In Schutzkleidung, Japan
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Nach der Atomkatastrophe in Fukushima wurde die Umgebung des Meilers verstrahlt. Nun bemängeln Kritiker, das Sperrgebiet sei zu klein. Dadurch setze die Regierung die Bevölkerung unnötigen Risiken aus - alles zum Wohle der Konjunktur.

Die Geigerzähler schlagen bis ans obere Ende der Skala aus. Strahlenexperte Tomoya Yamauchi misst die radioaktive Belastung in der japanischen Stadt Fukushima, etwa 60 Kilometer nordöstlich des gleichnamigen Katastrophenmeilers. In Erdproben fand der Professor radioaktive Strahlenwerte von mehr als sechs Millionen Becquerel pro Quadratmeter. Als nach dem Atomunfall von Tschernobyl 1986 die ukrainischen Behörden eine Evakuierung anordneten, hätten sie 1,48 Millionen Becquerel gemessen, berichten Umweltschützer.

Doch Japans Behörden sehen für die etwa 6000 Einwohner der betroffenen Zone keine Gefahr. Die Sperrzone in einem Radius von 20 Kilometern um das am 11. März von Erdbeben und Tsunami beschädigte Kernkraftwerk Fukushima seien ausreichend.

Gegen den Einwohnerschwund

Dem widersprechen Umweltaktivisten und beschuldigen die Behörden, die Wirtschaft über das Wohl der Bevölkerung zu stellen. „Die Regierung sollte Kinder und Schwangere zur Evakuierung auffordern“, meint Kanno Mitsurata von „Friends of the Earth“. Zehntausende haben die Katastrophenprovinz Fukushima bereits verlassen, sie fühlen sich vor der gefährlichen Strahlung nirgends sicher. Evakuierungspläne für gefährdete Bevölkerungsgruppen könnten zu einem weiteren Einwohnerschwund führen.

In Watari, einem Stadtbezirk in Fukushima, wurden mehr als zehn Mikrosievert pro Stunde gemessen, sagt Mitsurata. An einem Ort etwa sieben Kilometer vom Kernkraftwerk - also mitten im Atomsperrgebiet - waren es etwas mehr als 14 Mikrosievert pro Stunde.

Regierung will Maßnahmen überprüfen

In Sievert wird die biologische Wirkung der Strahlung auf Menschen, Tiere oder Pflanzen angegeben. Dabei werden unter anderem Strahlungstyp, Dauer der Bestrahlung und Wirkung der jeweiligen Strahlung im Körper berücksichtigt. In Becquerel wird die Stärke der Radioaktivität angegeben. Gemessen wird der Zerfall von Atomen pro Sekunde.

Regierungschef Yoshihiko Noda versprach eine Überprüfung der Dekontaminierungsmaßnahmen. Der gesamte Bezirk Watari solle dekontaminiert werden, sagte ein Stadtbeamter. Er konnte aber nicht sagen, wann. Von Kritikern heißt es jedoch, die Maßnahmen seien maximal eine Notlösung.

Furcht vor wirtschaftlichen Auswirkungen

Es reiche nicht, nur die oberste Bodenschicht abzutragen, sagt Strahlenexperte Yamauchi. Wegen der starken Verstrahlung müssten auch Straßenbeläge, Dächer und Betonmauern entfernt werden. Außerdem bringe jeder Regen neues kontaminiertes Material.

Im Großteil der Provinz Fukushima beläuft sich die radioaktive Strahlung auf mehr als 5,2 Millisievert pro Jahr. Würden diese Werte in einem Atomkraftwerk gemessen, wäre die Zone für Jugendliche unter 18 Jahren verboten. Atomwissenschaftler Hiroaki Koide von der Universität Kyoto kritisiert, die Regierung habe Grenzwerte angehoben, um die wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Provinz gering zu halten.

Der für das Sperrgebiet um Fukushima geltende Grenzwert von 20 Millisievert pro Jahr sei zu hoch angesetzt, meint Koide. Wäre er niedriger, müsste die Regierung allerdings den größten Teil der Provinz evakuieren - was seiner Ansicht nach zu einer landesweiten Krise führen würde. Die Regierung glaube daher, sie habe „keine Wahl, als die Bewohner der radioaktiven Strahlung auszusetzen“, sagt der Atomexperte.

Gefährdete AKW: Tickende Zeitbomben

Nicht nur in Japan wurden Kernkraftwerke in erdbebengefährdeten Regionen errichtet. In Kalifornien stehen Reaktorblöcke in unmittelbarer Nähe einer Verwerfungslinie. Auch Europa ist nicht gefeit vor einer solchen Katastrophe, wie sie Japan getroffen hat. Die Googlemap gibt einen Überblick über gefährdete Länder, die Kernkraftwerke besitzen. [siehe Quell-Artikel]

mb/dpa