Toben, schubsen, treten: Bei Raufereien in der Schule sind nicht zwangsläufig die Jungen die Rädelsführer. An Berliner Oberschulen geben Mädchen vor, wie viel Gewalt für alle akzeptabel ist.
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Wer an Aggression in der Schule denkt, denkt wohl spontan eher an Jungen als an Mädchen. Dabei sind es die Mädchen in der Klasse, die den Rahmen für aggressives Verhalten vorgeben, wie eine neue Studie an 1300 Berliner Schülern zeigt.

Die Psychologen Robert Busching und Barbara Krahé von der Universität in Potsdam haben über einen Zeitraum von drei Jahren untersucht, wie die Klassennorm - also die Einstellung einer Klasse gegenüber aggressivem Verhalten - beeinflusst, für wie akzeptabel der einzelne Schüler Gewalt hält, und ob er sie auch selbst einsetzt.

Dazu erhoben die Forscher bei mehr als 1300 Berliner Schülern unterschiedlicher Einrichtungen die Einstellung gegenüber Aggressionen sowie das aggressive Verhalten jedes Schülers, und zwar drei Jahre in Folge, beginnend in der siebten oder achten Klasse. Jedes Mädchen und jeder Junge sollte dazu anhand einer fiktiven Geschichte erklären, wie er oder sie auf provozierendes Verhalten reagieren würde. Aggressive Reaktionen konnten in verschiedenen Abstufungen gewählt werden, vom Schubsen übers Treten bis hin zum Beißen.

Aggressivität bei Schülern je nach Klassennorm

Je angemessener der Schüler aggressivere Reaktionen fand, umso höher war sein Wert auf der Skala zur Einstellung gegenüber Aggressionen. Die Wissenschaftler bildeten aus diesen Werten den Mittelwert, also die Klassennorm. Sie fragten außerdem nach dem aggressiven Verhalten, dass die Schüler tatsächlich in den letzten sechs Monaten gezeigt hatten.

Wie die Forscher im Journal Personality and Social Psychology berichten, hatte die Klassennorm einen messbaren Einfluss auf die Aggression, die jeder einzelne Schüler zeigte. Wurde in einer Klasse Aggression mehrheitlich toleriert, zeigten die Schüler auch mehr gewalttätiges Verhalten - sogar jene, die für sich genommen eine ganz andere Einstellung hatten.

In Klassen, die nur wenig Gewalt tolerierten, hielten sich hingegen auch jene mit Aggressionen zurück, die eigentlich offener gegenüber Gewalt waren. Besonders auffällig war: Wenn die Mädchen einer Klasse aggressives Verhalten akzeptabel fanden, dann verhielt sich die Klasse insgesamt auch aggressiver.

Die Wissenschaftler haben auch eine Idee, woran das vielleicht liegen könnte: Mädchen, so ihre Vermutung, sind sich untereinander deutlich ähnlicher in ihren Einstellungen als Jungen - und als einheitliche Gruppe ist damit ihr unmittelbarer Einfluss auf das Verhalten in der Klasse größer.