„Folge der Euro-Rettungspolitik: Die Mitte verliert“ (faz.net, 30.1.2015)

Griechenland Finanzminister Giannis Varoufakis
© AFPGriechenlands Finanzminister Giannis Varoufakis
Griechenland ist wieder einmal - Herrn Tsipras sei Dank - auf die große Medienbühne zurückgekehrt. Das kann man allerdings weder den Griechen noch der griechischen Politik ernsthaft vorwerfen. In der Überschrift hat der FAZ-Kommentator hinsichtlich der Verursacher der politischen Verwerfungen also durchaus die richtigen Adressaten benannt: „Folge der Euro Rettungspolitik“. Doch schon im Anreißer wird der „Schwarze Peter“ dann wieder mühelos in Richtung Griechenland weitergeschoben: „Zunächst ging von Athen eine ökonomische Gefahr für Europa aus, jetzt eine politische: Radikale und populistische Bewegungen schlagen aus der Euro-Schuldenkrise Profit.“

Die Aussage, dass von Athen eine ökonomische Gefahr ausginge, wird seit Ausbruch der griechischen Schuldenkrise unablässig kolportiert - nicht, weil sie so besonders wahr wäre, sondern weil sie so besonders nützlich ist. Wirtschaftliche Gefahr für den Kontinent ging vor allem von jenen Entscheidern aus, die erst den Euro auf Biegen und Brechen einführten, um ihn dann mit immer absurderen Maßnahmen künstlich am Leben zu erhalten - diese Entscheider sitzen allerdings nicht in Athen.

Obwohl in dem Kommentar auch viele richtige Aussagen stehen, wirken an den entscheidenden Stellen die Scheuklappen: „Seit Jahren gibt die Euro-Krise radikalen und populistischen Bewegungen an beiden politischen Rändern Nahrung ...“ Das ist so eine Aussage, die auf den ersten Blick irgendwie richtig zu sein scheint, aber dennoch das schiefe Bild zeichnet, da sei eine Krise vom Himmel gefallen, die nun von einigen Radikalinskis ausgenutzt werde. Tatsächlich wurde die Euro-Krise einzig von der herrschenden Politik „produziert“, weil sie aus ideologischer Verblendung beharrlich gegen ökonomische Gesetzmäßigkeiten anrennt. Politische Irrwege aber sind nicht gottgegeben und müssen kritisiert werden dürfen.

Auch wenn nun davor gewarnt wird, das griechische Beispiel könne bei Erfolg Schule machen, dann sind diese Warnungen weit hinter der Kurve. “Moral Hazard” - also Verantwortungslosigkeit ohne Konsequenzen - ist schließlich keine Erfindung des Jahres 2015. Wer darauf allerdings rechtzeitig, also bereits vor vielen Jahren hingewiesen hatte, der galt damals als “uneuropäisch” - so, als ob ökonomische Unvernunft besonders europäisch wäre.

Kaum zu rechtfertigen ist es zudem, dass hier alle europäischen Protestbewegungen in einen Topf geworfen werden. Damit man ja nicht allzu genau hinschaut, wird die Aussage noch um folgende Beobachtung - eigentlich ein Warnhinweis - ergänzt: „Auffällig oft spielt auch die Ablehnung von Einwanderung oder der Globalisierung eine Rolle.“

Wenn man den Euro und die Euro-Politik für rational hält, dann sind deren Kritiker fast zwangsläufig irrationale Schurken. Dabei dürften sich die griechische Politik und die griechischen Wähler insgesamt wesentlich rationaler verhalten als die Euro-Retter. Sie haben das Brüsseler Dilemma erkannt und sitzen auch spieltheoretisch am längeren Hebel - zumindest so lange, bis sie ihr Blatt überreizen.