Poroschenko Beratung Donbass
© Presidential Administration of Ukrain/CC BY-4.0Präsident Poroschenko berät die Situation in der Ukraine und macht "Russland und seine Militanten" verantwortlich für die Bombardierung und das Töten von Zivilisten.
Der aufkochende Konflikt im Donbass kommt beiden Seiten zurecht, der politischen Kaste in Kiew begegnen die Menschen nach einer Umfrage mit so viel Misstrauen wie den ukrainischen Medien

Wer auch immer die wieder aufgeflammten Kämpfe in der Ostukraine begonnen hat, ist nahezu egal. Ständig wird der Konflikt am Köcheln gehalten und alles gemacht, um das Minsker Abkommen nicht umzusetzen. Dazu müsste Kiew den "Volksrepubliken" eine große Selbständigkeit und vor allem eine Amnestie gewähren, während diese die Kontrolle des Grenzabschnitts zu Russland ukrainischen Sicherheitskräften übergeben müssten. Da dazu keiner der beiden Seiten bereit ist, vor allem nicht dazu, einen ersten Schritt zu machen, ist die Situation verfahren, wenn nicht Russland und der Westen gemeinsam entsprechenden Druck auf Kiew und die Volksrepubliken ausüben.


Kommentar: Kiew agiert hier als Hauptakteur, während die Volksrepubliken sich gegen diese Angriffe zur Wehr setzen.


Solange dies nicht der Fall ist, dienen neue Kämpfe (Uragan-Rakete explodiert im Zentrum von Donezk) beiden Seiten, um ihre Position zu festigen, kleinere Geländegewinne oder -verluste sind dabei eher nebensächlich. Die Kämpfe, für deren Ausbruch die jeweils eine Seite die andere verantwortlich macht, haben unmittelbar nach dem Telefonat von Trump mit Putin und vor dem Besuch von Poroschenko in Berlin begonnen (Schwere Kämpfe in der Ostukraine seit erstem Telefongespräch zwischen Putin und Trump).

Bundeskanzlerin Merkel sicherte Poroschenko weiter Unterstützung zu sowie die nachdrücklich von ihm gewünschte Beibehaltung der Sanktionen, die letztlich einseitig Russland für die Nichtumsetzung des Abkommens verantwortlich machen. Poroschenko versuchte die Situation noch zu verschärfen und kündigte ein Referendum über den Nato-Beitritt des Landes an. Das hatte eigentlich nur provokativen Wert, da ein Beitritt zur Nato ebenso wenig wie der zur EU in naher Aussicht steht.


Gewonnen hat die ukrainische Regierung auch, da sich nun die neue US-Regierung auch aus innenpolitischen Gründen genötigt sah, die Sanktionen zu bekräftigen. Die UN-Botschafterin Nikki Haley teilte mit, man wolle die Beziehungen zu Russland zwar verbessern, die Sanktionen würden aber beibehalten werden, bis Russland die Krim der Ukraine zurückgibt (US-Außenpolitik: Doch Business as usual?). Das kann vielleicht auch nur ein erstes taktisches Manöver sein, aber nachdem es bereits Gerüchte gab, Washington könne den Konflikt über die Krim beilegen, wenn Moskau die Unterstützung der Separatisten einstellt, ist das schon eine überraschende Festlegung.

Entschieden scheint aber die Trump-Regierung noch nicht zu sein, denn die Ankündigung der Fortsetzung der Sanktionen wegen des Ukraine-Konflikts ging einher mit der demonstrativen Mini-Reduzierung der Sanktionen gegenüber den russischen Geheimdiensten, was in Russland zurückhaltend kommentiert wurde.

Man will sich also noch nichts verderben oder es herrscht im Weißen Haus noch Uneinigkeit zwischen unterschiedlichen Interessensgruppen, wie man verfahren soll, bzw. was man sich leisten kann, schließlich ist der parteienübergreifende transatlantische Anti-Russland-Block in Washington mächtig - und es läuft weiter die Senatsuntersuchung darüber, ob Trump aufgrund russischer Manipulationen die Wahl gewonnen haben könnte.

Allerdings muss die ukrainische Regierung aufpassen, dass sie den Bogen nicht überspannt. Längst hat sich die Aufmerksamkeit von der Ukraine anderen Konfliktherden zugewendet, zudem hat der Rausschmiss von Jazenjuk und seine Ersetzung durch den Poroschenko-Vertrauten Wolodymyr Hrojsman als Ministerpräsidenten die politische Krise des Landes nicht verändert.

Seit geraumer Zeit hat die Regierung das Vertrauen der Menschen verloren, das gilt auch für Poroschenko, der zunächst noch von einem Teil der Bevölkerung als Hoffnungsträger angesehen wurde, weil er die Beendigung des Kriegs versprach und einen Bonus - wie jetzt Trump in den USA - erhielt, als Oligarch so reich zu sein, dass er für Korruption nicht anfällig ist. Das Feiern der Revolution der Würde, das Beschwören der russischen Aggression und der Konflikt in der Ost-Ukraine können nicht dauerhaft die politische Macht im Inland und die Unterstützung aus dem Westen sichern.

Symbolisch für die Stimmung könnte die Kehrtwende von Nadja Sawtschenko sein. Die einst zur Heldin verklärte Kampfpilotin, die in russischer Gefangenschaft saß, dort einen Hungerstreik inszenierte, in Abwesenheit in das ukrainische Parlament gewählt wurde und im Mai des letzten Jahres mit einem Gefangenenaustausch freikam, hat sich von der Regierung abgewandt. Im Dezember hatte sie den Tabubruch vollzogen und die Chefs der "Volksrepubliken" besucht, seitdem tritt sie entschlossen dafür ein, den Krieg zu beenden, wurde aber aus der Fraktion der Vaterlandspartei ausgeschlossen (Ukrainische Helden-Ikone wird moskaukonform?).

Sie hat Ende Dezember die politische Bewegung RUNA gegründet, verfolgt weiter das Projekt des Gefangenenaustausches und hat sich kürzlich wieder unbeliebt mit der Äußerung gemacht, dass die einzig mögliche friedliche Lösung des Konflikts in der Ostukraine wäre, den Anspruch auf die Krim zumindest für eine Zeit nicht zu erheben, um so die Kontrolle über den Donbass zu erhalten.

Umfragen haben immer wieder deutlich gemacht, dass Poroschenko und die Regierungsparteien bei einer Wahl wohl kaum mehr eine Chance haben würden (Über 70 Prozent der Menschen sind mit der Poroschenko-Regierung unzufrieden). Auch in der neuesten, im Dezember 2016 durchgeführten Umfrage des Kiewer Internationalen Institut für Soziologie (KIIS), zeigt sich das Misstrauen der Menschen in die politische Klasse.

Poroschenko sprechen 13,7 Prozent Vertrauen aus, 69 Prozent vertrauen ihm nicht. Seinem Kabinett schenken 72,8 Prozent kein Vertrauen. Noch negativer ist die Einstellung gegenüber dem gesamten Parlament, dem 82 Prozent kein Vertrauen entgegenbringen. Es gibt zwar Unterschiede im Land, so ist das Misstrauen gegenüber der Regierung im Osten und im Süden höher als im Westen und in der Mitte, während die Opposition dort besser abschneidet, aber selbst im Westen sprechen sich 62 Prozent gegen Poroschenko und im Osten 52 Prozent gegen die Opposition aus.

Auch die ukrainischen Medien stehen nicht hoch im Ansehen, 26,1 Prozent vertrauen ihnen, 43,3 Prozent nicht. Das Misstrauen ist gegenüber 2015 gewachsen. Auch hier gibt es den West-Ost-Unterschied, der aber noch deutlicher ist. Im Westen trauen den ukrainischen Medien 39 Prozent, im Osten gerade einmal 10 Prozent. Das dürfte allerdings wenig mit der behaupteten "Gehirnwäsche" durch russische Medien zu tun haben, denn denen wird landesweit nicht getraut, im Süden mit 4,2 Prozent noch ein bisschen mehr, in Osten sind es auch nur 2,4 Prozent, genauso wie das landesweite Ergebnis. Allerdings ist das Misstrauen in das ukrainische Parlament höher als das in russische Medien, und die Regierung kommt auch nicht viel besser weg.

Dass die Kirche das höchste Vertrauen genießt, ist wenig verwunderlich, ebenso wenig ehrenamtlich Tätige. An dritter Stelle kommen die Streitkräfte, denen 53 Prozent landesweit vertrauen, mehr als 2015. Interessant ist, dass ihnen im Westen 65,2 Prozent vertrauen, im Osten, wo gekämpft wird, aber nur 30 Prozent. Das Vertrauen in die Polizei ist landesweit niedrig, im Osten gleichfalls am niedrigsten, wo über die Hälfte der Menschen misstrauisch ist. Hier dürften entsprechende Erfahrungen mit Militärs und Polizei eine Rolle spielen.