Polizeigewalt
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Schläge, Tritte, Schüsse: In den USA müssen jährlich rund 51.000 Menschen wegen Polizeigewalt im Krankenhaus behandelt werden. In Deutschland passiert das relativ gesehen deutlich seltener.

Ein Mann steht mit erhobenen Händen auf einer Straße. Polizisten nähern sich ihm und erschießen den unbewaffneten Mann. Diese Szene hat sich im vergangenen September in Tulsa, im Bundesstaat Oklahoma abgespielt. Es war nicht der einzige Fall. Polizeigewalt, vor allem gegen Afroamerikaner, hatte in den USA heftige Debatten ausgelöst.

Ärzte des New York-Presbyterian Hospital haben nun untersucht, wie viele Menschen zwischen 2006 und 2012 wegen Polizeigewalt in US-Krankenhäusern behandelt wurden und ob die Zahl der Fälle zunimmt. Sie stützten sich auf landesweite Stichproben aus Notaufnahmen, die etwa ein Fünftel aller Besuche in Notaufnahmen berücksichtigen und deshalb als repräsentativ gelten. Insgesamt wurden in der Studie aus dem Fachblatt Jama Surgery 355.600 Fälle von Polizeigewalt ausgewertet.

Vor allem Männer

80 Prozent der Betroffenen waren der Untersuchung zufolge Männer, das Durchschnittsalter lag bei etwa 32 Jahren. Die meisten kamen aus Bezirken mit einem Haushaltseinkommen, das unter dem US-amerikanischen Durchschnitt liegt.

Die meisten Verletzungen waren vergleichsweise harmlos und auf einen Schlag zurückzuführen. Fast sieben Prozent der Verletzungen wurden jedoch durch Schüsse oder Stiche verursacht. 1202 Menschen starben an den Folgen von Polizeigewalt, das entspricht etwa 0,3 Prozent Fälle, die untersucht wurden. Mehr als 15 Prozent der Verletzten standen unter Drogen- oder Alkoholeinfluss und bei jedem Fünften wurde eine mentale Krankheit diagnostiziert.

Die statistische Auswertung der Fälle zeigt auch, dass sich die Zahl der Übergriffe zwischen 2006 und 2012 kaum geändert hat. Demnach wurden in jedem Jahr etwa 51.000 Patienten nach Zusammenstößen mit Polizisten behandelt. Die Anzahl könnte seither aber deutlich zugenommen haben. Laut einer Statistik der Washington Post wurden allein in diesem Jahr bereits 289 Menschen in den USA durch Polizisten erschossen.

Die Analyse gibt keine Auskunft darüber, ob die Verletzungen zu vermeiden gewesen wären, schreiben die Ärzte. Das sei unmöglich herauszufinden. Auch die Zahl von afroamerikanischen Opfern ist nicht bekannt. Mit dieser Frage hat sich eine andere Studie aus dem vergangenen Jahr beschäftigt. Den Ergebnissen zufolge waren Schwarze im Jahr 2012 häufiger von der Polizei gestoppt und festgenommen worden als Weiße. Das Risiko bei einer Verhaftung verletzt oder sogar getötet zu werden, war jedoch unabhängig von der Hautfarbe gleich hoch.

So ist die Situation in Deutschland

In Deutschland gibt es weit weniger Fälle von Polizeigewalt als in den USA. Laut einer Zusammenstellung des Statistischen Bundesamtes gab es in Deutschland im Jahr 2015 rund 2200 Ermittlungsverfahren wegen Gewaltausübung durch Polizeibeamte. Die Staatsanwaltschaft ermittelte zudem in 15 Fällen wegen vorsätzlicher Tötungsdelikte durch Polizeibedienstete.

Außerdem haben deutsche Polizisten 2015 etwa hundert Schüsse auf Personen abgegeben, wie aus einer Arbeit von Clemens Lorei von der Hessischen Hochschule für Polizei und Verwaltung hervorgeht. Von den Schüssen seien 40 direkt auf Personen gerichtet worden. Dabei seien zehn Menschen getötet und 22 verletzt worden. Lorei beruft sich auf Zahlen der Polizei- und Führungsakademie, des Instituts für Bürgerrechte und Polizei (CILIP) und auf eigene Recherchen.

koe