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Ärzte verschreiben ahnungslosen Patientinnen bestimmte Pillen, nur weil sie von der Pharma für eine «Studie» dafür bezahlt werden.

Häufig verschreiben Ärzte ein bestimmtes Medikament nicht deshalb, weil es für die konkrete Patientin oder den konkreten Patienten das zweckmässigste ist, sondern wählen ein Medikament, bei dessen Abgabe sie zusätzlich verdienen. Möglich machen das zum Beispiel die vom Hersteller bezahlten «Anwendungsbeobachtungen».

«Transparency International» spricht bei diesem Vorgehen von «legalisierter Korruption». Gegen ein Honorar von zum Beispiel 300 Franken markieren Ärzte auf einem Formular, wie gut ein Patient oder eine Patientin ein bestimmtes Medikament verträgt und übermitteln dieses dem Pharmahersteller. Solche Kontrollen nach breiter Einführung eines Medikaments wären eigentlich sinnvoll, weil ein Medikament vor der Zulassung meistens nur von etwa tausend gesunden, meist männlichen Probanden getestet wurde.

Pharmakologen kritisieren schon lange, dass diese von den Pharmafirmen bezahlten «Anwendungsbeobachtungen», auch «Postmarketingstudien» oder «Beobachtungsstudien» genannt, nicht dazu taugen, unerwartete Nebenwirkungen eines Medikaments frühzeitig zu erkennen. Die Zahlungen sollen Ärztinnen und Ärzte vor allem dazu verleiten, bestimmte, meist neue und teurere Medikamente des zahlenden Pharmakonzerns zu verschreiben.

Die unveröffentlichten Studien sind untauglich

Jetzt haben Wissenschaftler, die sich ehrenamtlich bei Transparency International Deutschland engagieren, den Nachweis erbracht: Diese «Anwendungsbeobachtungen» eignen sich nicht dazu, die Sicherheit von Medikamenten zu erhöhen. Die meisten Anwendungsbeobachtungen seien viel zu klein, um Fakten über allfällige Nebenwirkungen zu liefern. Das haben die Wissenschaftler festgestellt, nachdem sie knapp 7000 Original-Meldedaten ausgewertet hatten.

Bei den Anwendungsbeobachtungen werden im Schnitt 600 Patienten untersucht. «Rein statistisch bräuchte man 30'000 Probanden, um seltenen, aber vielleicht gravierenden Nebenwirkungen auf die Spur zu kommen, schreibt die «Taz» unter dem Titel «Solche Studien sind unbrauchbar».

Ulrich Keil, Autor der Transparency-Studie und emeritierter Professor für Epidemiologie und Sozialmedizin der Universität Münster sagte in der «Taz», die Studien dienten in der jetzigen Form einerseits dem Marketing, damit das Medikament beim Arzt im Gedächtnis bleibe und häufig verschrieben werde. Angela Spelsberg, Erstautorin der Studie und Leiterin der Arbeitsgruppe Gesundheitswesen bei Transparency Deutschland findet noch deutlichere Worte: «Sie verhindern nach unseren Erkenntnissen wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn nach der Medikamentenzulassung.» Anwendungsbeobachtungen erreichen also das Gegenteil dessen, was sie bewirken sollen.

Die Autoren der Transparency-Studie erhalten in der «Taz» Rückendeckung von Jürgen Windeler, Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (Iqwig). Windeler war nicht an der Studie beteiligt und hält die neuen Fakten für eindeutig: «Solche Postmarketingstudien sind unbrauchbar». Der jahrealte Vorwurf, Postmarketingstudien (Anwendungsbeobachtungen) seien nur Pseudo-Studien, habe sich damit bewahrheitet, schreibt die «Taz».

Korruption und unzulässige Einflussnahme auf Ärzte

Die Autoren der Transparency-Studie fanden zudem heraus, dass ein Arzt, der an den untersuchten Postmarketingstudien teilnahm, im Schnitt insgesamt 19'000 Euro erhielt. «Wir befürchten darum, dass dies die Meldung von Nebenwirkungen beeinflussen könnte», so Spelsberg in der «Taz». Transparency geht noch einen Schritt weiter und nennt dies auf ihrer Homepage «unzulässige Einflussnahme auf Ärzte und Korruption».

Das Autorenteam der Transparency-Studie fand im Zusammenhang mit den Anwendungsbeobachtungen aber noch weitere Unstimmigkeiten. Demnach würden sich viele Ärzte vertraglich verpflichten, die möglichen Nebenwirkungen nur an die Pharmaunternehmen zu melden. Das erkläre vielleicht auch, weshalb bei den 558 untersuchten Anwendungsbeobachtungen keine einzige Meldung zu einer Nebenwirkung gefunden werden konnte.

Ausserdem waren nur fünf der 558 Anwendungsbeobachtungen überhaupt publiziert worden, die anderen verschwanden in den Schubladen der Pharmaunternehmen.

Um die Misstände zu beheben, haben die Transparency-Wissenschaftler drei Vorschläge:
  • teilnehmende Ärzte müssen die Daten auch direkt an die Behörden liefern;
  • Daten aus Arzneimittelstudien dürfen nicht länger Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sein,
  • Ethikkomissionen sollten die Verträge zwischen Arzt und Hersteller auf Vertraulichkeitsklauseln überprüfen.
Klagen als einziger Weg

Die Transparency-Studie sah sich in Deutschland heftigem Gegenwind ausgesetzt. Nur dank der Beharrlichkeit der Autoren konnten die Ergebnisse schlussendlich überhaupt publiziert werden. Sie erhielten die nötigen Informationen erst, nachdem sie sich auf das Öffentlichkeitsgesetz berufen und Klagen gegen die zuständigen Behörden gewonnen hatten. Mehrere deutsche Behörden hatten die Herausgabe der Meldedaten von Postmarketingstudien zuerst mit der Begründung verweigert, dass diese Studien «auch nach der Zulassung noch als Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis der Sponsoren gelten».

Die im Auftrag von Transparency arbeitenden Forscher klagen nun noch einmal gegen das «Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte», damit in Deutschland in Zukunft detaillierte Informationen zu den Studien und den gemeldeten Nebenwirkungen herausgegeben werden müssen.