Ein Teil unseres Erbguts besteht aus Viren- und Bakteriengenen, die wir integriert haben. Ihr neuester Funktionsnachweis: Sie wehren externe Virenattacken ab.

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Fast acht Prozent unseres Erbguts stammen ursprünglich von Viren, die sich im Laufe der Evolution in unser Genom integriert haben. Zumeist sind diese Abschnitte stillgelegt und üben keine bekannte Aktivität aus. Eine der Ausnahmen scheint jedoch das Humane Endogene Retrovirus HERVK(HML-2) zu sein, dass sich erst vor rund 200 000 Jahren in unsere DNA eingefügt hat - als bislang jüngstes Mitglied dieser Virenfamilie. Joanna Wysocka von der Stanford University und ihre Kollegen entdeckten, dass es in wenige Tage alten menschlichen Embryonen sehr aktiv ist, wie sie in Nature berichten. Die Mediziner hatten die prinzipielle Genaktivität der gerade einmal acht Zellen umfassenden Embryos untersucht und stießen dabei auf zahlreiches genetisches Material des HERVK: Die Zellen waren angefüllt mit viralen Proteinprodukten, so Wysocka.

Welche Funktion sie ausüben, deuteten darauf folgende Experimente mit eigens in der Petrischale gezüchteten embryonalen Zellen an: Die erzeugten Proteine verhindern offensichtlich, dass andere Viren wie beispielsweise Grippe in den Zellhaufen eindringen und ihn dadurch schädigen können - was den Embryo wiederum vor vorzeitiger Abstoßung schützt. Außerdem beeinflusst die Viren-DNA die Genaktivität der Embryozellen: Sie bereitet den Weg für die Ausbildung der zellularen Proteinproduktionsstätten. Unklar ist allerdings, ob dieses Aktivitätsmuster das Ergebnis der jahrtausendelangen Koexistenz im Erbgut ist, eine Art evolutionäre Symbiose, oder ob hier immer noch eine Art Kampf zwischen Virus und Mensch stattfindet. "Agiert das Virus eigennützig, indem es sich in dieser frühen embryonalen Phase anschaltet? Oder setzt unser Erbgut die Virenproteine gezielt ein, um sich selbst zu schützen? Profitieren beide?" fragt der an der Studie beteiligt Edward Grow von der Stanford University