»Wenn du nicht die Zeitung liest, bist du uninformiert, wenn du Zeitung liest, bist du falsch informiert.« Das hat schon Mark Twain gesagt. Der Satz gilt bis heute. Und zwar uneingeschränkt.

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Die Mainstream-Medien führen uns in die Irre, unterschlagen Informationen und halten wichtige Details aus politischer Korrektheit zurück. So kommt es, dass wir von der Finanzkrise ebenso kalt erwischt wurden wie vom jähen Ende der Internet-Blase und jetzt vom Absturz der Ölpreise.

Warum dieses Dauerversagen der tongebenden Publikationen? Ganz einfach: weil Journalisten im Mainstream entweder nicht die Zeit haben, gute »Quellen« zu bemühen, oder schlicht und ergreifend die falschen Leute befragen. - Das jüngste Beispiel stammt aus den USA.

Es geht um das Wachstum der Wirtschaft im ersten Quartal. Die Zeitungen überschlagen sich mit Jubelmeldungen darüber, welches Wachstum für die US-Wirtschaft zu erwarten ist.

Jedenfalls mehr als die 2,2 Prozent Zuwachs im vierten Quartal 2014, wettet die New York Times. Ihre haarsträubende Begründung: Weil »die US-Wirtschaft, angetrieben vom gesunden Konsum optimistischer Verbraucher, eine Insel relativer Stärke in einer aufgewühlten Welt ist«.

Das ist das US-Gegenstück zu den »blühenden Landschaften«. Aber die New York Times ist keineswegs alleine, wenn es darum geht, die US-Wirtschaft schön zu schreiben. Der Business Insider berichtet ähnlich: »Die US-Wirtschaft macht ein großes Comeback, die Wirtschaft wächst, die Arbeitslosigkeit fällt«, heißt es dort. Der Prognose-Service des Wall Street Journal rechnet derweil mit 2,3 Prozent mehr Wirtschaftsleistung im ersten Quartal. »Die Konsumausgaben beschleunigen sich so stark wie seit 2006 nicht mehr«, heißt es dort. - Alles paletti also? Keineswegs.

Denn die großen Zeitungen in Amerika befragen - wie die Leitmedien hierzulande - bevorzugt Analysten, Fondsmanager und Investmentbanker, wenn es um Konjunktur und Börsen geht. Was diese Jubelchöre der Wall Street von sich geben, wird in den USA unter dem Begriff »Blue Chip Consensus«zusammengefasst.

Doch der Blue Chip Consensus ist nichts anderes als ein Jubel-Index derjenigen, die solche Zahlen aufbereiten, um ihren Kunden möglichst viele Wertpapiere anzudrehen. Dieselben Analysten und »Experten« werden stets von den Qualitätsmedien befragt und zitiert. Schließlich sind sie ja wichtige Werbekunden der Zeitungen.

Dieses Meinungskartell sagt dem auslaufenden Quartal im Schnitt ein Wachstum von 2,3 Prozent vorher. Das ist ziemlich genau der Wert, den wir in fast allen Zeitungen lesen.

Wenig Beachtung wird dagegen einem wöchentlich aktualisierten Index der Notenbank-Zweigstelle in Atlanta geschenkt. Er enthält viele wichtige Kennziffern aus der Wirtschaft und gilt als sehr aktuell. Doch er hat eine entscheidende »Schwäche«: Er macht keine luftigen Versprechungen, sondern eine unappetitliche Vorhersage.

Der Index prognostiziert für das erste Quartal nur schlappe 0,3 Prozent mehr Wirtschaftsleistung. Das ist keine Delle, sondern ein verheerender Einbruch. Denn der aktuelle GDP Now-Index bescheinigt der US-Wirtschaft nur ein Siebtel der Dynamik, von der das Wall Street Journal und die New York Times berichten.

Doch diejenigen, die davor warnen, dass die weit verbreiteten Jubelzahlen zum ersten Quartal in großer Enttäuschung enden werden, kommen in den Leitmedien kaum zu Wort. Das gilt auch für die sehr pessimistische Zahl der Fed in Atlanta.

Dabei liegt es auf der Hand, wie stark die US-Wirtschaft derzeit einbricht. Der Finanz-Blog ZeroHedge präsentierte vorige Woche eine Liste mit 43 wichtigen Wirtschaftszahlen, die in den vergangenen vier Wochen einen Einbruch des Wachstums in Amerika signalisierten.

Die schauerliche Liste reicht vom privaten Konsum und den Auftragseingängen der Industrie über die Erstanträge für Arbeitslosengeld und den Umsatz im Einzelhandel bis hin zu den Anträgen für Hypothekenkredite. Paul Craig Roberts, der auch hier ein gern gelesener Autor ist, hat dazu nur einen Kommentar: »Die Wachstumszahl für das erste Quartal wird negativ ausfallen, wenn sie nicht schon wieder manipuliert und gefälscht ist.«

ZeroHedge konfrontiert seine Schwindsucht-Liste mit dem angeblich guten Arbeitsmarkt. Dort werden laut der Regierung Obama seit 13 Monaten jeweils über 200 000 neue Jobs geschaffen. Diese Zahlenserie gehört laut ZeroHedge und Paul Craig Roberts jedoch ins Reich der Märchen. Und damit sind die beiden nicht alleine.

Am 3. Februar bezeichnete der Vorstandschef des Meinungsforschers Gallup, Jim Clifton, die Arbeitsmarktdaten der USA als »große Lüge«. Was geht uns das alles in Deutschland an? Sehrviel. Denn der Einbruch der US-Wirtschaft wird weltweit Konsequenzen haben.

Amerika wird in diesem Jahr nicht, wie seit dem Sommer in US-Zeitungen und deutschen Blättern mit Zitaten der Blue-Chip-Mafia behauptet, den Rest der Welt antreiben. Das bedeutet weniger Exportaufträge und Arbeitsplätze in deutschen Firmen.

Schlimmer noch: Die US-Notenbank muss die seit zwei Jahren angekündigte Zinswende nach oben entweder abblasen oder um einige Zeit verschieben. Der laufende Währungskrieg rund um den Globus wird eskalieren. Wechselkurse werden noch stärker als Waffe eingesetzt.

Der Höhenflug des US-Dollars geht zu Ende, der Euro bekommt Auftrieb. Das wird der EZB, die mit einer schwachen Gemeinschaftswährung Exporte und Konjunktur antreiben will, einen dicken Strich durch die Rechnung machen. Mario Draghis Bazooka schießt ins Leere, die Stagnation in Europa hält an.

Im schlimmsten Fall wird der Einbruch der US-Wirtschaft eine zusätzliche Runde exzessiver Geldschöpfung erzwingen. Das wird die Energienotierungen, die Nahrungsmittelpreise und die Börsenkurse noch mehr nach oben treiben.

Die Konsumenten werden für ihr Geld - das nach stagnierenden Löhnen, dickeren Rechnungen und Negativzinsen übrigbleibt - noch weniger Produkte und Dienstleistungen bekommen. Die Rechnung für den großen - und von Steuerzahlern zu begleichenden - Knall, der darauf folgt, wird noch dicker werden.

All das enthalten uns die geschönten Prognosen zum Bruttoinlandsprodukt der USA im ersten Quartal bisher vor. Bis plötzlich überall im Blätterwald wieder von »überraschenden« Konjunkturzahlen die Rede ist. Das wird aber erst am 29. April sein.

Bis dahin haben wir monatelang auf der Basis manipulierter Zahlen falsche Anlageentscheidungen und Ausgaben getätigt. Kümmern tut das am Ende keinen, außer den Betroffenen. - Ab April werden sich alle Journalisten dann schnell auf die »Blue Chip«-Zahlen für das zweite Quartal stürzen. - Und alles beginnt wieder von vorne.