Syriens Präsident al-Assad
© AFPNach wochenlangem Schweigen hat Syriens Staatschef eine Rede vor dem Parlament gehalten - und dabei Hoffnungen auf baldige Reformen enttäuscht
Syriens Präsident Assad wähnt Verschwörer am Werk - kein Wort über Reformen. Er enttäuscht bei perfekter Inszenierung Hoffnungen auf Wandel.

In Damaskus wird das Stück „Treue bis in den Tod“ gegeben. Ort: das syrische Parlament, das diesen Namen nicht verdient, weil es nichts zu entscheiden hat. Hauptdarsteller: Baschar al-Assad (Arabisch: Löwe), 45-jähriger Präsident einer nominalen Republik mit 22 Millionen Einwohnern, faktisch eine Diktatur, in der mehrere sich gegenseitig kontrollierende Geheimdienste für Friedhofsruhe sorgen. Publikum: regimetreue Claqueure vor und in dem Parlamentsgebäude, die das Volk repräsentieren sollen.

„Syrien ist das Opfer einer ausländischen Verschwörung“, sagt Assad. „Mit Gottes Hilfe werden wir diese Verschwörung überwinden. Ich gehöre dem syrischen Volk an. Und jeder, der dem syrischen Volk angehört, wird immer erhobenen Hauptes durch die Welt gehen.“ Der erste Akt ist dem Hurrapatriotismus gewidmet. Im zweiten Aufzug erklärt der Hauptdarsteller, warum dieses Stück erst mit einiger Verspätung uraufgeführt wird:

„Ich weiß, dass das syrische Volk seit vergangener Woche diese Rede erwartet hat. Aber ich wollte erst ein vollständiges Bild haben, um nicht zu emotional zu reagieren. Das hätte die Menschen nur aufgewühlt, ohne einen Effekt zu haben - zu einer Zeit, da unsere Feinde Syrien zum Ziel auserkoren haben.“

"Assad ist das Rückgrat Syriens"

Der dritte und letzte Akt reflektiert ein Volk, wie der Hauptdarsteller es gern hätte: dankbar, gefügig, loyal. Das Publikum antwortet den Ausführungen des Herrschers: „Mit unserer Seele und unserem Blut opfern wir uns für dich, o Baschar.“ Abu Khudr, ein besonders eifriger Loyalist, sekundiert: „Baschar al-Assad ist das Rückgrat Syriens. Ohne ihn stürzt unser Land ins Chaos.“ Vorhang.

Es war eine sorgsam inszenierte, berechenbare Vorstellung. Sie wird kaum dazu beitragen, die gesellschaftlichen und strukturellen Probleme Syriens zu lösen. Bouthaina Shaaban, Assads politische Beraterin, hatte ganz andere Hoffnungen geweckt, als sie vor ein paar Tagen zu Protokoll gab, es gebe bei Reformüberlegungen „keine roten Linien“. Der Präsident sei für „jede Diskussion offen“.

Widerspruch zu Aussagen von Augenzeugen

Doch bisher stellt sich der Präsident keiner Diskussion, sondern fällt lediglich durch ihn selbst nicht weiter gefährdende Maßnahmen auf. Die Regierung zu entlassen ist ein symbolischer und kosmetischer, kein reformerischer Akt.

Eine Untersuchung der Todesschüsse auf Demonstranten anzukündigen und im gleichen Atemzug „bewaffnete Banden“ für die Morde verantwortlich zu machen legt das Ergebnis der Tätersuche bereits fest und steht im Widerspruch zu den Aussagen von Augenzeugen, staatliche Kräfte hätten auf die Menschen in der Stadt Deraa geschossen. Inszenierte Loyalitätsmärsche sollen „Dampf aus dem Kessel nehmen“: „Gott, Syrien, Baschar“, rufen die Regimetreuen und wedeln mit der Landesflagge.

Mehr als 60 Tote

Doch der stille Kompromiss zwischen den Herrschern und dem Volk - „Ihr habt die Macht, wir machen die Geschäfte“ - taugt nicht mehr. Die Syrer haben sich der Welle der arabischen Revolution angeschlossen, sie begehren auf gegen Repression und Unfreiheit. Mehr als 60 Tote hat dieser Aufstand bisher gefordert. Die vielen Kopf- und Brustschüsse, mit denen die Demonstranten getötet wurden, legen nahe, dass das Regime keine Warnschüsse mehr abgeben, sondern gezielt töten lässt.

Auch auf anderen Ebenen scheint das Regime, statt sich zu öffnen, auf der Repressionsklaviatur wieder schärfere Töne anzustimmen: Menschenrechtsorganisationen berichten davon, dass am Wochenende mindestens vier Anwälte verhaftet worden seien, die sich unter anderem um politische Gefangene gekümmert hätten. Die Versuche, Journalisten einzuschüchtern, seien ungebrochen und würden sogar intensiviert.

Die bange Frage in Syrien lautet, ob al-Assad bereit ist, für den eigenen Machterhalt so weit zu gehen wie sein Vater. Hafis al-Assad ließ 1982 in der mittelsyrischen Stadt Hama seinen Kettenhund und Verteidigungsminister Mustafa Tlas von der Leine, der die 350.000 Einwohner zählende Stadt unter Granatenbeschuss nehmen ließ. Oberkommandierender der Operation: der später in Ungnade gefallene und ins spanische Zwangsexil gedrängte Präsidentenbruder Rifaat al-Assad, Onkel des jetzigen Machthabers. 20.000 bis 30.000 fanden damals groben Schätzungen zufolge den Tod.

Ein kurzer syrischer Frühling

Hafis al-Assad hatte reinen Tisch gemacht, nicht nur mit den regierungsfeindlichen Muslimbrüdern, sondern gleich mit allen anderen missliebigen Oppositionellen und Bevölkerungsgruppen. Wer in Hama nicht starb, landete in den staatlichen Gefängnissen, was in vielen Fällen das gleiche Ergebnis zeitigte. Wenige Inhaftierte überlebten die Folterkeller des Diktators. Im November 2000 wurden sie im Rahmen einer Amnestie des Sohns entlassen.

Der junge Augenarzt, in Großbritannien ausgebildet und verheiratet mit der klugen Informatikerin Asma, hatte in dynastischer Erbfolge die Führung übernommen und Reformen angekündigt. Man sprach damals vom syrischen Frühling, der allerdings nur ein sehr kurzer war. Mit der Verhaftung von zehn Oppositionellen im darauffolgenden Jahr übernahm der weitverzweigte Geheimdienstapparat wieder das Kommando.

Baschar al-Assad fügte sich in die vom Vater installierten Machtstrukturen. Die Diktatur des Assad-Clans hält schon 40 Jahre. Es ist die Herrschaft der Minderheit der säkularen Alawiten über die Bevölkerungsmehrheit der Sunniten, deren strenge Dogmatiker die Alawiten als Sektierer und Häretiker betrachten.

Mangel an Mut und Realitätssinn

Ob der syrische Frühling jetzt mit Macht und elf Jahren Verspätung kommt, ist sehr fraglich. Ebenso, ob die seit 1963 geltenden Notstandsgesetze fallen werden, die die meisten Bürgerrechte außer Kraft setzen und Geheimdiensten wie Polizei und Armee quasi einen Freibrief ausstellen. Werden Parteien zugelassen, die Medienzensur abgeschafft? Ruth Jüttner von Amnesty International hält „Skepsis“ für angebracht.

„Auch damals im Jahr 2000 erwachten Oppositionelle und Intellektuelle, wurden Forderungen nach Pluralismus erhoben. Man traf sich in Diskussionsforen, sogenannten Salons, und debattierte über ein neues Syrien. Ein halbes Jahr später wurden diese Salons geschlossen, und die Bürgerrechtler wurden mit hohen Haftstrafen belegt“, sagte sie "Welt Online".

Fazit: Der Inszenierung in Damaskus fehlen Mut und Realitätssinn. Stattdessen wird nur klassisches arabisches Diktatorenspektakel gegeben.