Mit Lautsprechern verstärkte muslimische Gebetsrufe sollten in Israel wegen unerträglicher Lärmbelästigung zum Schweigen gebracht werden. Das fordert die Abgeordnete Anastasia Michaelis von der Partei Yisrael Beiteinu (Unser Haus Israel) in einer Gesetzesvorlage. In einem vorbeugenden Entschuldigungsschreiben erklärt sie: “Ich will keine religiös-kulturelle-nationalistische Debatte auslösen. Es handelt sich um ein grünes Problem, um Umweltschutz pur.”
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Neben Gebetsrufen wolle sie auch den Lärm jüdischer und christlicher “Gebetshäuser” dämpfen. Schwer getroffen seien gemischte Städte wie Jerusalem, Haifa und Lod. Nachbarn von Moscheen leiden nach Angaben Michaelis unter Schlafentzug, wenn sie schon um 05.00 Uhr früh aus dem Bett geworfen würden oder bis tief in die Nacht lauter Musik jüdischer Hochzeitssäle ausgesetzt seien. Der rechten, säkular-nationalistischen Partei Yisrael Beiteinu gehört auch Außenminister Avigdor Lieberman an.

Noch gebe es in Israel dagegen keine echte gesetzliche Handhabe. In Jerusalem hätten die Behörden versucht, das Problem durch “gutes Zureden” zu lindern, indem sie die Imame baten, ihre Lautsprecher etwas leiser zu stellen. Michaelis hat sogar eine “Vergleichende Studie” anfertigen lassen, verfasst von Ahmad Khatib und Lior Ben David.

Der erste Muezzin, Bilal Ben Rabah, habe Bestimmungen des Propheten Mohammed erfüllt und fünfmal täglich die Muslime mit einem “Allah Uakbar” (Gott ist größer) zum Gebet gerufen. Christliches Glockengeläut habe dem Gebetsruf Pate gestanden. Später habe man neben den Moscheen Minarette errichtet. Die Dauer des heute mit Lautsprechern verstärkten Rufes sei variabel, zwischen zwei und acht Minuten. Neuerdings wird neben dem Gebetsruf an Freitagen auch die Predigt des Imam in die Landschaft gedröhnt.

Ende 2009 gab es in Israel 1,3 Millionen Moslems, also etwa 18 Prozent der Bevölkerung. Von rund 400 Moscheen stünden nur die Hälfte unter der Kontrolle des Innenministeriums, da die Kleriker vom Staat bezahlte Beamte sind. Andere Moscheen werden von gemeinnützigen Organisationen betrieben.

1990 wurde per Gesetz festgelegt, wie viele Dezibel als “unerträglicher Lärm” in Wohngebieten gelten. Ebenso wurden Ruhezeiten bestimmt: zwischen 22.00 Uhr und 06.00 Uhr früh. 1992 wurde ein Muezzin in Jerusalem verurteilt, weil er um 04.50 Uhr mit Lautsprechern ein jüdisches Wohnviertel mit mehr als 100 Dezibel starkem Lärm beschallt habe. Religionsfreiheit verpflichte auch zur Einhaltung der öffentlichen Ordnung, hieß es in dem Urteil.

Regelungen in Ägypten und Saudi Arabien

In Ägypten gebe es ein zunehmendes Umweltbewusstsein, heißt es in der Studie. In Kairo mit rund 4000 Moscheen wurde deshalb die Idee eines zentral gesteuerten simultanen Gebetsrufs diskutiert. Dagegen wehrten sich die professionellen Gebetsrufer. Sie bangen um ihren Job. In Saudi-Arabien darf jede Moschee höchstens vier Lautsprecher einsetzen. In Mekka wurde die Lautstärke beschränkt.

In der palästinensischen Autonomiebehörde und in Jordanien wurde beschlossen, die Gebetsrufe zu synchronisieren. Aus Geldmangel wurde das nur teilweise umgesetzt. In West- und Mitteleuropa hätten 1950 etwa 800.000 Muslime gelebt. Heute gebe es in den EU-Ländern zwischen 15 und 25 Millionen Moslems und in ganz Europa (ohne Türkei) sogar 40 Millionen Muslime. Erst ab den 1970er-Jahren sei die muslimische Präsenz durch den Bau von Moscheen “öffentlich sichtbar” geworden. In Schweden sei 2009 erstmals um Genehmigung gebeten worden, den Gebetsruf mit Lautsprechern zu übertragen.

Widerstand in Europa gegen “kulturell fremden Klänge”

In Europa gebe es Widerstand gegen Gebetsrufe wegen der “kulturell fremden Klänge”, analysierte die Studie. Ein Forscher habe festgestellt, dass die arabischen Rufe bei Nicht-Muslimen das Gefühl erzeugen, als wollten die Muslime sich ihrer Umgebung ermächtigen, ihre Sprache und ihren Glaube aufzwingen. Die Niederlande seien das einzige europäische Land, wo seit 1987 der Gebetsruf gesetzlich dem Glockengeläut der Kirchen gleichgestellt und genehmigt worden sei, aber leise und in Amsterdam nur am Freitag.

In Deutschland leben heute 3,4 Millionen Muslime. 2007 wurden 2.600 Gebetsräume gezählt, die meisten kaum als Moschee erkennbar. Die Erbauer einer ersten “richtigen” Moschee in Berlin seien auf Widerstände gestoßen, weil die Moschee eine “ständige Erinnerung an die Anwesenheit von Fremden im Herzen Berlins” sei. Am Ende habe man einen Kompromiss gefunden.

Nur in Wien wird zum Gebet gerufen

In Frankreich sei die Zahl der Moscheen seit 1970 von 50 auf 1.625 gestiegen, doch nur zehn hätten Minarette. Mit Lautsprechern übertragener Gebetsruf sei verboten. In Marseille kamen die Moslems auf die Idee, fünfmal am Tag zwei Minuten lang Lichtbündel auszustrahlen. In der Schweiz wurde 2009 infolge einer Volksabstimmung verboten, neue Minarette zu errichten.

In Österreich, so die Studie, werde nur in Wien im islamischen Zentrum allein am Freitag zum Gebet gerufen. In Belgien wurde Muslimen der Gebetsruf verboten, nachdem katholische Gemeinden gedroht hätten, keine Kirchenglocken mehr läuten zu lassen.

APA