Handy
© grenzwissenschaft-aktuell.deHandystrahlung hat bei ungeborenen Mäusen Verhaltensveränderungen hervorgerufen.
Zürich/ Schweiz - Unmittelbar nach der Veröffentlichung einer aktuellen dänischen Studie, die keine Verbindung zwischen Tumoren im Hirn und im zentralen Nervensystem und Mobilfunknutzung finden konnte (...wir berichteten), äußert die "Umwelt- und Verbraucherorganisation zum Schutz vor elektromagnetischer Strahlung - Diagnose Funk" massive Kritik an der Studie und warnt vor deren im Sinne eine Unbedenklichkeit von Mobilfunkstrahlung "suggestiven Schlussfolgerungen".

- Bei der folgenden Meldung handelt es sich um die Pressemitteilung der "Umwelt- und Verbraucherorganisation zum Schutz vor elektromagnetischer Strahlung - Diagnose Funk", diagnose-funk.org

Als Reaktion auf die WHO - Eingruppierung von Handystrahlung als "möglicherweise krebserregend" wurde nun rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft eine Studie veröffentlicht, die angeblich das Gegenteil belegen soll. Peter Hensinger von Diagnose-Funk stellt dazu fest: "Diese Studie ist unseriös und bei näherer Betrachtung kein Beleg für die These 'Handys erzeugen keinen Krebs'. Mit dieser Gefälligkeitsstudie hat die Mobilfunkindustrie offenbar eine weltweite Entwarnungskampagne zum Weihnachtsgeschäft gestartet.

Die Studie "Use of mobile phones and risk of brain tumours: update of Danish cohort study", (Frei et al., 2011, BMJ 2011;343:d6387 doi: 10.1136/bmj.d6387) ist eine Neuauflage einer längst widerlegten dänischen Kohortenstudie.

Bereits im Jahr 2006 erschien die erste Version der dänischen Studie und wurde damals vom Bundesamt für Strahlenschutz so bewertet: "Aufgrund der oben genannten methodischen Schwächen kann insgesamt eine Unterschätzung des Risikos nicht ausgeschlossen werden. Die Aussagekraft dieser Studie ist deshalb eingeschränkt und liefert keine für den Strahlenschutz verwertbare neue Information."

Auch "Diagnose-Funk Schweiz" kritisierte diese Studie in ihrem Brennpunkt "Dreiste Datenfälschung in der Mobilfunkforschung". Die neue Version 2.0 dieser Studie von 2011 ist ein erneuter Propaganda - Bluff und Bestandteil der Marketing-Strategie der Mobilfunkindustrie.

Die Hauptmängel der "neuen" Studie von Frei et al. sind :

1. Der verfälschende Zeitraum: Für die Studie wurden alle Personen registriert, die zwischen 1982 und 1995 einen Handyvertrag abschlossen. Der Handyboom begann aber erst ab ca.1996. Alle Dänen, die erst nach 1996 begonnen haben, mobil zu telefonieren, wurden der Gruppe der Nichtnutzer zugeschrieben! Dies ist geradezu absurd und eine mutwillige Verwässerung der Statistik.

2. Etwa 200.000 Firmenvertragsnutzer - also die potentiellen Vieltelefonierer - wurden wegen fehlender Personendaten der Gruppe der Nichtnutzer zugerechnet. Insgesamt fielen somit 36% aller Nutzer dieses Zeitraums in die Gruppe "Nichtnutzer" in der allgemeinen Bevölkerung.

3. Kinder und Jugendliche sind nicht Bestandteil der Untersuchung.

4. Eine Langzeitwirkung konnte bei diesem Untersuchungszeitraum nicht untersucht werden. Bei den langen Latenzzeiten einer Krebsentwicklung ist dies aber der entscheidende Faktor.

Die Zeiz schreibt zu den Mängeln: "Allerdings wiesen die Forscher darauf hin, dass sie keine Daten über die jeweilige Häufigkeit der Handynutzung zur Verfügung hatten. Auch habe man keine Kinder oder Jugendlichen einbezogen. Zudem gebe es sicher falsche Zuordnungen: Menschen etwa, die als Handybesitzer registriert seien, dieses aber gar nicht nutzten - oder auch vieltelefonierende Menschen mit Firmenhandy, die als Nichtnutzer erfasst worden seien. Auch diejenigen, die sich erst nach 1995 ein Mobiltelefon zulegten, wurden als Nichtnutzer eingeordnet." (Zeit - Online, 21.10.2011)

Trotzdem ist die Überschrift des ZEIT-Artikels: "Kein erhöhtes Krebsrisiko durch Handystrahlung nachweisbar". Die Studie so zu interpretieren, kann nur als Kniefall vor den Anzeigenkunden gewertet werden.

Die Veröffentlichung dieser Studie stieß weltweit bei Wissenschaftlern auf Kritik. Die US-Epidemiologin Prof. Devra Davis merkte zudem an, dass die dänische Studie sogar ein erhöhtes Risiko fand, obwohl vorgetäuscht wird, dass dies nicht der Fall sei:
Statistische Signifikanztests werden in der Wissenschaft dazu verwendet, die Wahrscheinlichkeit besser zu verstehen, dass ein Forschungsergebnis der Realität entspricht. In dem Artikel wird in der Tat von einem signifikant erhöhten Risiko einer sehr seltenen Form eines Glioms in den Hirnventrikeln berichtet, basierend auf acht Fällen (2,58; 1,08 - 6,1), aber die Autoren entschieden sich, auf dieses bedeutsame Ergebnis nicht hinzuweisen. In diesem Fall ist dieses Ergebnis trotz der geringen Anzahl bedeutsam.
Pikant an der Sache ist auch, dass im Editorial des BMJ (British Medical Journal) diese Studie von dem Lobbyisten Prof. Ahlbom (Schweden) lobend vorgestellt wird. Ahlbom wurde von der WHO aus dem IARC-Gremium (Beurteilungsgremium zu krebserregenden Stoffen) wegen besonders großen Interessenskonflikten (lobbyistische Tätigkeit für die Mobilfunkindustrie) ausgeschlossen.

Zu dieser heftig geführten Wissenschaftsdebatte hat Diagnose-Funk vor einem Monat einen "Brennpunkt" mit umfangreichem Material vorgelegt: "Kinder, Handystrahlung und die Verharmlosung der Risiken. Über den Umgang mit Forschungsergebnissen durch die Mobilfunkindustrie, das Bundesamt für Strahlenschutz und die Medien."

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Quellen: diagnosefunk.org / grenzwissenschaft-aktuell.de