Abschleppen? Aus der Bahn kegeln? Oder doch gleich sprengen? Die Europäische Union lässt Forscher jetzt untersuchen, was sich gegen einen Asteroiden auf Crashkurs unternehmen ließe. Viele Optionen sind denkbar - nur einen Test mit Nuklear-Sprengköpfen schließen sie aus.
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© Corbis

Was wäre wenn? Anfang kommender Woche kann die Menschheit wieder einmal dieses beliebte Spiel spielen. Was wäre, wenn ein kosmischer Flugkörper auf Kollisionskurs mit unserem Heimatplaneten gerät? Der Asteroid mit dem Namen (433) Eros wird zu diesem Zeitpunkt vergleichsweise nah an uns vorbeirauschen, nach kosmischen Maßstäben zumindest.

Einerseits wird sich der 30 mal 13 mal 13 Kilometer messende Brocken der Erde annähern wie lange nicht mehr, andererseits zieht er dann noch immer weit hinter der Mondbahn seine Runde. Vermutlich wird sich der eine oder andere beim Gedanken an den lautlosen Riesen trotzdem ein bisschen gruseln - und dann werden alle wieder zum Tagesgeschäft übergehen und (433) Eros und seine Brüder vergessen. Statistisch gesehen ist der Einschlag eines Asteroiden immerhin eine reichlich unwahrscheinliche Angelegenheit.

Alle werden zum Tagesgeschäft übergehen? Nun, sagen wir: Fast alle, Alan Harris und seine Mitstreiter werden das nicht tun. Im Auftrag der Europäischen Union soll ein neu gegründetes Konsortium in den kommenden Jahren Abwehrstrategien gegen kosmische Geisterfahrer entwickeln. Und Harris, Planetenforscher am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Berlin, leitet das auf gut drei Jahre angelegte Projekt NEO-Shield.

Der Wissenschaftler weiß, dass es in der Erdgeschichte immer wieder schwere Einschläge gegeben hat. Zum Teil künden noch heute riesige Krater davon: der Barringer-Krater in Arizona, das Nördlinger Ries in Süddeutschland, der Manicouagan-See in Kanada und so weiter.

Noch immer viele Asteroiden unbekannt

Wie kann man sich also vor solch einem mächtigen Asteroiden schützen? Die Nasa geht nach Studien mit dem Infrarotteleskop "Wise" von gut 980 Stück aus, die einen Kilometer und größer sind. Dazu kommen noch einmal rund 19.500 mittelgroße Exemplare zwischen 100 Metern und einem Kilometer, die meisten davon noch unentdeckt.

Ganz zu schweigen von den zahllosen kleineren Brocken, die immer noch für lokale Verwüstungen sorgen können. In den kommenden Jahren werden die Asteroiden-Datenbanken dank neuer Beobachtungsdaten explodieren, warnen Experten. Und einige der Brocken könnten uns womöglich eines Tages gefährlich werden.

Vier Millionen Euro gibt es nun von der EU-Kommission für die Arbeiten am Projekt NEO-Shield. Von Forschungsinstituten und Industriepartnern kommen noch einmal 1,8 Millionen Euro dazu. In drei Jahren wollen die Experten dann mit der Blaupause für eine Test-Mission aufwarten. Die könnte irgendwann nach 2020 starten - wenn sich dafür ein Finanzier findet, die Europäische Weltraumorganisation Esa etwa.

Doch gibt es nicht schon genug Ideen, was mit einem herannahenden Asteroiden anzustellen wäre? Mit einem wuchtigen Geschoss ("kinetischer Impaktor") könnte man ihm eine neue Flugbahn verpassen. Oder man ließe ihn vom Schwerefeld einer kleinen Sonde in ungefährliche Regionen manövrieren ("Gravitations-Traktor"). Manch einer will einem kosmischen Angreifer gar mit mächtigen Sprengköpfen zu Leibe rücken.

"Natürlich wurden schon viele Dinge vorgeschlagen", sagt Harris. "Aber bisher kamen die meistens von einer einzigen Institution, vielleicht sogar von einer Person. Da war es schwierig, sie weiterzuverfolgen." Das neue Projekt soll die existierenden Ansätze nun systematisch untersuchen. "Das wird auf dem Papier und in Laborexperimenten stattfinden. Mehr ist für das Geld nicht zu machen", stellt Wolfram Lork klar, der sich beim Raumfahrtkonzern Astrium um das Projekt kümmert.

Für "Don Quijote" fehlte das Geld

Das Unternehmen arbeitet mit zwei Teams an Konzepten für einen kinetischen Impaktor. Astrium-Experten hatten für die Esa schon einmal an so einem Fluggerät getüftelt. Die "Don Quijote" genannte Mission kam aber einstweilen nicht über das Planungsstadium hinaus, weil das Geld fehlte.

Während die Europäer nun also wieder an ihrem Plan für einen kosmischen Rettungsschuss basteln, untersucht ein Team vom Carl Sagan Center des Seti-Institute im kalifornischen Mountain View das Konzept des Gravitations-Traktor weiter. In diesem Fall würde eine kleine Sonde gezielt beim Asteroiden in Position gebracht. Durch ihr Gewicht zöge sie den Brocken ganz langsam an - und damit irgendwann aus der Kollisionsbahn mit der Erde. Das ganze würde allerdings Jahre, vielleicht auch Jahrzehnte dauern.

Schneller - und rabiater - wäre dagegen die Variante, einen Asteroiden mit gezielt gezündeten Sprengladungen abzuwehren. Projektleiter Harris nennt das den "letzten, verzweifelten Ansatz". Experten des russischen Instituts TsNIIMash, das ist die Ingenieursabteilung der Raumfahrtbehörde Roskosmos, werden sich im Rahmen des Projekts auch mit dieser Idee befassen.

"Wir möchten Pläne für eine machbare, bezahlbare Mission vorlegen. Wir wollen der Welt zeigen, dass es machbar ist", sagt Harris. Ob man am Ende einen Gravitations-Traktor oder einen kinetischen Impaktor vorschlagen werde, stehe noch nicht fest. Denkbar sei auch eine Kombination. Klar sei indes, dass er keinen Test mit nuklearen Sprengköpfen geben werde.

In jedem Fall wird das Thema noch viele internationale Gremien beschäftigen. "Das ist keine Sache, die Europa für sich regelt. Da muss die Welt mit am Tisch sitzen", sagt Astrium-Mann Lork. Auch die Uno hat sich der Sache bereits angenommen, doch niemand rechnet hier mit einer schnellen Einigung.
Währenddessen bemühen sich Forscher, überhaupt mehr über unsere kosmischen Begleiter herauszufinden. So soll Nasa-Sonde Osiris-Rex im Jahr 2016 starten, um dem Asteroiden "1999 RQ36" einen Besuch abzustatten. Geht alles glatt, landet sie sieben Jahre später wieder auf der Erde - mit bis zu zwei Kilogramm Probenmaterial im Gepäck.

Und auch am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt liebäugelt man mit einer Asteroiden-Mission, auch wenn es hier nur um Beobachtung geht. Doch für den "AsteroidFinder" fehlt derzeit eine bezahlbare Fluggelegenheit.