Schweigemarsch in Mexiko
© Ronaldo Schemidt/AFP/Getty ImagesSchweigemarsch gegen den Drogenterror in Mexiko-Stadt
Mexiko Hunderttausend gegen den Drogenterror

Korruption, Gewalt und Tod: Der Krieg gegen die Drogen zersetzt Mexikos Gesellschaft. Die Bürger protestieren nun mit einem tagelangen Schweigemarsch.


Fünf Jahre nach Beginn des Drogenkriegs haben mehr als Hunderttausend Mexikaner ein Ende des Blutvergießens gefordert. In tiefes Schweigen gehüllt zog am Sonntag ein langer Protestmarsch auf den zentralen Zocalo-Platz in Mexiko-Stadt. Angeführt wurde der Demonstrationszug, der am Donnerstag im 90 Kilometer entfernten Cuernavaca gestartet war, vom Schriftsteller Javier Sicilia.

Dessen 24-jähriger Sohn war vor Kurzem zusammen mit sechs weiteren Personen aus einer Bar verschleppt und ermordet worden. Seither verkörpert der graubärtige Poet mit dem hellen Hut und der Reporterweste den Schmerz und die Wut der Mexikaner über die meist ungestrafte Gewaltorgie und die Unfähigkeit der Behörden. In 30 anderen Städten fanden ebenfalls Demonstrationen gegen die Gewalt statt.

Bei der Abschlusskundgebung forderte Sicilia den Rücktritt des Sicherheitsministers Genaro Garcia Luna, dem Verbindungen zum Sinaloa-Kartell nachgesagt werden. "Die Drogenbosse haben den Staat gefesselt", sagte Sicilia. Deshalb forderte er alle Parteien zu einer internen Säuberung auf. "Sonst müssen wir uns bei der nächsten Wahl fragen, welchem Kartell wir unsere Stimme geben wollen", sagte Sicilia ironisch und drohte unter ohrenbetäubendem Applaus mit einem Boykott der Präsidentschaftswahlen 2012.

Mexikos Sicherheitskräfte, die Justiz und lokale und regionale Autoritäten gelten als stark vom Drogenhandel infiltriert; 90 Prozent aller Straftaten bleiben ungesühnt. "Wie ist es möglich, dass Gouverneure einfach so weiterregieren, obwohl allgemein bekannt ist, dass sie mit einem Kartell zusammenarbeiten?", fragte Sicilia. In einer emotionsgeladenen Atmosphäre lasen Angehörige von Opfern außerdem eine lange Liste der Toten vor; nach jedem Namen entgegnete die Menge "hätte nicht sterben dürfen".

Präsident Felipe Calderón hat nach seinem Amtsantritt 2006 zum Krieg gegen die Drogenkartelle geblasen und die Armee auf die Straßen geschickt. Seither kamen fast 40.000 Menschen ums Leben, die Gewaltkriminalität hat besonders im Grenzgebiet zu den USA stark zugenommen, inzwischen sterben auch viele Unschuldige im Kugelhagel. In der Bevölkerung schwindet deshalb der Rückhalt für den Drogenkrieg. "Die Strategie ist falsch", sagte Bischof Raul Vera aus Saltillo, der ebenfalls am Marsch teilnahm. "Ohne die Bekämpfung der Korruption gibt es keinen Ausweg." Vera begrüßte, dass sich die Mexikaner endlich mobilisierten, um eine andere Form des Zusammenlebens zu fordern.

Sicilia schlug einen "Pakt zur Befriedung in Würde und Gerechtigkeit" vor. Dieser sieht unter anderem eine neue Strategie vor, in der nicht mehr der militärische Ansatz im Vordergrund steht, sondern Menschenrechte und eine strikte Trennung von polizeilichen und militärischen Aufgaben. Außerdem wird die Regierung aufgefordert, einige der besonders auffälligen Morde endlich aufzuklären. Der Pakt soll im Juni in Ciudad Juarez, der gewalttätigsten Stadt der Welt, von diversen Bürgerrechtsgruppen und Menschenrechtsorganisationen unterzeichnet werden.

Bereits 2008 gab es große Protestmärsche gegen die Unsicherheit. Anlass war seinerzeit die Zunahme von Entführungen und Raubüberfällen. Schon damals forderten die Teilnehmer Justiz- und Polizeireformen, die aber aufgrund parteipolitischer Erwägungen und starken Widerstands der betroffenen Institutionen nur teilweise umgesetzt wurden.