Quecksilber
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Quecksilber gehört zu den gefährlichsten Giftstoffen der Welt. Schon ein Gramm Quecksilber genügt, um eine Million Liter Wasser zu vergiften. Deshalb fordern namhafte Wissenschaftler schon lange ein Ende von Verharmlosung und Ignoranz. Patienten sind zu Recht verunsichert, weil Quecksilber in Medizin und Zahnmedizin nach wie vor eingesetzt wird. Am 16. August 2017 ist die lang ersehnte Minamata-Konvention endlich in Kraft getreten. Ob es sich hier um einen Meilenstein im Kampf gegen die Verwendung dieses hochtoxischen Materials handelt, wird sich aber erst in Zukunft zeigen.

Quecksilber - Sondermüll gelangt in den Körper

Noch immer wird Quecksilber recht unkritisch in der Zahnmedizin verwendet. In der EU werden jährlich etwa 70 Tonnen Quecksilber für neue Amalgam-Füllungen verbraucht, die zur Hälfte aus Quecksilber bestehen.

Das Quecksilber kann jedoch aus Amalgam austreten und seinen Weg in den Körper finden. Zum einen können beim Kauen fester Nahrung Amalgambrösel und feiner Abrieb freigesetzt werden. Zum andern können lösliche Quecksilberionen aus Zahnfüllungen in den Speichel gelangen.

Noch belastender sind allerdings Quecksilberdämpfe, die dem Amalgam entweichen können - besonders natürlich beim Ausbohren der Füllungen. Etwa 80 Prozent der entstehenden Quecksilberdämpfe gelangen dann über die Lunge ins Blut.

Die Quecksilber-Katastrophe in Minamata

Sobald Quecksilber in den Körper gelangt, besteht besonders für Kinder und Schwangere äusserste Gefahr. In den 1950er Jahren wurde Ärzten und Wissenschaftlern diese furchtbare Tatsache auf sehr tragische Weise bewusst.

In der japanischen Küstenstadt Minamata fanden sich mit einem Mal schwerwiegende Fälle von Quecksilbervergiftung. Kinder waren besonders stark betroffen, viele von ihnen wurden verkrüppelt, taub, blind oder gelähmt geboren.

Was war passiert?

Der nah gelegene Chemiekonzern Chisso nutzte Quecksilbersulfat in seinem Produktionsprozess und leitete das hochgiftige Abfallprodukt Methylquecksilber in die benachbarte Bucht. Die Fische in dem Gewässer wurden dadurch kontaminiert und damit alle, die den Fisch im Anschluss verzehrten.

Nach Schätzungen wurden in dieser gigantischen Umweltkatastrophe Tausende bis Zehntausende Menschen zu Quecksilber-Opfern.

Die Minamata-Konvention

In Anlehnung an die furchtbaren Ereignisse in Minamata wurde im Jahr 2013 nach vierjährigen Verhandlungen die Minamata-Konvention ins Leben gerufen. Es wurde ein völkerrechtlicher Vertrag des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) mit dem Ziel geschaffen, die Emission von Quecksilber weltweit einzudämmen.

Das Inkrafttreten des Übereinkommens erfolgt mit der Ratifikation durch mindestens 50 Staaten. Laut dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (bmub) wurde das Abkommen mittlerweile von 128 Staaten gezeichnet und von sechs ratifiziert.

Deutschland und die Schweiz bereiten die Ratifikation derzeit vor. Dabei sind sie jedoch vom Zeitplan der EU abhängig. Nach Schätzungen von UNEP dauert dieser Prozess ca. drei bis fünf Jahre. Bis zur ersten Vertragsstaatenkonferenz in Sachen Minamata-Konvention sind zwei weitere Treffen des Verhandlungsausschusses geplant. Das erste wird vom 3. bis 7. November 2014 in Bangkok stattfinden.

Inhalt der Minamata-Konvention sind Vereinbarungen, die zu einem verringerten Einsatz von Quecksilber führen sollen. Dies soll durch Ein- bzw. Ausfuhrbeschränkungen und mit Verboten von quecksilberhaltigen Produkten umgesetzt werden.

Ab 2020 wird es beispielsweise verboten sein, quecksilberhaltige Produkte wie bestimmte Leuchtmittel oder Thermometer zu produzieren oder zu verkaufen. Zudem dürfen Quecksilber-Abfälle nur unter strengen Auflagen gelagert und entsorgt werden.

Den einzelnen Teilnehmerstaaten wird bei der Ausgestaltung der zu ergreifenden Massnahmen jedoch ein erheblicher Spielraum gewährt. Aus diesem Grund wird die Konvention von Experten lediglich als Etappensieg auf dem Weg zur Quecksilberminderung bewertet.

So bleibt Quecksilber weiterhin in Impfstoffen und als Füllmaterial in Zahnfüllungen erlaubt. Ein vollständiges Amalgam-Verbot wie in Schweden scheint derzeit in weiter Ferne.

Die derzeitige Gesetzgebung in Europa

In Europa gelten bereits weitgehend strenge Regeln zur Eindämmung von Quecksilberemissionen, sodass die Konvention für Deutschland und die Schweiz nur zu wenigen zusätzlichen Massnahmen führen wird. Allerdings profitieren alle Verbraucher von einem weltweit sinkenden Gift-Ausstoss. Das gilt zum Beispiel für die Quecksilberbelastung in importiertem Fisch.

Die EU Generaldirektion Umwelt möchte das Abkommen so schnell wie möglich umgesetzt sehen und forscht zudem nach Massnahmen, die über die Vorschläge der Minamata-Konvention hinausgehen. Die EU hofft damit, ein klares Signal an andere Teilnehmerstaaten zu senden und sich den Vorgaben anzuschliessen.

Ihre Meinung ist gefragt

Die Europäische Kommission geht noch einen Schritt weiter und wendet sich an wissenschaftliche Institute und Behörden, deren Meinung zu der geplanten Quecksilberverordnung und dem möglichen Amalgamverzicht eingeholt werden soll.

Auch jeder einzelne EU-Bürger kann sich bis zum 14. November 2014 im Rahmen einer Online-Umfrage zur Ratifizierung der Minamata‐Konvention äussern. Unter der Überschrift "Ihre Stimme in Europa" kann jeder Interessierte seine Meinung zu den Vorgängen auf politischer Ebene kundtun.

Es ist seit langen bekannt, dass Amalgam und jede Form von Quecksilber selbst nach Jahren im Zentralnervensystem langfristige Schädigungen hervorrufen können. Daher ist es schon erstaunlich, dass in Deutschland ein Amalgam- und Quecksilberverbot keine strikte Umsetzung findet. Länder wie Schweden oder Norwegen zeigen hingegen den Weg auf, wie Quecksilber problemlos aus der Umwelt entfernt werden kann.

Update: August 2017 - Die Minamata-Konvention tritt in Kraft

Seitdem wurde es, zumindest was die Öffentlichkeit anbelangt, ziemlich ruhig um die Minamata-Konvention. Mehr als 90 Staaten - darunter Deutschland, Österreich und die Schweiz - hatten diese zwar schon im Januar 2013 unterzeichnet. In Kraft treten konnte sie aber erst, nachdem zumindest 50 Staaten sie auch ratifiziert, also für rechtsgültig erklärt hatten, was im Mai 2017 erfüllt wurde.

Die Schweiz ging mit gutem Beispiel voran, hier fand die Ratifizierung schon im Mai 2016 statt. In Österreich dauerte es bis zum Juni 2017. In Deutschland aber ist im Juni 2017 erst das hierfür erforderliche Gesetz in Kraft getreten. Die Ratifizierung lässt also noch auf sich warten, soll aber laut dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit in Kürze stattfinden.

Inzwischen hat selbst Brasilien als 75. Staat die Minamata-Konvention ratifiziert und am 16. August 2017 war es schliesslich soweit: Die Minamata-Konvention ist endlich in Kraft getreten.

Quecksilberfreisetzung in der EU: Deutschland zählt zu Spitzenreitern

Peter Meiwald (Sprecher für Umweltpolitik) vom Bündnis 90/Die Grünen stellte im Mai 2017 im Rahmen einer Bundesrede mit Recht die Frage, warum sich gerade Deutschland, das sich seit Verhandlungsbeginn stark für die Minamata-Konvention eingesetzt hat, bei einem umweltpolitischen Thema wieder einmal als Nachzügler zeigt. Und warum fehlt noch immer ein Fahrplan zur konkreten Umsetzung der Konvention, obwohl die Regierung nun etwa vier Jahre Zeit dafür hatte?

In diesem Zusammenhang sollte nicht vergessen werden, dass Deutschland - gemeinsam mit Polen und Griechenland - in puncto Quecksilberfreisetzung in ganz Europa zu den absoluten Spitzenreitern zählt. Laut einem Bericht der Europäischen Umweltagentur ist die Verbrennung von Kohle und anderen fossilen Brennstoffen weltweit der Hauptverursacher von Quecksilber-Emissionen. In Deutschland stammen ganze 70 Prozent der Quecksilberemissionen aus Kohlekraftwerken.

Dennoch verharrt der Quecksilberausstoss der deutschen Kohlekraftwerke nach wie vor hartnäckig auf einem hohen Niveau. Laut einem Gutachten des Instituts Ökopol emittieren diese jährlich rund sieben Tonnen Quecksilber. Fast 50 Prozent des erzeugten Stroms stammt im Übrigen aus Steinkohle- und Braunkohlekraftwerken.

Eine Studie aus dem Jahr 2015 hat überdies gezeigt, dass die in den USA geltenden Quecksilber-Grenzwerte in Deutschland von keinem einzigen Kohlekraftwerk eingehalten werden. Dies wird darauf zurückgeführt, dass entsprechende strenge gesetzliche Anforderungen schlichtweg nicht vorhanden sind.

Quecksilberausstoss könnte um rund 85 Prozent gemindert werden

Michael Bender von der Organisation Zero Mercury Working Group liess bereits 2013 verlauten, dass die Wirksamkeit der Minamata-Konvention eingeschränkt sei, da die Kontrolle der Quecksilberemissionen aus Kohlekraftwerken zu wünschen übrig lasse. Dass diesbezüglich seitdem noch immer keine Fortschritte zu verzeichnen sind, kann nur als Armutszeugnis bezeichnet werden.

Mit der sogenannten Bref-Richtlinie hat die EU den Schadstoffausstoss von Industrieanlagen - auch in Bezug auf den Quecksilberausstoss - eigentlich bereits neu geregelt. Fakt ist, dass es schon entsprechende Technologien wie z. B. Aktivkohlesysteme gibt, wodurch die Quecksilberemissionen problemlos um sagenhafte 85 Prozent gemindert werden könnten.

Das Bundesumweltministerium vertritt aber weiterhin die Ansicht, dass die vorhandenen Regeln zur Eindämmung von Quecksilberemissionen in Deutschland als streng einzustufen seien. Noch immer wird untermauert, dass die Konvention deshalb nur zu wenigen zusätzlichen Massnahmen führen wird. Gerne wird dabei darauf verwiesen, dass z. B. Länder in Afrika und Lateinamerika - im Vergleich zu Deutschland - enorme Emissionen an Quecksilber zu verzeichnen haben.

Grösster Verursacher ist hierbei laut dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) der kleingewerbliche Goldbergbau. Doch wenn reiche Länder wie Deutschland nicht gewillt sind, in Bezug auf den Quecksilberausstoss von Kraftwerken oder auf die Zahnamalgam-Problematik Nägel mit Köpfen zu machen, wie kann dies dann von Menschen in Entwicklungsländern ohne Hilfeleistung erwartet werden, die ohnehin unter menschenunwürdigen Bedingungen in Goldminen arbeiten?

Diese zurückhaltende Einstellung kann ausserdem nicht als förderlich angesehen werden, da sich Quecksilber emittierende Unternehmen und entsprechende Verbände in Europa dadurch bestärkt fühlen. Der Europäische Kohleverband hat jedenfalls bereits angekündigt, gegen die Bref-Richtlinie juristisch vorzugehen. Was Klagen wie diese für die Umsetzung der Ziele bedeuten, kann sich jeder selbst ausmalen.

Quecksilber in der Medizin: Zahnamalgam bleibt legal

Zahnamalgam stellt den grössten Posten in der europäischen Quecksilberbilanz dar. Laut einer Stellungnahme des Robert Koch-Instituts ist Zahnamalgam in Europa neben dem Fischverzehr die Hauptquelle für die Quecksilberaufnahme.

Trotzdem hat die EU für die Ratifizierung der Minamata-Konvention ein Verbot als unverhältnismässig eingestuft. Dies wurde u. a. damit begründet, dass die Kosten für Zahnfüllungen dadurch stark steigen würden, was vor allem die Krankenkassen belasten würde.

Anstatt also Zahnamalgam in der EU aus Gründen des Umwelt- und Gesundheitsschutzes endlich zu verbieten, wie von Schweden gefordert, wurde ein schrittweiser Verzicht (phase down) beschlossen. Dies bedeutet im Klartext, dass die EU-Kommission bis Ende Juni 2020 lediglich eine Machbarkeitsstudie zur Frage vorlegen wird, ob die Verwendung von Zahnamalgam auf lange Sicht - frühestens bis 2030 - überhaupt auslaufen kann.

Zahnamalgam: Zahnärzte werden unter Druck gesetzt

Bislang wurde immerhin beschlossen, dass Zahnamalgam ab dem 1. Juli 2018 nicht mehr für die zahnärztliche Behandlung von Milchzähnen, von Kindern unter 15 Jahren sowie von Schwangeren und Stillenden angewandt werden darf.

Im gleichen Atemzug wurde jedoch darauf verwiesen, dass den Zahnärzten ausreichend Zeit gelassen werden muss, um sich auf die neuen Bestimmungen einzustellen - ob sie nun wollen oder nicht! Denn wenn ein Zahnarzt in seiner Praxis kein Amalgam mehr verwenden möchte, ist er dazu verpflichtet, seinen Patienten eine Alternative anzubieten.

Diese Alternative darf allerdings nicht teurer sein als eine Amalgamfüllung im Seitenzahnbereich, muss also zuzahlungsfrei sein. Hält sich der Behandler daran nicht, verstösst er gegen seine vertragszahnärztlichen Pflichten, zu denen sich die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) uneingeschränkt bekennt. Dies trägt bestimmt nicht dazu bei, Zahnärzte zu einem Umdenken zu bewegen!

Obgleich die Minamata-Konvention bislang viel Raum für Kritik offenlässt, sollte abschliessend eingeräumt werden, dass zumindest ein Schritt in die richtige Richtung getan wurde. Wie viele weitere Schritte in absehbarer Zeit folgen werden, wird uns beispielsweise die erste Vertragsstaatenkonferenz zeigen, die vom 24. bis 29. September 2017 in Genf stattfindet.

Wir vom Zentrum der Gesundheit werden Sie jedenfalls weiterhin auf dem Laufenden halten. Unterdessen empfehlen wir Ihnen interessante Artikel zur Quecksilber-Problematik, wie z. B.: Denn aufgeklärte, wissende Bürger tragen zweifelsohne dazu bei, die Welt zu verändern.


Quellen: