Das Verhältnis zu Russland ist und bleibt eines der wichtigsten Themen in Deutschland, unabhängig von den Problemen wie Spionageskandale oder die neue Flüchtlingswelle, schreibt die "Nesawissimaja Gaseta" am Mittwoch.
Bild
In diesem Zusammenhang müssen auch grundsätzlich antirussisch eingestellte Medien manchmal untypische Meinungen präsentieren.

So wurde in der Bild-Zeitung in dieser Woche ein großes Interview mit dem ehemaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder veröffentlicht, in dem er sich auch zum Thema Russland äußerte.

Als Kanzler hatte Schröder 2005 der Moskauer Militärparade anlässlich des 60. Jahrestages des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg der Sowjetunion beigewohnt. Auf die Frage, ob er jetzt eine solche Einladung angenommen hätte, sagte er, er hätte das „ohne Zweifel“ getan. „Nazi-Deutschland hat unermessliches Leid über die damalige Sowjetunion gebracht. Und sich dazu verantwortlich zu zeigen, halte ich für richtig.“ Er habe „zur Kenntnis genommen“, dass Angela Merkel „aus Rücksicht auf internationale Gegebenheiten“ an den Jubiläumsveranstaltungen in Moskau nicht teilgenommen habe. „Ich hätte das anders entschieden. Aber sie war einen Tag später in Moskau und hat zusammen mit dem russischen Präsidenten einen Kranz niedergelegt. Das war ein gutes Signal für die deutsch-russischen Beziehungen“, so der Altkanzler.

Dennoch sollte man nach seinen Worten „die historische Verantwortung“ anerkennen, „auch wenn man nicht mit allem einverstanden ist, was die gegenwärtige russische Regierung tut“. Zugleich führte Schröder ein anderes Beispiel an: „Auch wenn wir damals gegen den Irakkrieg waren, weil er gegen die UN-Charta verstoßen hat, haben wir trotzdem weiterhin amerikanische Kasernen in Deutschland geschützt.“


Ferner sagte der Altkanzler, er halte den russischen Präsidenten Wladimir Putin nach wie vor für seinen Freund, und ergänzte, die Art und Weise, wie der Westen mit Russland umgehe, sei „nicht immer richtig“. So werde im Kontext der Ukraine-Krise „immer nur über die Verschärfung und Verlängerung von Sanktionen gegen Moskau geredet. Warum fragen westliche Politiker nicht mal: Können wir Sanktionen nicht lockern oder aufheben - wenn es in der Ukraine Fortschritte gibt?“ Er begrüßte allerdings die jüngste Russland-Reise des US-Außenministers John Kerry und äußerte die Hoffnung, „dass diese Position Richtlinie der US-Politik bleibt.“

Weiter lobte Schröder die deutsche Regierung dafür, „dass die Gesprächskanäle (mit Russland) nicht abreißen. Das ist ihr Verdienst, sowohl des Außenministers als auch der Kanzlerin. Und ich hoffe, dass es auch dabei bleibt.“


Zur Ukraine-Krise sagte der Ex-Kanzler, die Minsker Vereinbarungen seien „die große Chance“ für eine friedliche Konfliktregelung.


Dafür seien in diesem Land jedoch Reformen „im Sinne eines Föderalismus wie in der Schweiz oder in Deutschland“ erforderlich.

Die Beziehungen mit Russland und der Ukraine-Konflikt hatten auch Anfang Mai auf der Tagesordnung einer Konferenz zum Thema „Im Osten nichts Neues?“ in Bad Boll bei Stuttgart gestanden. Schröder hielt dort einen großen Vortrag. Er bezeichnete die Wiedervereinigung Russlands mit der Krim zwar als „Annexion“ und „Bruch des Völkerrechts“, rief jedoch gleichzeitig auf, realistisch zu sein und einzusehen, dass die Halbinsel künftig Teil Russlands bleiben werde: „Das mag man bedauern, aber darum geht's ja nicht. Es gehört ausgesprochen.

Zudem zeigte sich der Ex-Kanzler selbstkritisch, dass er es nicht geschafft habe, während seiner Amtszeit (1998 bis 2005) eine stabile Friedens- und Sicherheitsarchitektur in Europa aufzubauen. Gleichzeitig unterstrich er, dass diese Aufgabe nur gemeinsam mit Russland erfüllbar sei. Die Nato, die EU und Russland sollten sich gegenseitig nicht als Feinde, sondern als Partner betrachten. In diesem Zusammenhang verwies Schröder auf die unterschiedliche Vorgehensweise der USA und Europas. Die Amerikaner betrachten Russland als ein geopolitisches Problem, und die Europäer als Nachbarn, mit dem man in Frieden leben wolle.