Anti-Atomkraft-Demo in Japan
© dpaWut und Empörung vor der Tepco-Zentrale - die Anti-Atomkraftbewegung in Japan wird jeden Tag stärker.
Von einer Anti-Atomkraft-Bewegung wie in Deutschland ist Japan zwar weit entfernt, doch sechs Wochen nach Fukushima wächst auch bei vielen Japanern die Wut. Viele sind zum ersten Mal in ihrem Leben auf einer Demonstration, vereinzelt wehen sogar deutsche "Atomkraft? Nein Danke"-Fahnen.

"Wir brauchen kein Atomkraftwerk, wir brauchen kein Plutonium - unser Leben ist auch so schön." Das Echo der Demonstranten auf die Parolen aus den Lautsprechern ist im Vergleich zu deutschen Wutbürgern eher leise und schüchtern. Doch selten zuvor sind so viele Atomkraftgegner in Tokio einem Aufruf gefolgt und mit Spruchbändern auf die Straße gezogen. Auf einer Fahne steht auf Deutsch "Atomkraft? Nein Danke". Eine Demonstrantin hält ein großes Schild aus Pappe. Darauf steht: "Wir wollen endlich wieder Fisch essen!"

Zum ersten Mal im Leben auf einer Demonstration

Seit sechs Wochen kämpft Japan gegen die Atomkatastrophe im AKW Fukushima I, und so langsam wächst die Wut über die unabsehbaren Folgen. Von den 3000 Demonstranten sind viele zum ersten Mal in ihrem Leben auf die Straße gegangen: "Meine Bekannte aus Deutschland hat mir erzählt, wie groß dort die Anti-Atomkraft Bewegung ist. Deshalb muss ich als Mutter doch auch teilnehmen. Sonst ändert sich ja nie etwas", erzählt Yoko Shibuya und nimmt ihrem kleinen Sohn an die Hand. Sie schimpft auf die japanischen Medien, die zu wenig über die Gefahren von Kernenergie berichtet hätten. Notfalls müsse sie nach Deutschland auswandern, sagt sie und marschiert vorbei an den Polizisten vor der Tepco-Zentrale.

Nicht die Medien, sondern die Gewerkschaften verhindern eine Protestbewegung, glaubt dagegen Mitsuo Udo. Er ist schon seit Jahrzehnten Atomkraftgegner: "Die Gewerkschaften unterdrücken eine Protestkultur wie in Deutschland. Sie setzen sich sehr für die Energiekonzerne ein, weil sie eine wichtige Rolle als Arbeitgeber spielen."

Demonstrieren? Das macht man eigentlich nicht

Die deutsche Wissenschaftlerin Angela Lipsky lebt in Tokio und kennt die Anti-AKW Bewegung aus ihrer Heimat. In Deutschland hat sie früher öfter demonstriert, jetzt ist sie auch das erste Mal in Tokio auf die Straße gegangen: "Es ist ein bisschen anders in Japan: Es gibt fast so viele Polizisten wie Demonstranten. Man merkt, Japaner sind es eigentlich nicht gewohnt auf Demos zu gehen. So etwas macht man eigentlich nicht."

Ein Atomkraftgegner aus Russland führt den Protestzug an. Pawel Wdowichenko hat die Organisation "Kinder von Tschernobyl" gegründet. 25 Jahre nach dem Super-GAU wollte er eigentlich nur nach Japan reisen und Vorträge halten. Durch den Unfall im AKW Fukushima ist er jetzt als Experte gefragt und fordert zum Beispiel regelmäßige Gesundheitstests der Betroffenen. Der Westen habe leider nichts gelernt, beklagt er. "Nach Tschernobyl haben alle gesagt, das war alte Technik, eine typische russische Katastrophe. In Deutschland kann das nicht passieren. Und in Japan? Hier ist doch alles super."

Jetzt müssen auch die Japaner bei der Energiepolitik umdenken. Auch wenn bei dem Unfall in Fukushima bislang nur ein Bruchteil der Radioaktivität entwichen ist, die damals in Tschernobyl die Umwelt belastete, wird die sichere Entsorgung der Atomruine noch Jahre dauern und Milliarden kosten. Solange die beschädigten Brennstäbe aber nicht abgekühlt sind und schwere Nachbeben die Arbeiten gefährden, sind alle Rechenspiele über Geld und Gesundheit reine Spekulation.

havariertes Atomkraftwerk Fukushima
© AFPIm havarierten Atomkraftwerk Fukushima werden die beschädigten Reaktoren weiter gekühlt, was aber zu weiteren Problemen führen könnte.