Es fällt mir schwer, das zu sagen, und alle, die wie ich die Ukraine mochten, werden das nachvollziehen können, aber seit den Ereignissen vom Maidan ist die Ukraine tot.
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Schade, denn ich habe
vor dem Krieg dort über zwei Jahre gelebt und mir ist das Land sehr ans Herz gewachsen. Warum sie nun tot ist? Das will ich Ihnen sagen:
1.
Gibt es keine Gesetze, dann ist es auch kein Staat, sondern eine gescheiterte Nation - zuletzt
wurden in der Ukraine viele Menschen getötet, die man als »regimefeindlich« erachtete. Nicht nur, dass in diesen Mordfällen nicht ermittelt wird,
von offizieller Seite werden die Taten auch noch gutgeheißen. Dazu kommt, dass sich die Polizei
der Terrorgruppe Prawyj Sektor (»Rechter Sektor«) beugt. Und das ist nur ein kleiner Teil einer langen Liste. In der Ukraine nach dem Maidan gilt kein Gesetz mehr.
2.
Gibt es keine Demokratie, ist es kein Staat. Dann ist es eine Bananenrepublik. Am
22. Februar 2014 verjagte der Euromaidan nicht nur einen demokratisch gewählten Präsidenten, sondern auch eine demokratisch gewählte Regierung. Dann wartete man drei Monate, bevor man
einen neuen Präsidenten wählte, und
acht Monate bis zur Parlamentswahl.
Zu dem Zeitpunkt war alles schon zu spät: Die Extremisten hatten eine Rolle übernommen, die weit über ihr Abschneiden an den Wahlurnen hinausging -
die Neonazi-Partei Swoboda kam bei den Parlamentswahlen auf nicht einmal fünf Prozent, aber sie sitzt noch immer und sehr lautstark im Parlament und schickt regelmäßig Kämpfer an die Front.
Dmytro Jarosch, Anführer der Neonazi-Terrorgruppe Prawyj Sektor, kam in den Präsidentschaftswahlen auf weniger als ein Prozent der Stimmen und
steht auf der Suchliste von Interpol. Er
ist jetzt offizieller Berater des ukrainischen Militärs.
3.
Es wird niemals Frieden geben in der Ukraine. Mittlerweile gibt es eine Vergangenheit - und eine Zukunft - des gewaltsamen Umsturzes. Der Maidan war der Präzedenzfall dafür, wie man durch gewaltsame Revolution seinen Präsidenten ins Amt bringt. Doch die Maidan-Bewegung setzte sich aus unterschiedlichen Fraktionen zusammen, von denen beileibe nicht alle den Präsidenten unterstützen. So haben die ukrainischen Neonazis vom Regiment Asow kürzlich ihre Absicht erklärt, einen
»neuen Maidan« zu starten und »den Kampf vom Donbass nach Kiew zu tragen«.
Selbst die grundsätzlich Kiew-freundlich eingestellte
Moscow Times schreibt
über die Möglichkeit eines weiteren Maidan. Der Maidan legte das Fundament für das institutionalisierte Abtragen der Demokratie in der Ukraine - ein paar Tausend Extremisten und eine durch patriotische Parolen hinters Licht geführte Menschenmenge im Kiewer Stadtzentrum können gewaltsam jede Regierung stürzen, die ihr nicht behagt.
Der ukrainische Präsident
Poroschenko weiß das und unternimmt alles, um die Radikalen zufrieden zu stellen. Jeder, der sich seine Objektivität bewahrt hat, weiß, dass es in der Ukraine nach dem Maidan niemals Frieden geben wird.
4. Die
Krim war einst das Herzstück der Ukraine, hat sich aber per Volksentscheid aus der Ukraine verabschiedet. Die Krim wird
niemals zur Ukraine zurückkehren. Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel räumte das ein, als sie kürzlich erklärte:
»Wir werden [...] nicht vergessen« (Botschaft dahinter: »aber halt auch nichts deswegen unternehmen«). Verliert ein Land erst einmal ein Teil seines Territoriums, wird es nie wieder dasselbe Land sein.
5.
Die Volksrepubliken Donezk und Lugansk werden niemals zurückkehren. Seit Juli 2014 haben die ukrainischen Truppen keine Gebiete zurückerobern können, sondern vielmehr noch weitere eingebüßt. Die Einheiten der Volksrepubliken haben ihre Stellungen verstärkt. Wenn überhaupt Bewegung in die Front kommt, dann nur, wenn die Volksrepubliken weitere Teile desDonbass erobern.
Aktuell halten sie rund ein Drittel der Region, die einst
80 Prozent der gesamten ukrainischen Kohle förderte, aus der die Ukraine aber nicht mehr beliefert wird.
In der ehemaligen Industriehochburg Donbass ist unterdessen die Produktion größtenteils zum Erliegen gekommen.
Die Volksrepublik Donezk und die Volksrepublik Lugansk haben eine
Volksabstimmung und eine
Wahl durchgeführt, um ihren Austritt aus der Ukraine zu beschließen. Die Mehrheit der Menschen im von der Ukraine besetzten Donbass stimmte für eine Abspaltung. Unterdessen sinkt im Rest der Ukraine das Interesse daran, die Gebiete der Volksrepubliken »zurück zu erobern«. Wichtiger ist den Menschen Punkt 6.
6.
Ein normales Leben in der Ukraine ist nahezu unmöglich. Die Inflation in der Ukraine liegt bei 272 Prozent, die Hrywnja hat weniger als 40 Prozent ihres früheren Werts. Die Inflation explodiert, die Gehälter sind in den Keller gerauscht und
im ganzen Land schließen die Unternehmen. Kurzum: Die Menschen in der Ukraine haben kein Geld mehr.
Der Neuwagenverkauf ist gegenüber vergangenem Jahr um 67 Prozent eingebrochen, die Fahrzeugproduktion um 96 Prozent. 46 Banken haben vergangenes Jahr Konkurs angemeldet.Und dann ist da noch der ewige ukrainische Quälgeist der Korruption. Das Problem ist offenbar dermaßen brisant geworden, dass es eines der Hauptanliegen der Maidan-Bewegung war, die Korruption auszumerzen. Aber mittlerweile ist
sie schlimmer noch als früher.
Und es sind so viele ukrainische Soldaten bei den Kämpfen im Donbass gefallen. Schon im vergangenen August waren es
Schätzungen zufolge über 20 000. Ich habe die Leichen Dutzender ukrainischer Soldaten gesehen. Wie viele davon identifiziert wurden? Nicht einmal jeder Vierte.
In der ganzen Ukraine herrschen bittere Armut, Hyperinflation, Arbeitslosigkeit, und überall leben Menschen, deren Angehörige freiwillig oder gezwungenermaßen ins Feld gezogen sind, um im Donbass zu kämpfen, und die nun auf ewig verschwunden sind. Ihr Schicksal wird niemals aufgeklärt werden. »Normal« gibt es in der Ukraine nicht mehr.
7.
Die Schulden der Ukraine liegen bei über 80 Mrd. Dollar - schon bald dürften es 100 Mrd. Dollar sein, was 100 Prozent und mehr eines schrumpfenden BIP entspricht. Das kürzlich vereinbarte
Hilfsprogramm des IWF würde mit seinen 17,5 Mrd. Dollar nur an der Oberfläche kratzen. Vergangenes Jahr schrumpfte die ukrainische Wirtschaft
konservativen Schätzungen zufolge um 7,5 Prozent. Für dieses Jahr schwanken die Prognosen zwischen sechs und 20 Prozent.
Europas Regierungen geben Hilfsversprechen ab, während
europäische Unternehmen in Scharen das Land verlassen. Hunderte haben sich bereits vom ukrainischen Markt zurückgezogen, der Großteil der
600 deutschen Firmen, die in der Ukraine aktiv sind, prüft derzeit einen Rückzug vom Markt.
Der mit großem Abstand wichtigste Export- und Importpartner der Ukraine war Russland. Der Handel ist verständlicherweise geschrumpft. Die ukrainische Wirtschaft ist angeschlagen und kennt nur eine Richtung - abwärts.
8.
Die ganze Bedeutung von »Ukraine« hat sich verändert - »Ukraine« steht mittlerweile für Blut, Tod und Krieg. An der ukrainischen Fahne haftet nun Blut, was mit den Angriffen des Militärs von
Odessa bis
Mariupol zu tun hat, damit, dass die Armee gnadenlos zivile Abschnitte des Donbass unter Beschuss nimmt. Die Wahrnehmung, die Identität, ja, die Definition dessen, was die Ukraine ist, hat sich auf ewig verändert.
9.
Es gibt niemanden, der die Ukraine wiedervereinen könnte. Kein Politiker wäre imstande, eine Wiedervereinigung des ehemaligen Landes herbeizuführen. Niemand, der in Kiew gewählt wurde oder dort sitzt, könnte jemals die Unterstützung der Regionen erhalten, die sich abgespalten haben, denn diese Personen hätten ja Verbindungen zu Kiew. Kein Politiker, der für eine »einheitliche Ukraine« in den Wahlkampf zieht, würde jemals in den abgespaltenen Regionen gewählt werden. Es gibt schlichtweg niemanden, der die Ukraine wieder »heil machen« könnte.
10. Es wird auch künftig eine »Ukraine« geben, was auch immer das sein wird. Aber
»die Ukraine«ist am Ende. Sie ist tot. Je eher das pro-ukrainische Lager das akzeptiert, desto mehr Leben werden gerettet werden, desto schneller kann man herausfinden, was und wo die »Ukraine« ist, und darauf aufbauen. Und desto schneller kann man damit aufhören, die ehemalige Ukraine weiter zu zerstören.
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