H5N1 Virus
© APDas H5N1 Virus
Die Entwicklung eines gefährlichen Super-Virus im Labor stellt die Wissenschaftler vor einen ethischen Konflikt: Sollen sie ihre Ergebnisse veröffentlichen oder aus Angst vor Missbrauch besser geheimhalten?

Erstmals hat die U.S. Regierung Wissenschaftler und ein wissenschaftliche Fachjournale darum gebeten, Details von Forschungsarbeiten unter Verschluss zu halten. Die Immunologen Ron Fouchier von der Erasmus Universität Rotterdam und Yoshihiro Kawaoka von der Universität Wisconsin hatten mit amerikanischen Forschungsgeldern zwei separate Studien über die Gefahr einer Mutation des Vogelgrippevirus H5N1 erstellt.

Beide kamen unabhängig voneinander zu dem Ergebnis, dass solche Mutationen in der Natur leicht möglich seien. Vor allem sei es aber auch möglich, künstlich ein Supervirus zu erzeugen. Fouchier hatte sogar ein hochansteckendes und tödliches Virus geschaffen, das sich im Labor rasant unter Frettchen ausbreitete und die meisten von ihnen tötete. Jetzt haben die Forscher einer Bitte des Beraterausschusses für Biosicherheit im U.S. Gesundheitsministerium entsprochen, Teile der Studie geheim zu halten, die möglichen Terroristen Hinweise geben könnten, wie ein solcher Erreger zu erzeugen ist.

Zensur oder Gefahrenabwehr?

In Teilen der Wissenschaftsgemeinschaft stieß dieses Vorgehen auf Unmut. Der Deutsche Hochschulverband sprach sogar von "Zensur." Philosophen, die sich mit Ethik in den Biowissenschaften beschäftigen, verweisen jedoch darauf, dass in diesem Fall die Forschungsfreiheit gegen das Recht der Menschen auf Gesundheit und öffentliche Sicherheit abgewogen werden muss. Und diese Güterabwägung sei nicht leicht.

"Die Forschungsfreiheit soll ja auch garantieren, dass der Zugang zur Forschung an Impfungen und Therapien freigehalten wird", betont Prof. Dieter Sturma, Direktor des Deutschen Referenzzentrums für Ethik in den Biowissenschaften (DRZE). Denn nur wenn den Medizinern - wie im aktuellen Fall - die möglichen Mutationsformen eines Virus bekannt sind, können sie auch Gegenmaßnahmen entwickeln. Andererseits sei gerade durch eine Veröffentlichung die Gefahr groß, dass das Wissen in falsche Hände gerät.

Auch die Frage, wer darüber entscheiden soll, welches Wissen öffentlich sein darf und welches geheim bleiben muss, stelle einen ethischen Konflikt dar. In der Wissenschaft gelte bisher vor allem das Prinzip der Selbstkontrolle. Aber nicht alle Wissenschaftler hielten sich daran, so der Philosoph. Zwar könne die Regierung auch ordnungspolitische Maßnahmen ergreifen, allerdings mangele es dann an internationaler Verbindlichkeit. Zudem seien internationale Konventionen, deren Ziel es sei, Wissen unter Verschluss zu halten, "extrem schwer umzusetzen".

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© APAngst vor Supervirus-Pandemie
Proliferation von Wissen

Während man internationale Abkommen zur Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen durchaus kontrollieren kann, geht das im Fall der Forschungsergebnisse über mutierte Viren nicht. "Wissen kann einfacher übermittelt werden", betont Dr. Bert Heinrichs, der die wissenschaftliche Abteilung des DRZE leitet. Zudem stelle sich die grundsätzliche Frage: "Darf man Wissen in derselben Weise einschränken?". Es wäre auch nicht denkbar eine "Ausfuhrbehörde für Wissen" zu installieren. "Das wäre ja eine Art von Zensur", gibt Heinrichs zu bedenken.

Also müsse das Problem vor allem innerhalb der Wissenschaftsgemeinschaft gelöst werden. Schon jetzt gebe es innerhalb der Forschergemeinschaft ethische Selbstbeschränkungen, an die sich die Wissenschaftler auch halten. So prüfen führende medizinische Fachzeitschriften vor der Veröffentlichung, ob sich die Forscher an festgelegte ethische Prinzipien gehalten haben, zum Beispiel im Bereich der Stammzellforschung oder bei der Forschung mit Tieren. In Europa werde beispielsweise überhaupt nicht mehr an Primaten geforscht.

Analog dazu sollten sich Wissenschaftler bei Veröffentlichungen selbst beschränken und sich der Verantwortung für mögliche Folgen stellen. "Generell kann nicht gesagt werden, dass mit Verweis auf die Forschungsfreiheit einfach alle Ergebnisse unterschiedslos präsentiert werden sollten. Diese Forschungsfreiheit ist nicht grenzenlos", meint der Philosoph Sturma. Allerdings dürfe sie auch nicht in irgendeiner Form unterdrückt werden.

Ethische Standards festlegen

Deshalb könnten Institutionen, die Forschungsvorhaben finanzieren oder veröffentlichen, durchaus Vorgaben machen, um Gefahren von der Öffentlichkeit abzuwenden. Sturma bezweifelt allerdings, ob die Einhaltung solcher Gesetze kontrollierbar ist. Auf der anderen Seite seien sich die meisten Wissenschaftler ihrer Verantwortung durchaus bewusst. Und viele Wissenschaftler seien sogar dankbar, wenn sie Vorgaben bekommen, wie sie sich in dieser oder jener Situation verhalten können oder sollen.

Der jetzt gewählte Weg, die Ergebnisse nur auszugsweise zu publizieren, sei vertretbar. Denn dasWissen werde einem legitimen Wissenschaftskreis nicht vorenthalten, weil die kompletten Forschungsergebnisse vor der Veröffentlichung durch unabhängige Gutachter geprüft werden müssen.

Zumindest die Wissenschaftler, die an solch einem Peer-Review Verfahren beteiligt sind, müssen die Ergebnisse auch in detaillierter Form kennen.

Bert Heinrichs verweist darauf, dass es schon jetzt militärische Forschung gibt, die nicht in öffentlichen Bereichen stattfindet. Das könne auch für die Forschung an besonders gefährlichen Viren, wie des Vogelgrippe-Supervirus eine Lösung sein. Zwar wäre das dann nicht mehr die Art der Wissenschaft, die über einen freien Transfer funktioniert, sondern eher "zielgerichtete wissenschaftliche Entwicklung". Aber es sei durchaus möglich, dazwischen "sinnvolle Trennlinien" zu ziehen.