Die humanitäre Organisation Ärzte ohne Grenzen hat das Flüchtlingsabkommen zwischen Brüssel und Ankara als Verstoß gegen die von der EU übernommenen Verpflichtungen zur Hilfeleistung für Unterkunftsbedürftige bezeichnet.
Flaggen Europa und Türkei
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Das Dokument schaffe einen gefährlichen Präzedenzfall, geht aus dem am Freitag unterbreiteten und von der Organisationschefin Joanne Liu unterzeichneten offenen Brief an die Spitzenvertreter der EU-Länder hervor.

Das Dokument bringt die Besorgtheit der Organisation darüber zum Ausdruck, dass die EU-Länder mit Unterzeichnung des Abkommens mit der Türkei faktisch „von Tausenden Menschen, die sich vor Krieg, Verfolgungen und Hoffnungslosigkeit retten müssen, abgewendet haben“.

Das Abkommen zwischen der EU und der Türkei schiebt faktisch die Verantwortung für die Menschen auf die Türkei ab, unter anderem im Tausch gegen Milliardenzahlungen. Bei der seit Jahrzehnten größten Zwangsumsiedlung stellt dieses Abkommen einen beispiellosen Verzicht auf moralische und rechtliche Verpflichtungen dar“, heißt es in dem Brief.

Wie aus dem Dokument weiter verlautete, „verhindert das Abkommen die Umsetzung der Asylrechte und verstößt gegen das humanitäre Prinzip zur bedingungslosen Hilfeleistung für diejenigen, die diese brauchen“.

„Dieser Deal signalisiert der übrigen Welt, dass sich Staaten von ihren Asyl-Verpflichtungen freikaufen können. Wenn auch andere Länder von dieser Möglichkeit Gebrauch machen werden, wird es den Begriff Flüchtling an und für sich bald nicht mehr geben“, warnt die Organisation.

Ärzte ohne Grenzen rufen die EU-Spitzenvertreter dazu auf, an das nach dem Zweiten Weltkrieg entstandene, grundlegende menschliche Bedürfnis nach Unversehrtheit zurückzudenken, sich „vor Gewalttätigkeiten und Verfolgungen zu retten, wenn es keine Wahl mehr gibt, sowie diejenigen aufzunehmen und zu schützen, die das benötigen“. Es dürfe sich nicht einfach mit Milliarden Euro von ihnen freigekauft werden.

Das Flüchtlingsabkommen zwischen der EU und der Türkei sieht die Aufnahme syrischer Flüchtlinge durch die Türkei im Tausch gegen Hilfszahlungen und die Aufhebung der Visumspflicht für die Türken um EU-Raum vor.

Das Abkommen steht gegenwärtig vorm Scheitern: Das EU-Parlament hatte am Mittwoch die Arbeit an der Visafreiheit für die Türkei provisorisch eingestellt, da dieses Land nicht alle 72 Bedingungen für eine Abschaffung der Visapflicht erfüllt.

Der Deal trat am 20. März in Kraft. Demnach werden alle illegalen Einwanderer, die seit dem 20. März nach Griechenland über die Türkei einreisen, zurück in die Türkei geschickt. Die Einwanderer, die nach Griechenland kommen, werden angemeldet. Jeder Asylantrag wird individuell von den griechischen Behörden in Kooperation mit der UN-Agentur behandelt. Im Tausch verpflichtete sich die EU, die syrischen Flüchtlinge aus der Türkei im Verhältnis 1:1 aufzunehmen.