Vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise hat die Nato die Fähigkeiten ihrer Krisenreaktionskräfte neu bewertet. Die erste Übung für die neue Speerspitze läuft - auch in Deutschland.

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Auch deutsche Soldaten waren an einer ersten Übung der neuen Nato-Speerspitze beteiligt. Das Resultat: Es gibt noch Optimierungsbedarf
Was, wenn sich Wladimir Putin nicht mit der ukrainischen Halbinsel Krim zufriedengibt? Wenn der Kremlchef unter dem Vorwand, russische Minderheiten zu schützen, sogar Militäreinsätze in Staaten wie Estland oder Lettland plant? Fragen wie diese sind bei der Nato in den vergangenen Monaten zum Topthema geworden.


Auch wenn beim westlichen Verteidigungsbündnis kaum jemand denkt, dass Russlands Präsident eine Intervention in einem Nato-Staat wirklich wagen würde, wird für den Fall der Fälle aufgerüstet. Vor allem die Krisenreaktionskräfte sollen flexibler und schlagkräftiger werden. Derzeit wird deswegen innerhalb der schnellen Eingreiftruppe des Bündnisses eine superschnelle "Speerspitze" gebildet.

Die Konsequenzen der neuen Anforderungen bekommen in diesen Tagen rund 1500 Soldaten aus Deutschland und zehn weiteren Nato-Staaten zu spüren. Sie erproben in diesem Jahr das neue Speerspitzen-Konzept und wurden am Dienstag mit dem Auftrag alarmiert, sich innerhalb kürzester Zeit auf einen Auslandseinsatz vorzubereiten.

Es gibt noch Verbesserungspotenzial

Rund 750 Soldaten des Panzergrenadierbataillons 371 aus Marienberg in Sachsen sowie Einheiten aus Thüringen und Rheinland-Pfalz müssen sich und ihre Fahrzeuge beispielsweise innerhalb von fünf Tagen verlegebereit machen. Bislang hatten sie dafür zwei Tage länger Zeit.

"Das ist eine erhebliche Herausforderung", kommentierte am Donnerstag Speerspitzen-Chefplaner Mariusz Lewicki am Rande einer ähnlichen Übung von niederländischen Nato-Soldaten. Diese bekamen von der Einsatzführung sogar nur 48 Stunden Zeit, sich abmarschbereit auf dem Militärflughafen in Eindhoven einzufinden.

Die Zeitvorgabe hielt die alarmierte Brigade ein, allerdings wurde schnell klar, dass es bei Abläufen noch erhebliches Verbesserungspotenzial gibt. Um scharfe Munition mit Flugzeugen befördern zu können, ist beispielsweise erheblicher Verwaltungsaufwand erforderlich. Dafür sei im aktuellen Einsatzplan nicht ausreichend Zeit veranschlagt worden, räumte Brigadegeneral Kees Matthijssen ein.

Multinationale Übung in Polen geplant

Für sein Team endete die Übung aber ohnehin am Flugplatz. Die erste Verlegung von Einheiten der superschnellen Einsatztruppe ins Ausland soll erst im Juni trainiert werden. Dann ist eine multinationale Übung in Polen geplant.

Hinter vorgehaltener Hand fragen sich Nato-Soldaten allerdings bereits jetzt, welche Aussagekraft die aktuellen Übungen haben. Als einer der Hauptschwachpunkte der Krisentruppe gelten die Logistikkapazitäten. Um bis zu 5000 Mann inklusive Fahrzeugen und Ausrüstung wirklich schnell ins Baltikum oder in Krisengebiete zu verlegen, müssten ständig große Transportkapazitäten bereitgehalten werden. Dies kostet enorm viel Geld - was in etlichen Nato-Staaten fehlt.

"Was wir hier tun, ist im Grunde nicht neu. Das machen wir seit Jahren", kommentierte ein niederländischer Nato-Soldat zur aktuellen Übung "Noble Jump" (etwa: Galanter Sprung). Vollkommen neu werde es aber sein, wenn ein Einsatzbefehl wirklich überraschend komme. Ein Kamerad weist darauf hin, dass allen großen Nato-Missionen der Vergangenheit, wie zum Beispiel der in Afghanistan, lange Vorbereitungen und Planungen vorausgingen.