In einem aktuellen Fachartikel legt ein niederländischer Physiker seine Theorie dar, nach der die immer noch umstrittene Dunkle Materie - die rund 27 Prozent unseres beobachtbaren Universums ausmachen soll, deren Existenz aber immer noch nicht nachgewiesen werden konnte - tatsächlich gar nicht notwendig ist, um die beobachtete überschüssige Gravitation im Universum zu erklären. Unser Verständnis von Schwerkraft wäre demnach grundsätzlich falsch.


Universum Galaxien
© NASADie Verzerrung des Lichts einer entfernten Galaxie durch wird durch die Masse in einem Galaxienhaufen im Vordergrund erzeugt. Aus der Verzerrung lässt sich die Massenverteilung bestimmen, dabei tritt eine Diskrepanz zwischen beobachteter Materie und bestimmter Masse auf.
Amsterdam (Niederlande) - „Wir wissen eigentlich schon lange, dass Einsteins Theorie von der Gravitation nicht mit der der Quantenmechanik übereinstimmt“, erläutert Erik Verlinde von der Universiteit van Amsterdam und zeigt sich jetzt schon zuversichtlich: „Diese Entdeckung verändert alles und ich glaube wirklich, dass wir vor einer wissenschaftlichen Revolution stehen.“

Wie Verlinde selbst überzeugt ist, hat er eine Lösung für das immer noch existierende Problem der Dunklen Materie gefunden: Tatsächlich gibt es nach bisheriger Vorstellung in dem von uns beobachtbaren Universum mehr Gravitation als diese mit aller sichtbaren Materie und Gasen erklärt werden kann.

Umlaufgeschwindigkeit Sterne
© Johannes Schneider (WikimediaCommons), CC-BY-SA 4.0Die beobachtete Umlaufgeschwindigkeit von Sternen ist in den Außenbereichen von Galaxien höher, als auf Basis der sichtbaren Materie zu erwarten ist.
Die traditionelle Physik erklärt dieses Ungleichgewicht mit der Vorstellung von „dunkler“ (weil nicht sichtbarer und kaum - außer über ihre Gravitation - mit normaler Materie wechselwirkender) Materie. Was genau Dunkle Materie allerdings ist und sein könnte, weiß bislang niemand zu sagen.

Da trotz gewaltiger Aufwendungen bislang jedoch noch kein Dunkle-Materie-Partikel gefunden bzw. bestätigt werden konnte, hat sich Verlinde der Problematik auf andere Weise genähert: „Vielleicht liegt das Problem nicht bei der Dunklen Materie - vielleicht verstehen wir nur nicht wirklich, wie die Gravitation funktioniert? (...)


Kommentar: In der Tat! Siehe Links unten...


In großen Maßstäben, scheint Gravitation nicht mehr so zu funktionieren, wie Einsteins Theorie dies vorhersagt.“

Verlinde argumentiert, dass Gravitation in Wirklichkeit gar keine Grundkraft der Natur ist, sondern ein sog. emergentes Phänomen - also eher ein Nebeneffekt statt die Ursache von Vorgängen im Universum - ähnlich wie Temperatur aus der Bewegung mikroskopischer Teilchen entstehe.

Seine radikale Hypothese hatte der Wissenschaftler schon 2010 erstmals vorgestellt. In dem jetzt via ArXiv.org vorab veröffentlichten Artikel, zeigt der Forscher nun, dass wenn man diese Definition von Gravitation in die Modelle des uns bekannten Universums einbringt, gar nicht länger ein neues Elementarteilchen gefunden werden muss, das für Dunkle Materie verantwortlich ist und dass, das Verhalten von Galaxien auch gänzlich ohne diese genau so funktioniert, wie wir es sehen, beobachten und messen können.

Um zu dieser Schlussfolgerung zu gelangen versuchte Verlinde zunächst herauszufinden, wie Gravitation auf mikroskopischer Ebene entsteht: Seine Berechnungen legen nahe, dass Gravitation tatsächlich ein emergentes Phänomen als Folge der Entropie des Universums ist. Hierbei handelt es sich um eine Eigenschaft der Thermodynamik, die beschreibt, wie Energie in einem System entwertet wird bzw. wie chaotisch ein System ist oder, wie viel Information notwendig ist, um ein System zu beschreiben: Je chaotischer ein System ist, umso mehr Informationen werden benötigt um es zu beschreiben und umso größer ist seine Entropie.

In seinem Modell wendet der Physiker die Entropie auf das sogenannte holografische Prinzip an. Dieses beschreibt grundlegende Informationseinheiten (Bits), wie sie in der Struktur des Raumes gespeichert sind, die Verlinde als „Atome des Raums“ bezeichnet und die sich hin zu einer hohen Entropie bewegen können. Laut Verlindes Berechnungen, erzeugt diese Bewegung (der Raum-Atome) eine entropische Kraft, die wie Gravitation wirkt.


„Sollten sich zukünftig allerdings die für Dunkle Materie verantwortlichen Teilchen finden lassen, würde dies bedeuten, dass meine Theorie falsch ist. Andererseits kann die neue Gravitationstheorie auch bestätigt werden, in dem sie in die existierende Modelle unserer Beobachtungen im Universum eingefügt wird. Und je besser sie diese Phänomene dann beschreibt, desto mehr würde sie bestätigt.“
GreWi-Kurzgefaßt

- Mit seiner Neudefinition von Gravitation beschreibt ein niederländischer Physiker das Universum, ohne dafür die hypothetische Dunkle Materie zu benötigen.
- Erik Verlinde von der Universiteit van Amsterdam sieht darin eine wissenschaftliche Revolution.
- Jetzt erhofft er sich, mit seiner Neudefinition zusehends mehr beobachtbare Phänomene im Universum erklären zu können