Wegen der Blockade eines Neonazi-Aufmarschs in Dresden hat das Dresdner Amtsgericht eine Geldstrafe gegen einen 22-jährigen Studenten verhängt. Das Gericht verwies darauf, dass auch Minderheiten Grundrechte hätten. Die Blockadeorganisatoren halten das Urteil für einen Skandal.

Zum ersten Mal wurde ein Mann verurteilt, weil er sich an einer Sitzblockade gegen den Neonazi-Aufmarsch am 19. Februar beteiligt hat. Das Dresdner Amtsgericht sieht darin einen Verstoß gegen das Versammlungsrecht. Der 22-jährige Student muss 15 Tagessätze à 20 Euro zahlen. Richter Hajo Falk ging damit deutlich über das von der Staatsanwaltschaft geforderte Strafmaß hinaus. Diese wollte es bei einer Verwarnung bewenden lassen.

Besonders die Begründung sorgt bei Nazigegnern für Empörung. Der Richter hatte gegen den Angeklagten den Minderheitenschutz in Anschlag gebracht: »In einem Rechtsstaat haben auch unliebsame Menschen Grundrechte«, sagte er am Mittwoch. Für das Bündnis »Dresden nazifrei«, das zu den friedlichen Sitzblockaden aufgerufen hatte, klingt das wie Hohn. Damit setze sich die Verharmlosung faschistischen Gedankenguts in Sachsen fort, kritisiert Bündnissprecherin Franziska Radtke mit Blick auf das Versagen der sächsischen Behörden im Kampf gegen den rechten Terror. Der Prozess gilt als Präzedenzfall für Dutzende weitere Blockade-Verfahren, die am Dresdner Amtsgericht anhängig sind.

Die Verteidigerin des Studenten hatte einen Freispruch gefordert. Es sei nicht nachgewiesen, dass ihr Mandant überhaupt an der Blockade teilgenommen habe. Rund 1700 Menschen hatten an diesem Tag eine Kreuzung auf der vermuteten Route der Nazidemonstration für etwa zwei Stunden besetzt gehalten, auch Politiker machten mit. Zeugen berichteten vor Gericht, die Straße sei vor Einrichtung des Polizeikessels lange Zeit nicht gesperrt gewesen. Menschen seien gekommen und gegangen und hätten also auch von der Räumungsaufforderung der Polizei gar nichts gewusst haben können.

Für den Richter spielte das keine Rolle. Er bemüht eine einigermaßen fragwürdige Konstruktion, bei der polizeiliche Zwangsmaßnahmen die Ermittlung ersetzen. So war aus seiner Sicht entscheidend: Wer sich dort aufhielt, habe die Absicht gehabt, den Naziaufmarsch zu blockieren. Es sei »lebensfremd« anzunehmen, dass der Angeklagte auf eine andere Weise in den Kessel der Polizei gekommen sein soll. In einem anderen Verfahren vor einer Woche war ein Mann aus Mangel an Beweisen freigesprochen worden.

Trotz des juristischen Misserfolgs will »Dresden nazifrei« auch im nächsten Jahr wieder mit Tausenden Menschen sitzend den Nazisaufmarsch verhindern. Den Aufruf dazu haben bereits fast 150 Organisationen und mehr als 800 Menschen unterzeichnet. War das Urteil als Signal an die Blockierwilligen gedacht, so haben die Nazigegner ebenfalls eines für die Öffentlichkeit: Für gestern Abend hatte das Bündnis eine symbolische »Warm-Up-Blockade« in der Dresdner Innenstadt angesetzt. Sich den Nazis in den Weg zu stellen, sei letztlich keine juristische, sondern eine moralische Frage, betont Franziska Radtke.