Japan Erdbeben
© REUTERSBöses Erwachen für viele Japaner: Das Erdbeben und der folgende Tsunami hat in weiten Teilen des Landes gewütet.
Das Atomdrama nach dem Erdbeben in Japan verschärft sich: In der Nähe des beschädigten AKW Fukushima ist radioaktives Cäsium festgestellt worden.

Was ist eine Kernschmelze?

Die Kernschmelze ist ein extrem gefährlicher Unfall in einem Kernreaktor. Dabei erhitzen sich die Brennstäbe so sehr, dass sie schmelzen. Im ummantelten Brennstab befindet sich der Stoff, der gespalten wird - also Uran oder Plutonium.
Radioakive Verseuchung

Zur Kernschmelze kann es etwa kommen, wenn Kühl- und Sicherungssysteme gleichzeitig oder in kurzer Zeit nacheinander ausfallen. Wenn die gesamte geschmolzene Masse auf den Boden des Behälters sinkt, kann sie sich durch die Wände des Reaktors fressen. Dabei können radioaktive Substanzen nach Außen gelangen. Mit einer Kernschmelze gehen häufig Dampf- und Wasserstoffexplosionen einher.

In einem der vom Erdbeben in Japan beschädigten Atomreaktoren ist womöglich eine Kernschmelze im Gang. Betroffen sei der Reaktor 1 im 250 Kilometer nordöstlich von Tokio gelegenen Atomkraftwerk Fukushima 1, meldeten die Nachrichtenagenturen Kyodo und Jiji am Samstag. Nach Einschätzung der Behörde für atomare Sicherheit „könnte sich dort eine Kernschmelze vollziehen“.

Böses Erwachen im Trümmerhaufen

Ein Vertreter der japanischen Atomaufsichtsbehörde erklärte, dass es zu einer Kernschmelze kommen könnte. Der Experte namens Ryohei Shiomi teilte mit, Behörden stellten derzeit entsprechende Untersuchungen an. Selbst wenn es zu einer Kernschmelze gekommen sei, gehe für Menschen außerhalb eines Radius von 10 Kilometern keine Gefahr aus, erklärte Shiomi. So seien die meisten der 51,000 Einwohner im besagten Umkreis evakuiert worden.

Die schlimmsten Atomkatastrophen

Die Geschichte der Atomkraft wird von zahllosen Pannen begleitet. Einige waren besonders dramatisch:

April 1986

Die weltweit schwerste Katastrophe bisher war die Explosion des Leichtwasser-Graphit-Reaktors von Tschernobyl in der Ukraine. 32 Menschen sterben sofort, tausende an den Spätfolgen nuklearer Verstrahlung. 120.000 Menschen müssen umgesiedelt werden. Wolken und Winde tragen die freigesetzte Radioaktivität auch nach Westeuropa.

März 1979

Zum bisher schwersten Atomunfall in den USA kommt es im Kernkraftwerk Three Mile Island/Harrisburg (Pennsylvania). Eine radioaktive Wolke wird noch mehrere hundert Kilometer vom Unglücksort gemessen. Mehr als 200.000 Menschen müssen ihre Häuser verlassen.

Oktober 1957

In einer Anlage bei Windscale in Großbritannien bricht in einem zur Herstellung von Bombenplutonium genutzten Reaktor ein Feuer aus. Radioaktive Gase verseuchen ein Gebiet von mehreren hundert Quadratkilometern. Mindestens 39 Menschen sterben an den Folgen.

September 1957

Von einer der größten Atomkatastrophen der Geschichte erfährt die Welt erst Jahre später. In der sowjetischen Plutoniumfabrik Majak explodiert ein unterirdischer Betontank mit flüssigen, radioaktiven Abfällen. Mindestens 1000 Menschen sterben, 10.000 werden verstrahlt. Verlässliche Zahlen gibt es bis heute nicht. Ein 300 Kilometer langer und bis zu 40 Kilometer breiter Landstreifen ist seitdem verseucht. Der Fall wird erst 1976 durch einen emigrierten Wissenschaftler bekannt, 1990 offiziell bestätigt. (Quelle: dpa)

Jiji meldete weiter, die Brennstäbe seien kurz der Luft ausgesetzt gewesen, als der Pegel des Kühlwassers sank. Es werde nun Wasser in den Reaktor gepumpt. Ein Sprecher der Betreiberfirma Tokyo Electric Power (Tepco) sagte hingegen, es sei keine Kernschmelze im Gange. Es werde versucht, den Kühlwasserstand zu erhöhen, um die Temperatur im Reaktor wieder senken zu können.

Gefahrenherd

Fukushima
© APDas Atomkraftwerk in Fukushima
In den AKWs Fukushima 1 und 2 waren durch das Erdbeben am Freitag die Kühlsysteme beschädigt worden, so dass dort eine Kernschmelze drohte. Die betroffenen Reaktoren schalteten sich durch das Erdbeben automatisch ab. Beim Herunterfahren müssen jedoch die Kühlsysteme anspringen, um die dabei entstehenden hohen Temperaturen zu senken. Eine Kernschmelze kann zu einer unkontrollierten Kettenreaktion und zum Austritt starker Radioaktivität führen.

Kyodo meldete, in der Nähe von Fukushima 1 sei radioaktives Cäsium entdeckt worden. Im Kontrollraum eines Reaktors von Fukushima 1 war zuvor bereits eine gegenüber dem Normalwert tausendfach erhöhte Radioaktivität gemessen worden. Außerdem war der Druck im Reaktor zu hoch.
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Tepco hatte daraufhin die Erlaubnis erhalten, Ventile zu öffnen und Dampf auszuleiten, über den auch radioaktive Substanzen in die Umwelt gelangten. Zehntausende Anwohner im Umkreis von zehn Kilometern waren aufgerufen worden, die Gegend zu verlassen.