas Goldschmidt, sprach vom schwersten Angriff auf jüdisches Leben seit dem Holocaust. Ähnlich äußerte sich der Landesrabbiner von Baden-Württemberg, Netanel Wurmser: "Das weckt Erinnerungen an schlimmste Szenarien jüdischer Verfolgung." Sowohl im Judentum als auch im Islam hat das Ritual der Beschneidung eine lange Tradition.

Bundesregierung will rechtliche Klarheit schaffen

Die Bundesregierung hatte am Freitag auf die Kritik reagiert und angekündigt, rechtliche Klarheit schaffen zu wollen. Am Samstag machte Gesundheitsminister Daniel Bahr einen Vorschlag. "Wir werden diskutieren, ob das im Patientenrecht geregelt werden kann", sagte der FDP-Politiker der Welt. Es müsse aber geprüft werden, "ob dieser Weg rechtlich überhaupt gangbar ist".

Bahr sagte, dass er die Beschneidung bei Juden und Muslimen als Ausdruck religiöser Selbstbestimmung straffrei halten wolle. Die freie Ausübung der Religion sei ein ganz hohes Gut. "Deshalb ist die Unsicherheit nach dem Gerichtsurteil schnellstens abzubauen. Ich gehe davon aus, dass uns bald Vorschläge der zuständigen Justizministerin vorliegen, wie wir eine Straffreiheit der Beschneidung sicherstellen können."

Auch die Integrationsbeauftragte Maria Böhmer verteidigte die Haltung der Bundesregierung. "Die Religionsfreiheit in Deutschland ist ein hohes Gut. Die jüdischen und muslimischen Menschen müssen ihren Glauben leben können", sagte die CDU-Politikerin der Passauer Neuen Presse.

ZEIT ONLINE, dpa