In der mexikanischen Pyramidenstadt Teotihuacán machen Forscher derzeit aufsehenerregende Entdeckungen. Was sich dort abspielt, zeichnet deutliche Parallelen zu den spektakulären Funden verborgener Gänge und Kammern in der Großen Pyramide von Gizeh. Kürzlich stießen Ausgräber unter der Tempelpyramide der »Gefiederten Schlange« auf drei bislang unbekannte Kammern. Und nun soll es mit der Erkundung weitergehen.
Teotihuacán, Pyramide
© Jackhynes / Wikimedia
Licht am Ende des Tunnels: Bei Ausgrabungen in der mexikanischen Ruinenstadt Teotihuacán arbeitete sich ein Miniaturroboter in unerforschte Areale unterhalb der Tempelpyramide der »Gefiederten Schlange« (Quetzalcoatl) vor, um mittels Laserabtaster und Infrarotkamera verborgene Kammern aufzuspüren. Quetzalcoatl wurde auch mit dem »Abendstern« in Verbindung gebracht, daher gehen einige Fachleute davon aus, dass das Monument rituell auf die Venus zentriert war.

Im Jahr 2003 stießen Altertumsforscher erstmals auf einen langen Gang unter dem faszinierenden Tempel, in rund zwölf Metern Tiefe. Seit 2009 stellte sich zunehmend heraus, dass unterhalb des Monuments sogar ein komplettes Kammersystem verborgen liegt. Was unlängst dort gefunden wurde, führt in eine geheimnisvolle und abenteuerliche Welt.

Mithilfe des Forschungsroboters Tláloc II-TC, benannt nach dem aztekischen Wettergott, entdeckten die Wissenschaftler drei Kammern, die mit zahlreichen goldglänzenden Kugeln gefüllt sind. Auch die Wände sind bedeckt von glitzerndem, goldenem Staub. Allerdings handelt es sich dabei nicht um echtes Gold, sondern vielmehr um Magnetit, Hämatit und Pyrit, das berühmte Katzen- oder Narrengold - Schwefeldisulfid, das in den rätselhaften Kammern bereits in oxidierter Form vorliegt und sich somit ins Mineral Jarosit (Gelbeisenerz) umgewandelt hat. Nicht anders auf der Oberfläche der mysteriösen kleinen Bälle. Die zwischen vier und zwölf Zentimeter großen Kugeln sind mit Lehm gefüllt und liegen in der südlichen Kammer zu Hunderten herum. Nur, welchem Zweck mögen diese seltsamen Objekte gedient haben? Sollten sie den glänzenden Abendstern repräsentieren?

Forschungsleiter Gómez Chávez vom mexikanischen Nationalinstitut für Anthropologie und Geschichte (INAH, Instituto Nacional de Antropología e Historia) mutmaßt zumindest, dass sie wohl rituelle Zwecke erfüllten. Darauf deuten auch andere Fundstücke hin, darunter kunstvoll mit Halbedelsteinen verzierte Holzmasken sowie auch Töpferwaren, allesamt 1.800 bis 1.900 Jahre alt.

Die Archäologen gehen davon aus, dass Priester und Adlige sich in jenen unterirdischen Kammern trafen, um geheime Zeremonien abzuhalten. Deshalb hoffen sie jetzt, in noch unerforschten Bereichen bald noch auf die Grabstätten der Herrscher von Teotihuacán zu stoßen. Hier nämlich könnte das Allerheiligste liegen. Jorge Zavala, ebenfalls vom INAH, weist aber auf die unsichere Natur der Interpretationen hin. So erklärt er, derlei metallische Kugeln seien nie zuvor aufgefunden worden, weshalb auch ihre Bedeutung noch völlig unklar sei. Was dort unter dem Tempel der »Gefiederten Schlange« einst wirklich vor sich ging, diese Frage kann derzeit niemand beantworten.

Der kleine Roboter hat bislang noch nicht alle gesteckten Ziele erreicht. Doch Tláloc II-TC, der über einen eigenen Schaufelarm verfügt, soll sich nun wie ein Maulwurf weiter nach vorne buddeln, nur dass er eben nicht mit Blindheit geschlagen ist, sondern wie schon erwähnt über Kameraaugen verfügt. In nächster Zeit wird er weiter ins Unbekannte vorstoßen und die letzten 30 Meter des insgesamt 120 Meter langen Tunnels ergründen. Hier könnte nach Meinung der Archäologen eine Treppe nochmals in die Tiefe führen.

Eigentlich war ein solches Untergrundsystem bereits zu erwarten, denn nicht nur unter den ägyptischen Pyramiden existieren verborgene Räume wie auch teils kilometerlange Gangsysteme, unterhalb der mexikanischen Pyramiden stießen Forscher bereits vor längerer Zeit ebenfalls zumindest auf einige Kammern. So auch unter der großen Sonnenpyramide. Schon in den 1970er Jahren wurden dort vier verborgene, künstlich geschaffene Höhlungen entdeckt.

Derzeit häufen sich die interessanten Entdeckungen in Mittelamerika. Aktuelle Ausgrabungen in der Mayastadt Ceibal im zentralen Guatemala haben beispielsweise unlängst gezeigt, dass einige zeremonielle Plätze sowie auch Pyramiden der Mayas um Jahrhunderte älter sind als bislang angenommen. So entdeckte eine Archäologengruppe um Takeshi Inomata von der University of Arizona in Tucson eine kleine Pyramide in Ceibal, die offenbar bereits um das Jahr 850 vor Christus errichtet wurde.

Eine nahegelegene Plattform dürfte sogar gegen 1000 vor Christus geschaffen worden sein. Damit ist sie rund 200 Jahre älter als andere Maya-Bauten. Und erst vor wenigen Tagen meldeten mexikanische Archäologen die Entdeckung einer historischen Grabstätte in Colima im Westen Mexikos. Hier stießen die Wissenschaftler auf Knochenüberreste von 28 Erwachsenen und Kindern, außerdem fanden sich typische Grabbeigaben. Offenbar handelte es sich um ein uraltes Familiengrab. Die Knochen datieren bis ins Jahr 600 v. Chr. zurück. Man darf auf die nächsten Entdeckungen gespannt sein. Vor allem aber spannend wird es noch unter der Tempelpyramide von Teotihuacán, wenn Tláloc II-TC nun weiter in den dort liegenden Tunnel vorstößt.