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© Jürgen TodenhöferSupergau Gauck.
Die Kritik an Joachim Gauck nimmt zu. Der Bundespräsident hatte am Wochenende gefordert, Deutschland solle international mehr Verantwortung übernehmen. Für Gauck heißt das auch den Einsatz der Bundeswehr im Ausland. Es gehe dabei nicht um deutsches Dominanzgebaren wie in den vergangenen Jahrhunderten, sagte das Staatsoberhaupt am Samstag Deutschland Radio Kultur. Die Bundesrepublik sei heute eine verlässliche Demokratie und ein Rechtsstaat. Deutschland müsse daher seine Zurückhaltung ablegen, und im Kampf für Menschenrechte notfalls auch die Bundeswehr einsetzen. Der Außenpolitikexperte Alexander Neu von der Linkspartei widerspricht. Nach seiner Meinung verdreht Gauck die historischen Argumente, die gegen deutsche Militäreinsätze sprechen:
Natürlich gibt es gewichtige Gründe. Der Zweite Weltkrieg hat soviel Leid über die Menschen über die Menschen in Europa und Nordafrika gebracht, dass ist gar keine Frage! Was wir beobachten, ist eine Umkehrung der Argumentationslogik. Bis in die 90er Jahre hinein hieß es, gerade weil wir eine bedenkenswerte Historie mit Kriegsverbrechen, Holocaust haben, dürfen deutschen Soldaten niemals außerhalb Deutschlands stationiert werden oder in Einsatz gelangen. Das hat man dann Mitte der 90er Jahre umgekehrt. Gerade weil wir eine solche Vergangenheit haben, müssen wir für Menschenrechte weltweit eintreten, unter Umständen mit militärischer Gewalt. Das ist also eine komplette Drehung der Argumentationskette.
Die Forderung des deutschen Staatschefs ist nicht die erste ihrer Art. Seit dem Beginn seiner Amtszeit vor rund zwei Jahren fordert der ehemalige Pastor immer wieder ein selbstbewussteres deutsches Auftreten in der internationalen Arena. Erst zu Beginn dieses Jahres erneuerte er diese Forderung bei der Münchener Sicherheitskonferenz. Zusammen mit Außenminister Steinmeier und Verteidigungsministerin von der Leyen forderte er mehr deutsches Engagement. Alexander Neu findet das Argument Deutschland müsse seine Zurückhaltung aufgeben, schlicht falsch:
Ich habe mal durchrechnen und überprüfen lassen: Deutschland ist seit 1996 in 46 Auslandseinsätzen gewesen! 46 in über 20 Jahren! Das spricht nicht für eine besondere Zurückhaltung Deutschlands, im Gegenteil!
Die Forderungen des Bundespräsidenten fallen zudem in eine außenpolitisch angespannte Phase. In Syrien tobt seit vier Jahren der Bürgerkrieg, der Irak zerfällt und in der Ukraine ist noch keine Lösung in Sicht. Vor diesem Hintergrund treffen Gaucks Äußerungen bei der Opposition auf Unmut. Neben den Linken kritisierten auch die Grünen die Initiative als verfehlt. Aber auch in der Großen Koalition regt sich Widerstand. Der außenpolitische Sprecher der SPD, Rolf Mützenich sagte Spiegel Online, er sehe vorerst keinen Anlass für mehr militärisches Engagement. Alexander Neu bleibt trotzdem kritisch:
Mützenich ist ein sehr kritischer Denker in der SPD, den ich sehr schätze. Aber letztendlich wird die Sicherheits- und Außenpolitik leider nicht von Mützenich gemacht, sondern von Steinmeier. Und da denke ich schon, dass ein anderer Kurs angesetzt ist. Das hat Steinmeier in seiner Rede auf der Sicherheitskonferenz auch nochmal da getan, das man die deutsche Außenpolitik da mehr akzentuieren müsste.
Alexander Neu kritisiert zudem die unklare Rolle der Uno in Gaucks Vorschlag. Der Bundespräsident will mit Partnern aus EU und Nato für die internationale Einhaltung von Menschenrechten sorgen. Dies dürfe aber eigentlich nur die UNO, kritisiert Alexander Neu:
Die Uno spielt nahezu keine Rolle mehr. Es würde ja nichts dagegen sprechen, dass die Bundesrepublik Deutschland der Uno ständige Truppen zur Verfügung stellen würde für UN-geführte Einsätze. Dem steht nichts entgegen. Das ist laut UN-Charta sogar gewollt. Aber in der Praxis sieht das anders aus. Hier soll gewissermaßen die Nato als auch die Europäische Union die Uno als Interventionsbündnis für Menschenrechte, in Anführungszeichen, ersetzen.
Der Linkspolitiker meint, ein Blick auf die Geschichte zeige, dass Menschenrechte sich in den wenigsten Fällen mit Waffen erzwingen lassen. Stattdessen müsse man auf Krisenprävention setzen, damit Konflikte gar nicht erst entstehen.