Etablierte US-Medien werden nicht schlau aus Michael Flynn, dem Nationalen Sicherheitsberater des künftigen US-Präsidenten Trump. Die New York Times lässt einige Geheimdienstkollegen aus dem Nähkästchen plaudern. In den Diensten macht sich Nervosität breit.
General Michael Flynn
© ReutersGeneral Michael Flynn, ehemals Chef des Militärgeheimdienstes DIA, auf dem Weg zu einem Treffen mit dem gewählten Präsidenten Donald Trump, New York City, 17. November 2016.
Zu den wirkungsvollsten Treffern, die der designierte US-Präsident Donald J. Trump im Wahlkampf gegen seine Kontrahentin Hillary Clinton landen konnte, gehörte der Vorwurf, sie würde potenziellen Rivalen oder Feinden der USA bereits im Vorfeld ihre Strategie verraten. Ein Beispiel dafür sei die Ankündigung, den Kampf gegen den IS ohne US-Bodentruppen zu führen.

Mit der Wahl des General Michael T. Flynn zum Nationalen Sicherheitsberater wollte Trump dann offenbar auch ein Beispiel dafür geben, wie es der von ihm bevorzugten Vorgehensweise entspricht. Diese Nominierung hat nicht nur Freund und Feind gleichermaßen überrascht, sondern trägt auch zu allerlei Spekulationen bei.

Fest steht: Flynn wird in den nächsten Jahren als eine Art Graue Eminenz fungieren. Er wird die letzte Person sein, mit der Präsident Trump Rücksprache hält. Vor allem aber wird er die Verantwortung dafür tragen, die Arbeit aller 16 Geheimdienste der USA einzuschätzen, zu überwachen und die daraus gewonnenen Informationen zu verwerten.

Auf der Basis bisheriger Ankündigungen Flynns und Trumps gehen Experten davon aus, dass der neue Nationale Sicherheitsberater alle 16 Nachrichtendienste unter seine exklusive Leitung stellen und insbesondere den Informationsfluss zwischen diesen koordinieren und beaufsichtigen wird.

Einfach wird seine Aufgabe dabei nicht. Schon der künftige Präsident selbst hat in den Räumlichkeiten seiner Geheimdienste kein Heimspiel. Unabhängig von ideologisch begründeten Differenzen hinsichtlich der Einschätzung der Bedeutsamkeit einzelner Risiken waren es vor allem skeptische Äußerungen Trumps über die Qualität geheimdienstlicher Erkenntnisse im Wahlkampf, mit denen er in den Reihen der Dienste Unmut hervorrief.

Was Flynn, den ehemaligen Leiter des Militärgeheimdienstes DIA, anbelangt, scheinen einige Geheimdienstmitarbeiter, die mit ihm in der Vergangenheit zu tun hatten, sogar gleichsam seelsorgerischen Beistand von Qualitätsjournalisten ihres Vertrauens zu suchen und schütten diesen bereitwillig ihr Herz aus.

So gelang es der New York Times jüngst, vorwiegend auf der Grundlage von Aussagen aktiver oder pensionierter Nachrichtendienst-Mitarbeiter, ein Porträt Flynns zu zeichnen, das diesen als autoritären Choleriker mit Hang zu Verschwörungstheorien und Schwächen in der Kommunikationspolitik ausweist.
Flynn hat sich selbst mit Loyalen umgeben", bemängelt etwa der stellvertretende Leiter a. D. der DIA, Douglas H. Wise. "Wenn es darum ging, seine Vision umzusetzen, ging er mit Lichtgeschwindigkeit voran, aber er kommunizierte nicht effektiv. [...] Er tolerierte es nicht, wenn Untergebene nicht schnell genug voranschritten. Als hochrangiger Militär erwartete er Gehorsam und wollte keine Widerrede."
Die New York Times behauptet, Flynn habe in seiner Zeit als DIA-Chef sowohl Vorgesetzte als auch Untergebene durch sein ausgeprägtes Temperament, seine Weigerung, Widerspruch zu ertragen, und durch seine "verschwörerische" Weltsicht entfremdet. Dies sowie die politische Unerfahrenheit des Präsidenten könnten Probleme machen, wenn es darum gehe, abweichende Auffassungen von Kabinettsmitgliedern und Diensten in Einklang zu bringen. Deshalb habe sonst stets jemand mit langjähriger Erfahrung in Washington diesen Posten bekleidet, so die Zeitung. Mit der Struktur des Dienstes, der zu 80 Prozent aus Zivilisten bestehe, sei er nie zurechtgekommen.

Michael Flynn hingegen dürfte sich von den Bedenken wenig beeindruckt zeigen. Der frühere DIA-Chef von 2012 bis 2014 und geheimdienstliche Leiter dreier militärischer Kommandoeinheiten ließ bereits mehrfach erkennen, dass er keine Sympathiewettbewerbe gewinnen, sondern die Apparate umfassend reformieren wolle. Die DIA, deren Aufgabe vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion die Beobachtung der Entwicklung der sowjetischen Armee gewesen war, hatte nach dem Ende des Kalten Krieges unter einer Sinnkrise gelitten. Er sei nach eigener Aussage von der Regierung Obama kaltgestellt worden, weil er unrichtigen Einschätzungen widersprochen habe.

Eine Aussage, der auch das kalifornische Mitglied des Repräsentantenhauses, Devin Nunes, beipflichtet, der auch Vorsitzender dessen Geheimdienstkomitees und Mitglied des Übergangsteams von Trump ist:
Flynn versuchte, Dinge in den Griff zu bekommen und ihm blieben dazu nur zwei Jahre, bis sie ihn herausdrängten, weil sie seine Beurteilung nicht mochten. [...] Sie hatten keine Ausrede parat, um ihn zu feuern, deshalb haben sie eine fabriziert. Niemand hat es bislang geschafft, den Laden in Ordnung zu bekommen.
Insbesondere hatte er die Aussage des scheidenden Präsidenten Barack Obama im Wahlkampf 2012 beanstandet, wonach sich Al-Kaida, nachdem eine Sondereinheit der Navy SEALs in Abbottabad Osama bin Laden getötet hatte, weltweit "auf dem Rückzug befinde". Die Ausbreitung der Terrororganisation in den Kaukasus und in Regionen wie den Jemen, Syrien oder Mali widersprach in der Tat dieser Einschätzung. Al-Kaida erfuhr erst dadurch einen Rückschlag, als wenig später mit dem "Islamischen Staat" eine neue, "jugendliche" und noch technologieaffinere Variante des radikal-islamischen Terrorismus auf den Plan treten sollte.

Flynns frühere Untergebene in der DIA werfen ihm jedoch vor, er habe sie dazu angehalten, ihm sowohl Beweise dafür zu liefern, dass der Iran als staatlicher Akteur in den Überfall von Extremisten auf die US-Botschaft in Benghazi im September 2012 involviert gewesen wäre, als auch nachzuweisen, dass das Weiße Haus in seiner Einschätzung hinsichtlich der Ursache des Übergriffs falsch gelegen habe. Washington erklärte damals, es habe sich um einen mehr oder minder spontanen Ausbruch der Gewalt auf Grund eines islamkritischen Videos gehandelt, das ein undurchsichtiger Akteur auf YouTube gestellt habe.

Die Mitarbeiter, die keine Beweise für Flynns Einschätzungen gefunden haben wollten, fühlten sich nach eigener Aussage an das beharrliche Drängen erinnert, das die Regierung Bush nach dem 11. September 2001 entfaltet hätte, um Saddam Hussein und den Irak mit den Anschlägen in Verbindung zu bringen.

Der hohe Belastungseifer, der aus den Diensten heraus an die Öffentlichkeit dringt, könnte jedoch seine Ursache in der Aufgabe haben, die sich der designierte Nationale Sicherheitsberater selbst gestellt hat. Flynn, der sich vor allem in Afghanistan und im Irak durch scharfen analytischen Verstand und die Fähigkeit einen Namen gemacht hatte, terroristische Netzwerke offenzulegen, will eine Geheimdienstreform an Haupt und Gliedern.

Es soll funktionelle Zentren geben statt der zahlreichen ineffizienten Parallelstrukturen, und er will selbst die Stelle sein, an der die Informationsflüsse zusammenlaufen. Er strebt auch Durchgriffsrechte in die Reihen der Dienste selbst hinein an - bis dato hat der Nationale Sicherheitsberater noch nicht einmal die Befugnis, unfähige Beamte aus ihrer Funktion zu entfernen.

Auch wenn Michael Flynn - wie es Trumps Strategie des Erhalts einer "strategischen Unberechenbarkeit" entspricht - hinsichtlich seiner ideologischen Ausrichtung einzelne Fragen offenlässt, schafft es die New York Times ihrerseits nicht, eine stringente Strategie zu finden, um dessen Eignung für diese wichtige Position in Zweifel zu ziehen.

Auf der einen Seite wirft sie ihm vor, ausgerechnet im März 2014 ungeachtet der Ereignisse auf der Krim nach Moskau zu fliegen, um mit seinen russischen Kollegen über den Ausbau eines bestehenden Abkommens zum Austausch von Geheimdienstinformationen zu sprechen. Erst seine Vorgesetzten hätten eine anschließende gemeinsame Veranstaltung mit russischen Kollegen über die Bedrohung durch den islamistischen Terror abgesagt.

Auf der anderen Seite verweist das Blatt auf ein Buch, auf dem Flynns Name steht und in dem davon die Rede ist, dass China, Nordkorea und auch die Russische Föderation mit Dschihadisten zusammenarbeiten, um den USA zu schaden.

Bei dem Buch handelt es sich jedoch um eine Koproduktion, bei der Flynn lediglich Mitautor ist. Die Verschwörungstheorie kann - und dürfte - wohl eindeutig von seinem Kollegen Michael Ledeen stammen, der geheimdienstlicher Mitarbeiter in der Regierung Reagan war und noch heute als neokonservativer Einpeitscher gilt.

Flynn hingegen hat mehrfach deutlich gemacht, dass er wie auch der designierte Präsident Donald J. Trump konstruktive Beziehungen mit der Russischen Föderation anstrebt und die größte Gefahr für beide Länder im militanten Islamismus sieht.