Entgegen der heute gängigen Ansicht, die Welt habe den Gipfel der möglichen Öl- und Gasförderung erreicht und stehe nun vor dem Niedergang der wichtigsten Energiequelle für das weltweite Wachstum, sind wir einem solchen Gipfel - »Peak« im Englischen - keineswegs nahe.
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Schon der jüngste US-Boom bei Schiefergas und Schieferöl deutet darauf hin, dass es in Wirklichkeit ganz anders aussieht. Jetzt untersuchen Wissenschaftler, wie sich Erdgasvorkommen auf dem Meeresboden in der Arktis und den Ozeanen, die möglicherweise »für Millionen von Jahren« reichen, erkunden und fördern lassen. Sowjetische Forscher leisteten in der Zeit des Kalten Krieges Pionierarbeit über den Ursprung der Kohlenwasserstoffe. Dieser ist eines der bestgehüteten Geheimnisse der Welt - deshalb hier nur ein kurzer Hinweis: Sie stammen nicht von Fossilien oder Dinosaurier-Überbleibseln oder anderen organischen Zerfallsprodukten.


Aus Schiefergestein kann Erdgas extrahiert werden, allerdings mit sehr ernsthaften Folgen für die Umwelt. Eine weitere Quelle, über die bisher nur selten gesprochen wird, sind große Vorkommen von »Gashydraten«, wie sie in der Sprache der Geochemiker bezeichnet werden. Gashydrate, manchmal auch »brennbares Eis« genannt, sind Ansammlungen transparenter oder semitransparenter weißer, grauer oder gelber Kristalle, die in bestimmte Sedimentgesteine am Meeresboden eingebettet sind. Durch verschiedene seismische Untersuchungen wurde festgestellt, dass Methanhydrat in den Polarregionen Asiens, Europas und Nordamerikas lagert, sowie in 93 bis 95 Prozent der Meeresgebiete, wo dem »brennbaren Eis« stets Erdgas zugrunde liegt. In einem Gashydrat sind die Gasmoleküle in einer Kristallstruktur aus Wassermolekülen »eingesperrt«.i
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© mmmx / ShutterstockMethangashydrate (in Rosa) könnten genügend Treibstoff liefern,
um den weltweiten Energiebedarf für Millionen von Jahren zu decken
Das Potenzial von Erdgas aus brennbarem Eis oder Eishydraten ist atemberaubend. Nach Angaben der Firma Syntroleum, eines amerikanischen Herstellers von synthetischem Benzin, der seit den 1990er Jahren gemeinsam mit der US Air Force an der Entwicklung eines kostensparenden synthetischen Flugzeugtreibstoffs arbeitet, ergibt das Schmelzen von nur einem Kubikmeter Gashydrat auf Meereshöhe 150 bis 200 Kubikmeter Methangas und knapp einen Kubikmeter (0,87 m3) Frischwasser. Der US Geophysical Survey (USGS) erklärte bereits 1999, Gashydrate stellten eine »riesige unkonventionelle Rohstoffbasis« dar. Die Menge könnte ausreichen, den Energiebedarf für unsere Zivilisation über Millionen von Jahren zu decken, so die Einschätzung von Professor Wladimir Kutscherow von der Moskauer Staatsuniversität.

In einer persönlichen Mitteilung an den Autor stellte Kutscherow eine sehr konservative Berechnung an: »Angenommen, nur 0,1 Prozent der gesamten geschätzten Menge an Methan aus Gashydratlagern könnten genutzt werden. Dann lässt sich einfach berechnen, dass diese Menge den weltweiten Erdgasverbrauch für die nächsten 3850 Jahre decken würde.«ii Auch nach Einschätzung der Wissenschaftler des USGS können Gashydrate, die mehr Energie enthalten als alle zuvor entdeckten Erdöl- und Erdgasvorkommen zusammengenommen, eine wichtige Treibstoffquelle darstellen.iii

Japanischer Erfolg

Allein die Methanhydrate in Sedimentgesteinen auf US-amerikanischem Territorium könnten den Erdgasbedarf der USA für 1000 Jahre decken. Bisher wurde noch kein Verfahren ersonnen, wie diese enorme Energie kostengünstig gefördert werden kann. Das könnte sich allerdings bald ändern.
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Die Regierung von Japan - wo sich die Kosten für Erdgas derzeit auf 16 Dollar für eine Million »British thermal units« (Maßeinheit für Leistung, ca. 1055 J) belaufen, viermal so viel wie in den USA - hat nach einer erfolgreichen Probebohrung im März beschlossen, bis 2023 die kommerzielle Förderung von Methanhydrat anzustreben. Bei dem mit staatlichen Mitteln geförderten Test vor der Küste der japanischen Hauptinsel Honshū wurde eine Probebohrung bis fast 600 Meter unter den Meeresboden durchgeführt. Mit speziellem Gerät wurde der Druck im Umfeld der Methanhydratkristalle reduziert, die Kristalle in Gas und Wasser aufgelöst und rund 120 000 Kubikmeter Gas an die Oberfläche gepumpt. Das reichte aus, um japanische Forscher davon zu überzeugen, dass mehr Erdgas gewonnen werden könnte.iv

Man erwartet, dass bis zur kommerziellen Nutzung von Methanhydraten noch mindestens zehn Jahre vergehen werden - wenn sie überhaupt kommt. Derzeit werden verschiedene Techniken zur Gewinnung des Gases getestet. Keines der Verfahren ist bislang perfekt, alle sind nach wie vor ziemlich teuer. Eindeutig ist hingegen, dass es genug Erdöl und Erdgas gibt, um die Welt auf unabsehbare Zeit mit Energie zu versorgen, wenn der Preis der Förderung stimmt. Bemerkenswerterweise plant China für 2014 eine internationale Konferenz über Methanhydrate.

Fußnoten:

i Mark A. McCaffrey,»Natural gas hydrates«, Weatherford Laboratories, 2011
ii Wladimir Kutscherow, E-Mail an den Autor zur Frage des Potenzials von Gashydraten.
iii Ben Lefebvre, »Scientists Envision Tapping Methane Hydrates In Arctic And On Ocean Floor«,The Wall Street Journal, 29. Juli 2013.
iv Ebenda.