Diesmal war es nur ein Fehler der Agentur Standard & Poor's, doch lange wird Frankreich sein Top-Rating wohl nicht mehr halten können. Die wirtschaftlichen Fakten sprechen jedenfalls für eine baldige Herabstufung des Landes. Für Europa bedeutet das nichts Gutes.
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© dapdBundeskanzlerin Merkel, Frankreichs Präsident Sarkozy: Der Abstand wird größer

Hamburg - Im besten Fall war es ein dummer Fehler, der den Analysten von Standard & Poor's am Donnerstag unterlaufen ist, als sie in einer öffentlichen E-Mail die Herabstufung der französischen Bonitätsnote verkündeten. Im schlimmsten Fall war es Absicht. Doch egal, was letztlich hinter der folgenschweren Mitteilung steckt: Die Analysten haben die Realität damit wohl nur ein wenig vorweggenommen.

Noch wird Frankreich zwar von allen drei großen Rating-Agenturen mit der Topnote AAA bewertet. Doch längst fragen sich die Akteure auf den Finanzmärkten, wie lange dies noch so bleiben wird.
Mitte Oktober hatte bereits die Rating-Agentur Moody's die Franzosen gewarnt, dass ihre Bestnote in Gefahr sei. Und am Donnerstag, noch vor der versehentlichen Herabstufung durch S&P, zitierte die Zeitung "La Tribune" den ehemaligen französischen Präsidentenberater Jacques Attali mit drastischen Worten: "Machen wir uns nichts vor: Auf den Finanzmärkten haben die französischen Schulden schon kein AAA mehr."

In der Tat macht sich das schwindende Vertrauen bereits bemerkbar. So sind die Risikoaufschläge, die Frankreich den Käufern seiner Staatsanleihen zahlen muss, zuletzt deutlich gestiegen. Mittlerweile muss das Land gut 1,5 Prozentpunkte höhere Zinsen bieten als Deutschland - das ist der höchste Abstand seit 20 Jahren und ein klares Misstrauensvotum. Sollte Frankreich seinen AAA-Status verlieren, dürfte es für das Land noch teurer werden, sich Geld zu leihen.

Hinter der abstrakten Sorge der Investoren stecken handfeste Probleme. Selbst Premierminister François Fillon spricht inzwischen offen von der Gefahr einer Pleite. "Das Wort Pleite ist kein abstraktes Wort mehr", sagte Fillon, als er am Montag das zweite Kürzungspaket in vier Monaten vorlegte. Insgesamt will er von 2012 bis 2016 fast 65 Milliarden Euro einsparen - dazu sollen die Mehrwertsteuer erhöht, eine Reichensteuer eingeführt und diverse Staatsausgaben gesenkt werden.

2012 könnte die französische Wirtschaft schrumpfen

Ob das reicht, ist fraglich. Zumal jede Sparrunde die ohnehin lahmende Wirtschaft weiter bremst. Die EU-Kommission geht in ihrer jüngsten Schätzung davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im kommenden Jahr noch um gerade mal 0,6 Prozent wächst. Das Haushaltsdefizit soll trotz der angekündigten Sparmaßnahmen nur unwesentlich sinken: von 5,8 auf 5,3 Prozent des BIP.

Das französische Wirtschaftsforschungsinstitut OFCE zeichnet sogar ein noch düstereres Szenario: Sollte Frankreich seine Sparzusagen erfüllen, würde die Wirtschaft um 0,5 Prozent schrumpfen, warnt der Ökonom Eric Heyer. Wenn alle EU-Länder gleichzeitig sparen, könnte das Minus sogar bis zu 1,7 Prozent betragen.

Der Schuldenberg wird indes weiter wachsen. Bislang steht Frankreich mit 1,7 Billionen Euro in der Kreide - rund 85 Prozent der Wirtschaftsleistung. 2012 sollen es nach Prognose der EU-Kommission schon fast 90 Prozent sein.

Damit steht Frankreich unter den AAA-Staaten der Euro-Zone am schlechtesten da. Deutschland, Österreich, die Niederlande, Luxemburg und Finnland - die anderen Länder mit Bestnote - weisen sowohl niedrigere Defizite als auch geringere Gesamtschulden auf.

Die Euro-Rettung wäre akut gefährdet

Und es könnte durchaus noch schlimmer kommen: Frankreichs Großbanken haben besonders stark in den europäischen Krisenstaaten investiert. Schon der ausgehandelte Schuldenschnitt für Griechenland wird wohl dazu führen, dass der Staat den Instituten frisches Kapital zuschießen muss.

Sollte auch Italien in Zahlungsschwierigkeiten geraten, wären gigantische Beträge fällig, um die französischen Geldhäuser zu retten. Laut Daten der Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) hielten die Institute Mitte des Jahres Forderungen von 106 Milliarden Euro gegenüber dem italienischen Staat.

Das alles verheißt nichts Gutes für Frankreichs Bonität. Sollte das Land sein Top-Rating verlieren, drohen die bisherigen Pläne zur Euro-Rettung in sich zusammenzufallen. Die gesamte Konstruktion des Rettungsfonds EFSF baut darauf, dass es zwei große Länder mit besten Bonitätsnoten gibt, die für die Schulden der anderen einstehen: Deutschland und Frankreich.

Nur weil diese beiden Kernstaaten der Euro-Zone bisher einen so guten Ruf an den Finanzmärkten hatten, konnte auch der Rettungsfonds EFSF auf ein Spitzen-Rating bauen und sich so günstig Geld von Investoren leihen, das er an Krisenstaaten wie Portugal oder Irland weiterreicht. Sollte Frankreichs Bonität herabgestuft werden, wird auch der EFSF seine AAA-Note verlieren. Die Funktionsfähigkeit des Rettungsfonds wäre akut gefährdet.

Am Ende wird in so einem Fall wohl alles auf die Europäische Zentralbank (EZB) hinauslaufen. Schon jetzt ist der Druck enorm hoch, dass die Währungshüter die Euro-Rettung in die Hand nehmen und ihr Aufkaufprogramm für Staatsanleihen massiv ausweiten. Nur so, sagen viele Ökonomen, werde sich die Krise beenden lassen. Noch weigert sich die EZB - und besonders die ihr zugehörige Bundesbank - diesen Weg zu gehen. Spätestens wenn Frankreich sein Spitzen-Rating verlieren sollte, könnte sich das ändern.

Mit Material von dpa und AFP